Nachdem ich nun meine gesamte Freizeit der letzten vier Wochen in Organelle/Pure Data investiert habe schließe ich mich diesem Urteil (und meinem Vorurteil) an:
Ich denke, das ist eher ein "Spielzeug" für Bastel und Programmier-Nerds als für Musiker.
Also es gehen schon wirklich krasse Sachen damit. Was aber nicht an dem Organelle liegt sondern daran, dass es eine offene Plattform ist und mit Pure Data oder auch SuperCollider unendliche Möglichkeiten bietet. Der Organelle bietet wiederum die Möglichkeit, die Patches in die Tasche zu packen und mit zu nehmen. Für mich als Entwickler ist Pure Data zwar Pain in the ass, aber das sei mal dahin gestellt. Das Konzept ist im Grunde schon klasse und richtet sich eher an Menschen die eben keinen technischen Hintergrund haben. Aber viele Dinge lassen sich aus meiner Sicht nur sehr umständlich umsetzten. Und die Arbeit an Details ist teilweise extrem aufwändig bis alles passt. Was aber auch daran liegen könnte, dass ich in einigen Dingen sehr pedantisch bin. Nun habe ich eine Idee davon welche Probleme bei der Entwicklung eines Synthesizers bewältigt werden müssen.
Pure Data bietet im Grunde genommen das was auch ein Modularsystem bietet. Nur eben noch viel flexibler weil mindestens ein Level niedriger. Viel Zeit ist bei mir in das Thema "Infrastruktur" und Komponenten geflossen. Man landet extrem schnell in einem komplexen System von Abhängigkeiten in einem PD-Patch. Und da einen Fehler zu suchen tut richtig weh weil PD komplett Event-basiert ist. Ereignisse werden ausgelöst und irgendwo wieder aufgefangen. Nur wo überall? Also habe ich erstmal ein paar "Services" in PD gebaut die mir Standardaufgaben abnehmen ohne, dass ich dauernd nachschauen muss was denn jetzt schon wieder nicht passt. Das Zusammenspiel von Potis/Encoder, MIDI, Screens und Änderungen an Modulation oder Klang habe ich abgefrühstückt indem ich das eben standardisiert und ein Vorgehen für die Erstellung von Patches entwickelt habe. Entwickler lösen Standardprobleme eigentlich am liebsten nur ein Mal. Weil sie von Natur aus faul sind.
Aus Neugierde habe ich dann diverse Standard-Effekte mal selbst gebaut. Reverbs, Delays, Phaser, Chorus und Ringmod. Es ist schon cool wenn man einen tieferen Einblick darin bekommt wie Dinge funktionieren. Mein Stereo-Filter-Delay in PD z.B. ist mir ganz gut gelungen. Da frage ich mich mittlerweile, wie viele Pedals da draußen eigentlich nur noch ein Raspi mit PD oder SuperCollider darauf sind? Das wäre jedenfalls mein Ansatz, wäre ich ein Pedal-Produzent.
Was mich an den üblichen Sequencern nervt (darum besitze ich keinen) ist, dass die Patterns doch relativ schnell langweilig werden. Jedenfalls für mich. Ich bin ein Freund der Synkope da ich viel Jazz höre. Also habe ich versucht einen Sequencer auf die Beine zu stellen der genau das beherrscht. Mit einer Kombination von Euklid und Bernoulli in Reihe und auch parallel verschaltet ist es mir wahrhaftig gelungen Sequenzen zu basteln die diese komplexen Muster erzeugen können. Und das trotzdem "synchron" über beliebig viele Spuren da alles über eine Main-Clock gesteuert wird. Das geht weit über "Polyrhythmik" hinaus. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass der Organelle ja auch MIDI out kann, könnte man damit seine Klangerzeuger steuern. Könnte. Denn der Organelle kann MIDI in/out leider nur auf einem Kanal. Wenn ich das richtig sehe. Komische Limitierung. Schade schade... Wobei ich dem Pyramid 64 (den ich nicht kenne) das auch zutraue. Ich will mich hier ja nicht zu weit aus dem Fenster hängen da ich ja im Grunde keine Ahnung von komplexen Sequencern habe.
Mal zwei Beispiele was ich die letzten Wochen mit dem Organelle so gemacht habt.
Damit ist mein Hauptgrund für den Kauf des Organelle aber passé. Patches bauen ist relativ aufwändig und die interaktiven Möglichkeiten mit vier Postis und einem Encoder sind eingeschränkt und irgendwie auch nicht so wirklich komfortabel. Wobei ich es hinbekommen habe, pro Screen bis zu 10 Parameter unter zu bringen. Bei den 20+ Screens die mein "Screen-Manager" verwalten konnte 200+ Parameter. Eigentlich also schon mehr als reichlich. Aber ich habe, auch wenn es wirklich spannend ist, keine Lust auch noch meine Freizeit am PC abzuhängen um Patches zusammen zu basteln. Der Organelle wird mich also nicht in den Urlaub begleiten sondern in Kürze zu einem guten Preis auf Ebay verfügbar sein. Schade. Schade hatte ich aber, glaube ich, schon mehrfach gesagt.
PD werde ich aber weiter verfolgen. Da sind wirklich spannende Dinge machbar die ansonsten unmöglich sind. Nur erstmal reicht es mir jetzt. Die letzten vier Wochen habe ich nicht ein einziges Mal einen Synthi angefasst.
Ist dann doch ein langer Text geworden...