Re: Minimoog wird neu aufgelegt / BFAM
kybernaut_01 schrieb:
CB schrieb:
Der "Neue" hingegen ist kein Original und wird es auch nie werden.
Klingt zwar markig - ist aber natürlich dennoch Quatsch.
Lass mich raten: Alter Hase mit altem MM?
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Auszüge):
II
Noch bei der höchstvollendeten Reproduktion fällt eines aus: das Hier und Jetzt des Kunst-
werks – sein einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet. An diesem einmaligen
Dasein aber und an nichts sonst vollzog sich die Geschichte, der es im Laufe seines Bestehens
unterworfen gewesen ist. Dahin rechnen sowohl die Veränderungen, die es im Laufe der Zeit
in seiner physischen Struktur erlitten hat, wie die wechselnden Besitzverhältnisse, in die es
eingetreten sein mag. Die Spur der ersteren ist nur durch Analysen chemischer oder physi-
kalischer Art zu fördern, die sich an der Reproduktion nicht vollziehen lassen; die der zweiten
ist Gegenstand einer Tradition, deren Verfolgung von dem Standort des Originals ausgehen
muß.
Das Hier und Jetzt des Originals macht den Begriff seiner Echtheit aus. Analysen chemischer
Art an der Patina einer Bronze können der Feststellung ihrer Echtheit förderlich sein; ent-
sprechend kann der Nachweis, daß eine bestimmte Handschrift des Mittelalters aus einem
Archiv des fünfzehnten Jahrhunderts stammt, der Feststellung ihrer Echtheit förderlich sein.
Der gesamte Bereich der Echtheit entzieht sich der technischen und natürlich nicht nur der
technischen – Reproduzierbarkeit.
Während das Echte aber der manuellen Reproduktion gegenüber, die von ihm im Regelfalle
als Fälschung abgestempelt wurde, seine volle Autorität bewahrt, ist das der technischen
Reproduktion gegenüber nicht der Fall. Der Grund ist ein doppelter. Erstens erweist sich
die technische Reproduktion dem Original gegenüber selbständiger als die manuelle. Sie
kann, beispielsweise, in der Photographie Ansichten des Originals hervorheben, die nur der
verstellbaren und ihren Blickpunkt willkürlich wählenden Linse, nicht aber dem menschlichen
Auge zugänglich sind, oder mit Hilfe gewisser Verfahren wie der Vergrößerung oder der Zeitlupe
Bilder festhalten, die sich der natürlichen Optik schlechtweg entziehen. Das ist das Erste.
Sie kann zudem zweitens das Abbild des Originals in Situationen bringen, die dem Original
selbst nicht erreichbar sind. Vor allem macht sie ihm möglich, dem Aufnehmenden entgegen-
zukommen, sei es in Gestalt der Photographie, sei es in der der Schallplatte. Die Kathedrale
verläßt ihren Platz, um in dem Studio eines Kunstfreundes Aufnahme zu finden; das Chorwerk,
das in einem Saal oder unter freiem Himmel exekutiert wurde, läßt sich in einem Zimmer
vernehmen.
Die Umstände, in die das Produkt der technischen Reproduktion des Kunstwerks gebracht
werden kann, mögen im übrigen den Bestand des Kunstwerks unangetastet lassen – sie
entwerten auf alle Fälle sein Hier und Jetzt. Wenn das auch keineswegs vom Kunstwerk allein
gilt sondern entsprechend z. B. von einer Landschaft, die im Film am Beschauer vorbeizieht,
so wird durch diesen Vorgang am Gegenstande der Kunst ein empfindlichster Kern berührt,
den so verletzbar kein natürlicher hat. Das ist seine Echtheit. Die Echtheit einer Sache ist der
Inbegriff alles von Ursprung her an ihr Tradierbaren, von ihrer materiellen Dauer bis zu ihrer
geschichtlichen Zeugenschaft. Da die letztere auf der ersteren fundiert ist, so gerät in der Re-
produktion, wo die erstere sich dem Menschen entzogen hat, auch die letztere: die geschicht-
liche Zeugenschaft der Sache ins Wanken.[...]