Ich bin etwas verunsichert durch die ganzen Videos und Berichte, in denen es immer wieder um das Kalibrieren von analogen Synth geht.
Das, was du da zu meinen scheinst, ist eine ganz andere und viel komplexere Sache. Hier ist nur die Grundstimmung gemeint, mehr nicht.
Bei einem modernen Analogsynthesizer sollte die Kalibrierung ab Werk jahrzehntelang ohne Probleme laufen. Auch viele alte Instrumente aus den 70ern haben bis weit in die 90er oder 2000er ihre Dienste tadellos verrichtet, vielleicht sogar bis heute. Bei einer tiefgreifenden Kalibrierung (entweder, weil irgendwas nicht mehr richtig läuft, oder weil man alte Bauteile getauscht hat) muss man beispielsweise folgende Werte justieren, teilweise ist ein Oszilloskop dafür notwendig:
Tonhöhe beim Spielen der tiefsten Taste bei tiefster Fußlage (z.B. 32').
Tonhöhe beim Spielen einer mittleren Taste bei mittlerer Fußlage (z.B. 8').
Tonhöhe beim Spielen der höchsten Taste bei höchster Fußlage (z.B. 2').
Filterfrequenz bei maximaler Einstellung des Cutoff-Reglers.
Intensität der Resonanz bei Cutoff-Regler-Wert x und Resonanz-Regler-Wert y.
Tonhöhenwert bei maximal aufgedrehtem Pitchbend-Rad.
usw.
Das eher mal so als Fantasiebeispiel. Große polyphone Synthesizer wie der KORG Trident sind streckenweise sehr schwierig zu kalibrieren. Da habe ich einige graue Haare zusätzlich bekommen, als meiner dran war. Aber da hatte ich eben auch alle Elektrolyt-Kondensatoren getauscht und deswegen waren die Werte allesamt über den Jordan gegangen.
Eine Kalibrierung, die das Öffnen des Geräts nötig macht, sollte nur von Leuten vorgenommen werden, die sich damit auskennen. Und eine Kalibrierung ist in der Regel nur nach einem Defekt, Abweichung der Werte durch Bauteilalterung (nach Jahrzehnten!) oder nach einer Restaurierung notwendig. Sonst nicht.
Gestimmt werden sollte ein analoger Synthesizer eigentlich immer, zumindest wenn man live spielt oder etwas aufnimmt. Dafür reicht ein popeliges Gitarrenstimmgerät aus.
Die Gitarre ist hier ein gutes Vergleichsbeispiel:
Solange eine E-Gitarre gut eingestellt ist, werden nur die Stimmmechaniken und ein Stimmgerät benötigt, um das Instrument in gute Stimmung zu bringen. E, A, D, G, H und E einfach richtig stimmen und schon kann es losgehen.
Allerdings kommt manch ein Gitarrenanfänger auch einfach mal auf den Gedanken, den beim Kauf beigelegten Inbusschlüssel auszuprobieren und auszutesten, was passiert, wenn man an all den Schrauben am Steg und den Tonabnehmern rumdreht. Oh Wunder, oh Wunder: dann wird aus einem vormals wunderbar bespielbaren und in sich tonal richtig eingestellten Instrument auf einmal ein schrottig und schief klingendes Etwas mit bananenkrummem Hals.
Solange nichts kaputt ist und solange man vom Innenleben einfach die unqualifizierten Patschefingerchen lässt, ist sowohl eine E-Gitarre als auch ein Analogsynthesizer ein Instrument, das sehr idiotensicher genutzt werden kann. Wenn man mit einem Stimmgerät umzugehen versteht, ist alles in Ordnung.