Re: GEZ Rundfunkbeitrag - Steuer durch die Hintertür
Ich störe euren wutbürgerlichen Konsens hier im Thread (mit wenigen Ausnahmen...) nur ungern, aber ich sehe das völlig anders. Daher vielleicht ein paar Gedanken zum Thema, zwecks Meinungsvielfalt:
Laut Meinungsforschung sind mehr als 2/3 aller Bürger gegen den Unfug und mehrere Millionen Haushalte
Bei mir gehen ohnehin schon die Alarmglocken an, wenn als ›Argument‹ vorgebracht wird, dass Meinungsforscher dies oder jenes herausgefunden hätten; dass die große Mehrheit für oder gegen die fragliche Sache sei; dass Millionen Haushalte dies oder jenes ›halt so machen‹. Mir fallen, nicht nur jetzt, wo die EM (WM?) wieder losgeht, dutzende Sachen ein, die Millionen von Leuten super finden, und von denen ich trotzdem nichts halte.
Davon aber abgesehen, und zum eigentlichen Thema: Ich habe seit Jahren keinen Fernseher mehr. Und die Jahre vor der Entsorgung stand er ungenutzt in der Ecke, Ausnahme ab und zu: Filmgucken auf DVD. Aber auch eher selten, da ich sehr gerne ins Kino gehe. Radio höre ich fast gar nicht, Ausnahme ab und zu mal DLF oder DRadio, wenn ich zufällig im Voraus erfahren habe, dass ein gutes feature kommt. Für Nachrichten, Diskurs, Kulturkritik etc. habe ich über eine überregionale Tageszeitung, zwei, drei mal am Tag klicke ich deren oder eine andere website an, wenn ich mich auf den neusten Stand bringen will. Auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen nutze ich so gut wie gar nicht. Nie informiere ich mich aktiv, »was es gibt«. So, wie ich meine Zeit einteile, die neben Geldverdienen, Familie mit zwei Kindern, Musik und Sozialleben (Synth-Foren...) bleibt, ist einfach nichts übrig für sowas, und ich vermisse es auch nicht. Ach ja, einmal die Woche guckt unser Großer die neue Sendung mit der Maus aus der ARD-Mediathek.
Ich nutze also so gut wie nichts von dem, was ich durch meinen GEZ-Beitrag mitfinanziere. Und dennoch finde ich es extrem wichtig, dass es öffentlich-rechtliche Medien gibt, vom Gemeinwesen finanziert, juristisch formalisiert, prinzipiell demokratisch legitimiert und zumindest vom Anspruch her auf die Vielfalt der Interessen seiner Zielgruppe zugeschnitten. Ob das
in der Praxis so hinhaut, also ob sich tatsächlich jeder in diesen Programmen wiederfindet, darüber kann man vortrefflich streiten, und ich selber -- als jemand, der weder für Unterhaltungs- oder Talksendungen, noch für Musikantenstadl, noch fürs Balltreten, noch für den Tatort was übrig hat -- könnte sicher als gutes Beispiel für jemanden taugen, der sich dort, zumindest in der primetime, eben nicht wiederfindet. [und ganz bestimmt sagt jemand: »demokratisch legitimiert? Dass ich nicht lache!« in 3, 2, 1 Sekunden...]
Aber das ist eben überhaupt nicht der Punkt. Ich finde diese Erwartungshaltung völlig überzogen: »es läuft nie was, was mich interessiert, also taugt das System nichts.«
Ich bezweifel, dass die ÖR tatsächlich für die meisten Leute keine passenden Beiträge bereithalten. Im Gegenteil: meine (zugegeben etwas platte) Behauptung wäre, dass für 2/3 der Bürger oder für Millionen von Haushalten die Kombi Talkshow/Tatort/Fußball genau das richtige ist (oder warum sonst reden alle am Montagmorgen von nichts anderem?). Und daneben ist eine Vielfalt vorhanden, die zwar sicher noch ausbaufähig ist, die man aber vor allem (als Rezipient) erstmal
nutzen muss. Dass die ÖR es vielleicht noch einfacher machen sollten, auf diese Vielfalt zuzugreifen, ist sicher richtig, aber kein Argument für das bornierte »ich zahl nix«.
Aber selbst wenn es stimmen sollte, dass für so viele Leute nichts dabei sei; dass die Qualität der ÖR unterirdisch sei im Vergleich zu privat finanzierten Angeboten (RTL? KenFM?) -- dann ist das eigentlich nur umso mehr Argument dafür, dazu beizutragen
und auf dieser Grundlage sich dann (mit einigem Recht) dafür einzusetzen, dass sich in Sachen Qualität was ändert (und ggf. auch an der Beitragshöhe).
Es erinnert ein wenig an die Beobachtung, dass diejenigen Leute, die am lautesten über »die Politik« schimpfen, oftmals diejenigen sind, die sich selbst am allerwenigsten an politischen Prozessen beteiligen.
Wofür zahle ich also? Ich zahle für
das Prinzip. Ich sehe von meinen persönlichen Vorlieben und meiner tatsächlichen Nutzung ab, und finde es eine Selbstverständlichkeit, dass man zu etwas beiträgt, von dem man meint, dass es wichtig ist, dass es das gibt. Ich frage mich, ob nicht die GEZ-Verweiger oftmals auch zu den Leuten gehören, die so furchtbar z.B. auf das amerikanische Gesundheitswesen schimpfen, weil's dort ja kein staatlich organisiertes Solidarprinzip gebe. In Sachen GEZ verhalten sie sich aber genau konträr, sind nicht bereit, zu etwas beizutragen, von dem sie selbst keinen unmittelbaren Nutzen haben. Und das finde ich, sorry, da bin ich altmodisch, unzivilisiert und rückschrittlich.