R.P.S. Lanrue / Ton Steine Scherben †

[synthosaur]

doppelt tragisch, denn so talentierte, kritische und unangepasste Künstler und Bands fehlen mehr denn je

 

[ppg360]

Das letzte Mal, als die Scherben unangepaßt waren, muß so um 1975 herum gewesen sein, danach war das auch nur noch Muckertum zur Existenzsicherung. Und die Scherben ohne Rio waren wie Queen ohne Freddie... irgendwie nicht dasselbe.

Im Gegensatz zu den Neubauten waren mir die Scherben irgendwie immer zu unmusikalisch -- die Texte zu lang, zu mitteilsam und zu sperrig, um in das gewählte Musikformat zu passen.

Vergiß den Hut nicht, Ralph, und gute Reise.

Stephen

PS: Zur Lektüre empfehle ich Misha Schönebergs Als wir das Wunder waren:

https://www.jaron-verlag.de/product-page/als-wir-das-wunder-waren

 

[synthosaur]

Ich würde mal wagen zu behaupten, der "impact" auf die Gesellschaft (nicht auf die Kunst) war / ist bei den Scherben größer als bei den Neubauten, ich kenne allerdings nur Schlömer vom letzten Lineup persönlich. Aber "am Grab" soll man ja über sowas nicht streiten.

 

[ignifer]

RIP

 

[Horn]

RIP

Ich fand die Scherben musikalisch immer sehr, sehr unterschätzt. Aus meiner Sicht war das eine richtig gute Band. Und ich habe das Gitarrenspiel von Lanrue sehr gemocht.

 

[tiefenrausch2]

Die Scherben waren eine verdammt wichtige Band. Es war schön sie persönlich kennengelernt zu haben. RIP

 

[freidimensional]

Oh wie schade. Vor ein paar Jahren noch in Viersen live gesehen

Ja die Scherben waren nie die Ausnahmemusiker, dafür sind die Platten der ersten Jahre zeitlos

 

[einseinsnull]

Ich würde mal wagen zu behaupten, der "impact" auf die Gesellschaft (nicht auf die Kunst) war / ist bei den Scherben größer als bei den Neubauten, ich kenne allerdings nur Schlömer vom letzten Lineup persönlich. Aber "am Grab" soll man ja über sowas nicht streiten.

würde ich den link dazu finden, würde ich auf diesen briefwechsel zwischen irgendsoeinem liedermacher-punk-verleger und irgendsoeinem anderen neue-musik-nur-ich-bin-die--kunst verleger aus den siebzigern verwiesen, den dirk m. hier mal in einer solchen diskussion (fortschritt vs. klasseninteresse in der kunst oder so ähnlich) gepostet hat.

wobei als pop-hassender untergrundkünstler und antikapitalistischer politiker natürlich zwischen beiden ansätzen hin- und hergerissen ist - vermutlich haben sie alle eine existenzberechtigung.

dafür sind die Platten der ersten Jahre zeitlos

und das ist ja irgendwo auch eine qualität.

wobei man jetzt auch nicht wirklich behaupten kann, dass der könig oder für immer und dich irgendwie musikalisch schlecht wären, das ist schon alles total in ordnung und durchaus mit köpfchen komponiert und arrangiert.

das zeug gehört zu den wenigen sachen, die ich aus diesem genre überhaupt gerne und bewusst höre.

 

[j[b++]]

R.I.P.

 

[Horn]

Die Scherben waren eine verdammt wichtige Band.

Finde ich auch. Es war die erste relevante Rockband mit Texten in deutscher Sprache. Erst danach fing auch Lindenberg an, Deutsch zu singen, mit größerer Öffentlichkeitswirksamkeit, dann kam Nina Hagen, später Spliff, Ideal usw. Aber die Scherben waren die Vorreiter ... und aus meiner Sicht textlich und musikalisch kulturell sehr relevant - zumindest bis Ende der 70er-Jahre.

Kraftwerk, Tangerine Dream, Krautrock - das gab es auch - das ist teilweise wirklich Kunst, aber eine andere "Baustelle" - und gesellschaftlich etwas weniger einflussreich aus meiner Sicht - das ist halt mehr künstlerischer Elfenbeinturm, während Rio Reiser, Udo Lindenberg, Nina Hagen usw. Sprachrohre einer sehr großen Zahl von Menschen in Deutschland waren, die Veränderungen wollten.

 

[bruderkong]

die scherben haben auch die songs für brühwarm, deutschlands erster schwuler rockband verfasst und produziert (corny littmann als einer der sänger).
rio war einer der ganz großen in deutschland, nicht zuletzt auch die combo mit lanrue.. rip beiden

 

[freidimensional]

wobei man jetzt auch nicht wirklich behaupten kann, dass der könig oder für immer und dich irgendwie musikalisch schlecht wären, das ist schon alles total in ordnung und durchaus mit köpfchen komponiert und arrangiert.

Das war Rio solo, das waren nicht die Scherben

Für uns damals 15/16 Jährige Landeier-Punks Anfang der 90er waren die Scherben jedenfalls eine sehr feste Säule im äußerst wichtigen provinziellen niederrheinischen Kampf gegen das Kapital und die Unterdrückung der Arbeiterklasse (erwähnte ich, dass mein Vater Makler ist, und ich mit 16 auf Grund von deutlicher Schulunfähigkeit auf eine Privatschule geschickt wurde? ) .

Lautstark am Lieblingsplatz vor der örtlichen Sparkasse liefen dann auf unserem Mini-Kassettenradio, aufgetürmt auf unseren Hansa-Export Dosen, neben Nirvana natürlich die Scherben, und wir gröhlten mit was das Zeug hielt... ohne zu wissen, wovon singt der denn da eigentlich? Das RauchHaus war für uns natürlich ein Haus voller Bongs, logisch, wer den Shit Hit hat, muss für das Bong Haus kämpfen...)
Kreuzberg, ja schon mal gehört, Berlin, oder? Egal, da vorne sind die Bullen. Schnell noch n Bier auf, und vorspulen auf keine Macht für niemand. Dann laut machen.
Alter, ist das dein Vater da vorne?

Oh, Mist, schon acht..gleich kommt der letzte Bus. Tja. Muss morgen wieder zur Schule. Der Traum ist aus, für heute. Der Turm stürzt wieder ein. Wir haben gut gekämpft *rülps.
Morgen ist wieder Klassenkampf. Nachmittags auch.

 

[einseinsnull]

Das war Rio solo, das waren nicht die Scherben

ja, das denken viele, aber das stimmt so leider nicht.

viele rio titel, vor allem der könig, wurden schon in den siebzigern von den scherben aufgeführt und sind demzufolge auch damals schon komponiert worden.

wobei die keyboards so wie sie auf der späteren rio schallplatte vorliegen sicherlich aus #gründen damals noch nicht so waren wie man sie heute kennt.

und ich mit 16 auf Grund von deutlicher Schulunfähigkeit

das muss man als das nehmen, was es im kern nur sein kann: als eine auszeichnung. du hast einfach nur im gegensatz zu vielen anderen rechtzeitig bemerkt, dass das system scheiße ist.

 

[Horn]

das muss man als das nehmen, was es im kern nur sein kann: als eine auszeichnung. du hast einfach nur im gegensatz zu vielen anderen rechtzeitig bemerkt, dass das system scheiße ist.

Gerade als Lehrer in diesem System muss ich zustimmen, dass es im Prinzip "scheiße" ist. Aber so ganz kann ich das nicht als Entschuldigung akzeptieren. Es gehört auch zum Erwachsenwerden dazu, sich in Systemen zu behaupten, die nicht optimal sind - oder innerhalb dieser Systeme das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Noch schlechter als das Schul-System war zu meiner Zeit das Universitäts-System. Trotzdem da durchzukommen, schult aber ungemein fürs Leben ...

Nun war der Beitrag von @freidimensional ja aber auch eher humoristisch gemeint. Jedenfalls finde ich mich da sehr gut wieder. Bei uns war es eher Slime und New Model Army statt Nirvana (ich bin anscheinend zwei, drei Jahre älter als er) und der Treffpunkt war eher die Shell-Tankstelle statt der Sparkasse, aber das mit dem Hansa-Pils und dem Feierabend-Sozialismus/Anarchismus stimmt jedenfalls.

Lang lebe die Musik der Scherben!

 

[einseinsnull]

es gibt kein richtiges im falschen. vor allem könnte man genauso argumentieren, dass die, die "scheitern", dadurch ja immerhin das scheitern gelernt und somit den anderen später dann doch wieder etwas voraus haben.

in ermangelung eines passenden scherben-zitats zum thema schule verweise ich auf eines von hundertwasser, der hier aber nicht hingehört.