Ich lehne Presets grundsätzlich ab, aus mehreren Gründen:
1.) entsprechen Klänge, die sich jemand anderes ausgedacht hat, in den seltensten Fällen meinen eigenen Bedürfnissen. Da zeigt im besten Falle jemand, was das Gerät kann; im schlimmsten Falle wird ein dermaßen schlechtes Zerrbild produziert, daß man u. U. nie wieder ein bestimmtes Gerät anfaßt, was sich womöglich als großer Fehler herausstellt. Daraus erwächst 2.)
2.) tun Presets einem Gerät zuweilen ziemlich Unrecht. Ich denke da an den Technics WSA-1, dessen Presets mich vom Kauf abgehalten hätten, hätte ich ihn vor zehn Jahren im Laden gehört. Selbiges gilt z. B. auch für eine Korg Wavestation.
3.) sind Presets eine Convenience-Lösung für Leute, die keine Zeit, keine Lust, keine Disziplin oder kein Talent haben, ein Gerät von der Pieke auf zu erlernen. Wozu mir Mühe geben, wenn ich hier eine Befriedigung im Dutzend finde? Presets unterstützen zuweilen Disziplinlosigkeit, Bequemlichkeit und Faulheit... "ich brauch´ mir keine Mühe geben; wenn ich mein Gerät anschalte, kommen immer Sounds raus, die ich irgendwie toll finde..." Oder andersrum: "Ich kann mich gar nicht entscheiden, alles so schön bunt hier..."
4.) erwächst aus 3.), daß immer mehr Leute immer mehr dieselben vorgefertigten Klangfarben verwenden, da mit neuen Synthesekonzepten nicht unbedingt ein besserer Bedienkomfort einherging bzw. die Flut an Parametern *noch* unübersichtlicher wurde, als sie es bei vorangegangenen Gerätegenerationen bereits war. Ich denke an die Zeiten, wo Korg M-1 "Universe", Roland D-50 "Digital Natives" oder "Fantasy" (hieß der so?), Yamaha DX-7 "Stratotron" oder diverse Preset-Wavesequenzen aus der Korg Wavestation allenthalben zu hören waren. Nicht nur die elektronische Populärmucke, wie sie in den späten 80ern zu hören war, hat darunter gelitten, daß plötzlich alle nur noch Werksprogramme abdudelten.
5.) können Presets einen enorm einschüchtern, wenn man gerade ein neues Gerät erworben hat und seine eigenen bescheidenen ersten Klangprogramme mit dem vergleicht, was schon in ROM-Banken drinsteckt. Da läßt man es gleich wieder bleiben und verwendet lieber sofort die Werkspresets, bevor man viele Stunden Mühe auf einen Klang verschwendet, der eh nur schlechter klingt als das, woran man ihn messen könnte. Und schon sind wir wieder bei 3.) und 4.)
6.) Presets sind für mich nur dann eine Lösung, wenn es sich um eine bestimmte Art Keyboards handelt, deren Klangspektrum sowieso nur auf zwei oder drei Klangfarben festgelegt ist, z. B. Stringgeräte wie ein Solina oder ein Roland VP-330. Da *müssen* es einfach die Presets sein, die machen den Charakter des Instrumentes aus. Selbiges würde ich auch für das Mellotron gelten lassen.
7.) Ich lehne auch vorgefertigte Samples oder Plug-In-Sounds ab, wie z. B. Atmosphere oder Distorted Realities... die Wahrscheinlichkeit, genau diesen Geräuschen und Atmos irgendwo anders zu begegnen, ist *verdammt* groß. Außerdem ist nichts befriedigender, als solche Klänge selbst erstellt zu haben; ich gehe lieber nachts durch Duisburg-Bruckhausen und nehme die Umgebungsgeräusche bei Thyssen auf, als mir eine Sampling-CD mit solchen Klängen zu kaufen. *Das* ist der Gipfel der Unpersönlichkeit, und schließlich will man doch, daß die eigene Arbeit auch die eigene Handschrift trägt.
8.) Wenn ich Presets in einem Monosynthesiser wie dem Voyager höre, dessen Parameterfundus überschaubar ist, muß ich mich fragen, wie wenig man dem Benutzer eigentlich zutraut... deshalb habe ich auch nie viel von speicherbaren Monosynths gehalten. Wer sich *das* Bißchen nicht merken kann, sollte besser gleich zur Mundharmonika greifen oder es ganz bleiben lassen.
Stephen