Welche Bücher lest ihr gerade...

Danke erstmal für die vielen klugen Anmerkungen, das gibt erstmal wieder Stoff zum Nachdenken. Mal sehen, ob ich die Philosophie mit Nominalismus überwinden kann :).

Ich kenne eine ältere Dame, die war Soziologieprofessorin. Sie vertritt die Ansicht, es gäbe keine Gewissheiten, keine Wahrheiten - das seien nur Konstruktionen und jeder Mensch konstruiere etwas anderes. Das hat sie einmal mit einem alten Zeitungsausschnitt untermauert, der behauptet, in der Quantenwelt könne man Wirklichkeit, also Partikel, durch Beobachtung erzeugen. Die Wirklichkeit sei deshalb nur ein Konstrukt.

Au weia! Die Dame vertritt scheinbar einen recht konsequenten Konstruktivismus. Die Argumentation ist natürlich Quark. Das Thema "was ist eigentlich Wirklichkeit" treibt die Philosophie seit 2500 Jahren um, ohne dass eine befriedigende Lösung gefunden wäre. Das ist aber ein weites Feld :).

Logik und Atome: das hat erstmal nichts mit klassischer zweiwertiger Logik zu tun. Der Grundsatz dürfte hier "NON(A und NON-A)" sein, und schon Aristoteles formulierte ihn so, dass etwas nicht zugleich und in derselben Hinsicht A und NON-A sein könne. Im Fall der nicht teilbaren/doch teilbaren Atome fehlt das "zugleich", ist also kein Problem.
 
Logik und Atome: das hat erstmal nichts mit klassischer zweiwertiger Logik zu tun. Der Grundsatz dürfte hier "NON(A und NON-A)" sein, und schon Aristoteles formulierte ihn so, dass etwas nicht zugleich und in derselben Hinsicht A und NON-A sein könne. Im Fall der nicht teilbaren/doch teilbaren Atome fehlt das "zugleich", ist also kein Problem.

Klassisch:

Ich verschränke zwei polfilter um 90 Grad, kein Licht wird durchgelassen. Wenn ich zwischen diesen beiden Polfilter ein drittes habe, dann kan nicht mehr Licht durchkommen, es bleibt schwarz.

QM:



Man kann also mit wenigen € bei Amazon sich ein Fünferpack lineare Polfilter holen und einen Quanteneffekt nachvollziehen.

"Prof. Habermaß, bitte in die Ontologie!"

Grüße
Omega Minus
 
Ich habe zum Fotografieren einige Polfilter, leider sind die zirkulär. Da ich ein Spielkind bin, werde ich es trotzdem versuchen.
 
Vielen Dank für den spannenden Austausch hier.

Der nächste Urlaub kommt bestimmt, deshalb habe ich mir jetzt mal "Das Zeitalter der Unschärfe" und
"QED. Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie"
bestellt. Freue mich schon auf die Lektüre.

Die Oppenheimer Biographie bleibt spannend, allerdings wurde jetzt in epischer Breite beleuchtet ob Oppenheimer Kommunist war, wenn ja wie sehr und ob er Mitglied der Kommunistischen Partei war.
Das scheint den Autoren und den Amerikanern sehr wichtig zu sein und hat in Oppenheimers Leben auch eine wichtige Rolle gespielt. Aber die Hälfte der Seiten hätte es zu diesem Thema imho auch getan.
 
Die Oppenheimer Biographie bleibt spannend, allerdings wurde jetzt in epischer Breite beleuchtet ob Oppenheimer Kommunist war, wenn ja wie sehr und ob er Mitglied der Kommunistischen Partei war.
Das scheint den Autoren und den Amerikanern sehr wichtig zu sein und hat in Oppenheimers Leben auch eine wichtige Rolle gespielt. Aber die Hälfte der Seiten hätte es zu diesem Thema imho auch getan.

Ist hier falsch, weil kein Buch, aber mir gefiel die siebenteilige Oppenheimer-Serie des BBC von 1980.

Grüße
Omega Minus
 
"Etwas verstehen". Was das bedeutet, wird mitunter unterschiedlich verstanden. :mrgreen:


Deswegen konterte Feynman Interpretationsversuche und Co. mit 'Shut up and calculate!'.
Das wäre blöd für mich, weil's bei mir mit dem Rechnen nicht weit her ist. ich kann nicht mal genau sagen, was ein Hilbertraum ist.

Andererseits bin ich, nach dem ich Feynmans QED gelesen hatte sowie nach einem Kinobesuch (3D), von selbst auf die Idee mit den Polfiltern aus dem Video gekommen.

Die zugehörige Rechnung geht vermutlich so: cos(90°) = 0. Deshalb geht bei 90° nichts durch. Hingegen ist cos(45°) > 0. Deshalb geht was durch.


Man kann einen Formalismus anwenden, ohne ihn verstanden zu haben.
In der Tat.

Die Bornsche Regel fällt mir ein. Um an die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Partikels zu kommen, muß man die komplexe Amplitude der Wellenfunktion mit der konjugierten multiplizieren. Warum das so ist und wie man drauf kam, dazu ist mir bisher nichts untergekommen. Gibt es da was? Kennst du was?

Falls nicht, würden alle nur ein Formalismus anwenden, ohne ihn zu verstehen.


Hier mal eine Übersicht diverser Interpretationen:
Keine dieser Interpretationen hat bisher zu handfesten, neuen Ansätzen geführt.

Weckt mich, wenn es so weit ist.


Die Leute scheitern schon an der klassischen Physik. :)
Oft genug. Die interessieren sich aber auch nicht für Oppenheimer-Biografien. ;-)
 
Mal sehen, ob ich die Philosophie mit Nominalismus überwinden kann :).
Warum Omega Minus sagt, Physiker seien Nominalisten, habe ich nicht verstanden. Unter Nominalismus verstehe ich etwas anderes, bin aber bei philosophischen Fachbegriffen nicht sattelfest. Egal, mein Einwand kommt ohne Fachbegriffe aus:

Etwas wird Teilchen genannt, wenn es Teilcheneigenschaften hat.
Etwas wird Welle genannt, wenn es Welleneigenschaften hat.
Physiker sind Nominalisten.
Das erscheint mir reichlich zirkulär.

Damit ist nichts dazu gesagt, was Teilchen- von Welleneigenschaften unterscheidet.
 
Warum Omega Minus sagt, Physiker seien Nominalisten, habe ich nicht verstanden. Unter Nominalismus verstehe ich etwas anderes, bin aber bei philosophischen Fachbegriffen nicht sattelfest.

siehe =>

Das erscheint mir reichlich zirkulär.

Wieso das!? Was nun Teilcheneigenschaften sind ist ja damit nicht geklärt, soll es auch nicht.
Es ist die Abgrenzung zu Ideen wie
Was ist ein Elektron/Teilchen/Feld?
Was ist die Essenz ...
usw.

Sondern:
Was ein Teilchen ist, sind abstrakte Kategorisierungen, die wir Menschen erfunden haben, um Dinge zu beschreiben.
Das Verb 'ist' in 'das Elektron ist ein Teilchen' bedeute also: es zeigt die Eigenschaften, die wir mit Teilchen in Verbindung bringen.

So wie in der Mathematik:
Es gibt Definitionen, was ein Körper ist.
Wenn eine bestimmte mathematische Struktur die Körperaxiome erfüllt, dann nennen wir sie auch so: das ist dann ein Körper.

Damit ist nichts dazu gesagt, was Teilchen- von Welleneigenschaften unterscheidet.

Einige wichtige Eigenschaften stehen direkt darunter.

Grüße
Omega Minus
 
Die Bornsche Regel fällt mir ein. Um an die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Partikels zu kommen, muß man die komplexe Amplitude der Wellenfunktion mit der konjugierten multiplizieren. Warum das so ist und wie man drauf kam, dazu ist mir bisher nichts untergekommen. Gibt es da was? Kennst du was?

Ich habe es quasi als Axiom der Kopenhagen-Interpratation klennen gelernt.

Falls nicht, würden alle nur ein Formalismus anwenden, ohne ihn zu verstehen.

Na, das ist tiefer liegend, aber da müsste man tieder in die innere mathematische Struktur der QM einsteigen, als ich das je machen musste.

Keine dieser Interpretationen hat bisher zu handfesten, neuen Ansätzen geführt.

Sie sind ja Interpratationen, der mathematische Formalismus ist ja identisch.
Was meinst Du mit neuen Ansätzen!?

Grüße
Omega Minus
 
Wer sich für Physik, Detonationen und Atomspaltung interessiert, hätte sicher auch an dem 840 Seiten fetten Schmöker hier Freude:

20250310_230837.jpg

Bin erst am Anfang, der liest sich etwas zäh, weil beinahe bis Adam und Eva zurückgegangen wird mit den zugrunde liegenden physikalischen Entdeckungen.
Wenn man ein bisschen vorblättert und liest, verspricht es aber schon, noch interessant zu werden. Nett ist auch, dass hier nicht einem Personenkult gehuldigt wird, schliesslich gab es noch mehr massgebende Involvierte als den Oppie.
 
OK letz go down2earth again:
Schätzing "Helden" und der Vorgänger "Tod und Teufel" sind recht hoch im Kurs. Echt gut geschriebene Mittelalterfantasy mit solide recherchiertem Background und sogar spannend ... also Hektik, Erotik, Fußpilz wie der Dichter seinerzeit reimte.
 
Das hat mir leider nicht viel weiter geholfen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich mit Philosophie keine empirischen Fragen lösen lassen.

Ein Teilchen hat Teilcheneigenschaften.
Ein Baum hat Baumeigenschaften.
Ein Auto hat Autoeigenschaften.

Diese Sätze sagen mir nichts neues über Teilchen, Bäume und Autos.

Möglicherweise reden wir gerade aneinander vorbei. Das hier meine ich zu verstehen:
Was nun Teilcheneigenschaften sind ist ja damit nicht geklärt, soll es auch nicht.
Es ist die Abgrenzung zu Ideen wie
Was ist ein Elektron/Teilchen/Feld?
Was ist die Essenz ...
usw.

Sondern:
Was ein Teilchen ist, sind abstrakte Kategorisierungen, die wir Menschen erfunden haben, um Dinge zu beschreiben.
Das Verb 'ist' in 'das Elektron ist ein Teilchen' bedeute also: es zeigt die Eigenschaften, die wir mit Teilchen in Verbindung bringen.
In meinen Worten, kommt das hin?

Beim Wort "ist" muß man aufpassen, um sich nicht selbst ein Bein zu stellen. Da ist schnell was verdinglicht und kategorisiert. Da schlägt der "Newtonsche Erkenntnisapparat" durch von dem Sanguinea Project gesprochen hat. Besser so: Wenn ich sagen will, was ein Ding ausmacht, muß ich alles aufzählen, was wir drüber wissen, konkret alle Experimente nennen, in denen das "Ding" vorkommt.


Das verstehe ich allerdings gar nicht, das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was ich gerade geschrieben habe. Die Kategorien in der Physik beruhen nicht auf Axiomen, sondern auf Empirie:
So wie in der Mathematik:
Es gibt Definitionen, was ein Körper ist.
Wenn eine bestimmte mathematische Struktur die Körperaxiome erfüllt, dann nennen wir sie auch so: das ist dann ein Körper.

Nochmal dazu:
Was ein Teilchen ist, sind abstrakte Kategorisierungen, die wir Menschen erfunden haben, um Dinge zu beschreiben.
In der Denkgeschichte mußte wiederholt vieles, was einst als kategorisch richtig galt, über den Haufen geworfen. Andererseits sind Kategorisierungen nicht völlig frei erfunden. Am Ende sind es zum Beispiel Bosonen und Fermionen. Da gibt es keinen Spielraum, das anders zu erfinden.

Ich sehe das pragmatisch: das Elektron (was auch immer das im Detail sein mag) verhält sich im Millikan-Versuch so und so. Das kann zukünftige Physik nicht umwerfen. Auch dann nicht, sollte das Elektron "im Kern" doch anders sein, als wir dachten.


Einige wichtige Eigenschaften stehen direkt darunter.
Das sind die Eigenschaften von Gewehrkugeln und Schallwellen.

Wir wundern uns über den Welle-Teilchen-Dualismus. Nun hat bei Einstein Licht einen Impuls. Bei DeBroglie hat ein Teilchen eine Wellenlänge. Auf der fundamentalen Ebene lassen sich Partikel und Welle nicht getrennt denken. Der Dualismus entsteht, wenn man der Mikrowelt die Makrosicht überstülpt. Damit zäumt man das Pferd von hinten auf. Der Dualismus liegt in unserem Denken und nicht in der Natur.
 
Das hat mir leider nicht viel weiter geholfen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich mit Philosophie keine empirischen Fragen lösen lassen.

Darum gehst es ja gar nicht. Einer wichtegeren Sätze des meinerseits berlinkten Wikipedia-Eintrags:
"...
Das Universalienproblem (auch Universalienstreit, Universalienfrage, Nominalismusstreit, selten auch Realienstreit) ist eines der zentralen Themen der Philosophie und betrifft die Frage, ob es ein Allgemeines wirklich gibt oder ob Allgemeinbegriffe menschliche Konstruktionen sind.
...
ob Universalien eine ontologische Existenz beigemessen werden kann (Realismus) oder ob es sich um rein verstandesmäßige Begriffsbildungen handelt (Nominalismus). D
..."

Das ist m.E. der springende Punkt.

Beim Wort "ist" muß man aufpassen, um sich nicht selbst ein Bein zu stellen. Da ist schnell was verdinglicht und kategorisiert. Da schlägt der "Newtonsche Erkenntnisapparat" durch von dem Sanguinea Project gesprochen hat. Besser so: Wenn ich sagen will, was ein Ding ausmacht, muß ich alles aufzählen, was wir drüber wissen, konkret alle Experimente nennen, in denen das "Ding" vorkommt.

Der Nominalismus versteht ja gerade 'ist' im Sinne von 'hat die Eigenschaften von'.

Das verstehe ich allerdings gar nicht, das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was ich gerade geschrieben habe. Die Kategorien in der Physik beruhen nicht auf Axiomen, sondern auf Empirie:

Siehe zweiter Satz:
"...
Als Universalien werden Allgemeinbegriffe wie beispielsweise „Mensch“ und „Menschheit“ oder mathematische Entitäten wie „Zahl“, „Relation“ und „Klasse“ bezeichnet. E
..."

In der Denkgeschichte mußte wiederholt vieles, was einst als kategorisch richtig galt, über den Haufen geworfen. Andererseits sind Kategorisierungen nicht völlig frei erfunden. Am Ende sind es zum Beispiel Bosonen und Fermionen. Da gibt es keinen Spielraum, das anders zu erfinden.

Richtig. Die Menschen sind ja nicht total blöde. Es hat sich halt als praktikabel erwiesen.

Ich sehe das pragmatisch: das Elektron (was auch immer das im Detail sein mag) verhält sich im Millikan-Versuch so und so. Das kann zukünftige Physik nicht umwerfen. Auch dann nicht, sollte das Elektron "im Kern" doch anders sein, als wir dachten.

Wieso sollte sie auch!?

Das sind die Eigenschaften von Gewehrkugeln und Schallwellen.

Ebenst! Und ein Elektron kann halt - je nach dem,was ich mit ihm anstelle - sich wie eine Gewehrkugel oder wie eine Schallwelleverhalten. Das ist der Clou.
Eine Gewehrkufgel verhält sich nicht wie eine Schallwelle.
Eine Schallwelle hat nicht alle Eigenschaften einer Gewehrkugel.

Wir wundern uns über den Welle-Teilchen-Dualismus.

Ich nicht. Aber da herrscht mituner Verwirrung.

Der Dualismus entsteht, wenn man der Mikrowelt die Makrosicht überstülpt.

Ja.

Damit zäumt man das Pferd von hinten auf. Der Dualismus liegt in unserem Denken und nicht in der Natur.

Genau. Es widerspricht der Alltagserfahrung (da isses entweder das eine oder das andere).
Aber da Menschen dazu neigen, ihre fassbare erfahrbare Welt auf alles anzuwenden, erleiden sie Schiffbruch, wenn etwas diesen Bereich verlässt.

Alles, was Du schreibst, weisst Dich als einen Nominalisten auf.
Ich habe lediglich versucht zu erhellen, was Nominlaismus bedeutet.



Analoge Frage:
Ist Mathematik gefunden, a,so schon da, unabhängig vom Menschen, sie juss nur entceckt werden?
Oder ist sie erfunden, eine Ausgeburt des menschlichen Geistes?
Plato würde sagen: gefunden, alles existiert unabhängig vom menschlichen Verstand.

Thomas von Aquin auch. Was passiert bei der Wandlung?
Ein Katholik muss eigentlich *) glauben, dass sich das Brot und der Wein verwandelt. Das funktioniert nicht, wenn man Nominalist ist.
(Es soll kein Glaubensstreit vom Zaun gebrochen werden. Ich möchte nur aufzeigen, dass die Gegenposition zum Nominalsimus auch im 21. Jhd. existiert.)

Grüße
Omega Minus

*)
Die Dogmen haben den höchsten Status: de fide
 
einige schnelle Zeilen dazu:

der Philosoph staunt ob eines Dinges. Der Ball ist rund, er ist blau, er ist aus Kunststoff ... er hat viele Eigenschaften. Was aber ist er "wirklich", was ist das "Ding an sich", was ist das "Wesen" dieses Balls? Diese Frage ist der Ursprung aller Verwirrung, daran haben sich Platon und Aristoteles abgearbeitet, das halbe Mittelalter (eben im Universalienstreit), und am großartigsten ist Kant daran gescheitert.

Gibt es so etwas wie das "Ding an sich", das das "Wesen" dieses Balls ausmacht, und das unabhängig von mir existiert (Platon), oder setze ich den Begriff des Balls aus einer Menge von Sinneseindrücken zusammen (Aristoteles)? Radikalisiert: Wenn Platon richtig liegt, kann ich wahre Aussagen darüber machen, wie Dinge "wirklich" sind. Ich kann die Empirie ausblenden und habe einen festen Boden für meine Erkenntnis gewonnen; ich kann Aussagen formulieren, die notwendig wahr sind. Wenn anders Aristoteles richtig liegt, hängt alles an der Erkenntnis durch die Sinne, die immer trügen kann. Es sind keine überzeitlichen Wahrheiten mehr möglich, sondern immer nur Wahrscheinlichkeiten. Letztlich habe ich dann bei der Formulierung z.B. von wissenschaftlichen Gesetzen immer das Induktionsproblem am Hals (wie komme ich von einer Zahl einzelner Beobachtungen zu einem Naturgesetz, das für alle Fälle gültig ist?).

Ich kann mit Aristoteles ganz gut leben. In der Problemformulierung bezüglich der Mathematik, wie sie @Omega Minus vorgetragen hat (ein wirklich gutes Beispiel übrigens), werden damit allerdings weitreichende oder tiefergehende Erklärungsansprüche preisgegeben (Mathe befasst sich mit den fundamentalen Strukturen der Welt), aber auch damit kann man m.E. leben. Wer da mal nachstöbern möchte: Frege hat sich u.A. mit der Frage befasst, was die Referenten z.B. von Zahlen oder Operatoren sind. Für uns ziemlich abwegig, aber für die Begründung der Mathematik (Grundlagenkrise seit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts) spannend.
 
...
ob Universalien eine ontologische Existenz beigemessen werden kann (Realismus) oder ob es sich um rein verstandesmäßige Begriffsbildungen handelt (Nominalismus). D
..."

Das ist m.E. der springende Punkt.
Damit kann ich nichts anfangen.

Meine Vorstellung von Realismus ist eine andere, die klappt auch ohne Rückgriff auf Ontologie. Wer sich schon mal die Finger verbrannt hat, weiß dass Temperatur keine rein verstandesmäßige Begriffsbildung ist. Unser modernes Verständnis von Temperatur ist gerade mal 200 Jahre alt. Salopp gesagt hat sich die Ontologie von Temperatur gewandelt. Aber Hitze schmerzt unabhängig von unseren Kenntnissen der Thermodynamik wie zuvor.

Als grundsätzlichen Einwand: wie könnte man die beiden Behauptungen im Zitat belegen oder widerlegen? Geht nicht, weil sie nichts Konkretes behaupten. Es gibt keinen Satz, der so ginge: "Weil Nominalismus wahr ist, folgt dass ..." Oder "Weil Realismus wahr ist, folgt dass ..."

Mit den Worten von Popper: was im Zitat behauptet wird, läßt sich nicht falsifizieren.

Siehe zweiter Satz:
"...
Als Universalien werden Allgemeinbegriffe wie beispielsweise „Mensch“ und „Menschheit“ oder mathematische Entitäten wie „Zahl“, „Relation“ und „Klasse“ bezeichnet. E
..."
Der "Mensch" ist ein gutes Beispiel. Wir kennen den Homo sapiens, den Neandertaler, den habilis, den erectus und so weiter. Wir haben diese Namen zu unserer Bequemlichkeit erfunden, sonst müßten wir von konkreten Fundstücken wie Lucy oder Serengeti #23-A sprechen. Also sortiert man die Fundstücke in Gruppen. Wenn man's drauf anlegte, könnte man wohl auch anders abgrenzen, mit weniger oder mehr Arten.

Hier versteckt sich ein schöner Dualismus.

Der Neandertaler ist eine andere Menschenart als wir, immerhin hat er einen eigenen wissenschaftlichen Speziesnamen. Andererseits sagt Ernst Mayr, Individuen gehören zur selben Art, wenn sie fruchtbare Nachkommen zeugen können. Offensichtlich ein Widerspruch, der Neandertaler ist keine eigene Art, aber im Kontext wissen alle, was gerade gemeint ist.

Es ist also gar nicht so schwer, widersprüchliches gleichzeitig im Kopf zu haben.

Wieso sollte sie auch!?

Ein Elektron ist wie alle Elementarteilchen ein mathematischer Punkt. Sagt man wenigstens, Stand 2025. Wie könnte ein Punkt Masse oder Ladung haben?

Beide Möglichkeiten sind für den Newton-Verstand eine ziemliche Zumutung. Stelle ich mir das Elektron als Kugel vor, halse ich mir etliche Probleme auf. Dann muß ich erklären, aus was diese Kugel besteht, wie sich Kräfte in ihr ausbreiten, usw. Die Punktvorstellung hat ebenfalls ihre Tücken. Die elektrische Kraft bei Radius 0 ist unendlich, wenn ich von 0 bis Unendlich integriere, erhalte ich ein unendlich großes Potential. Die Unendlichkeiten müssen in einem Schritt namens renormalization wieder herausgerechnet werden. Und jetzt?

Angesichts dieser Zumutungen finde ich es erstaunlich, dass der Millikan-Versuch für alle Zukunft wahr bleibt. Das reicht mir, um fernab vom Universalienstreit von etwas Realem zu sprechen.


Alles, was Du schreibst, weisst Dich als einen Nominalisten auf.
Ich habe lediglich versucht zu erhellen, was Nominlaismus bedeutet.
Bei Nominalismus kann ich nicht mitreden. Recht wohl fühle ich mich in der Ecke nicht. Was mich überzeugen würde, Nominalist zu sein, wäre, wenn all meine Einwände zum Standardrepertoire der Nominalisten gehören.


Analoge Frage:
Ist Mathematik gefunden, a,so schon da, unabhängig vom Menschen, sie juss nur entceckt werden?
Darüber läßt sich endlos philosophieren. Ein Beispiel pro Entdeckung: als Euler sein e^(î*pi) = -1 fand, wird er ziemlich gestaunt haben.

Mehr zu Mathematik später.

Ein Katholik muss eigentlich *) glauben, dass sich das Brot und der Wein verwandelt. Das funktioniert nicht, wenn man Nominalist ist.
Wenn man Realist ist, funktioniert das ebenfalls nicht. ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Sekundiert.

Das ist nicht nur eins der besten Bücher zu Physikthemen, das ich je gelesen habe. Es ist eins der besten Sachbücher überhaupt.
Das ist ja mal ne Ansage. Leider scheint keine deutsche Übersetzung verfügbar zu sein. Kommt trotzdem auf meine Long List...
 
Gestern habe ich "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann (durch-)gelesen. Da es so abgefeiert wird/wurde habe ich irgendwie mehr als so ein dünnes Bändchen erwartet. Da endet aber auch meine Kritik - hat mir schon sehr gut gefallen das Dingens.

Heute lese ich "Die Einladung" von Sebastian Fitzek (peinlicherweise neu gekauft...). Fitzek halt, muss man nicht viel zu sagen. Egal, wie beschizzen man es eigentlich findet - man will dann doch wissen, wie es weitergeht und letztlich alles aufgelöst wird. ("Ein Kapitel noch!")
 
Meine Vorstellung von Realismus ist eine andere, die klappt auch ohne Rückgriff auf Ontologie.

- 'Realismus' kann viele Bedeutungen haben. In einem Artiel philosophischer Art könnte man erwarten, dass damit nicht der 'Realismu' der Kunst gemeint ist.
- Deine Einbwände brauchst Du ,it genüber gar nicht zu machen. Du hast was gefragt, ich habe Dir eine Antwort mit einem avgrenzenden Begriff genannt, die eine Position ist weder die meine nocht die Deine, trotzdem willst Du sie mit mir diskutieren. Ser, sehr seltsam.

Wir haben diese Namen zu unserer Bequemlichkeit erfunden

Ja, natürlich, s.o.

Ein Elektron ist wie alle Elementarteilchen ein mathematischer Punkt. Sagt man wenigstens, Stand 2025. Wie könnte ein Punkt Masse oder Ladung haben?

Deine Ignoranz ist leider kein guter Indikator für die Plausibilität physikalischer Theorien.
Ich sag nur: Die Sache ist komplizierter. Vakuumpolarisation, Renormierung, ....

In der Theorie verhält isch eine Elektron so, als hätte es keine Unterstruktur. Stand 2025 aus Theorie un Praxis: das Elektron ist punktförmig.
Beide Möglichkeiten sind für den Newton-Verstand eine ziemliche Zumutung. Stelle ich mir das Elektron als Kugel vor, halse ich mir etliche Probleme auf. Dann muß ich erklären, aus was diese Kugel besteht, wie sich Kräfte in ihr ausbreiten, usw. Die Punktvorstellung hat ebenfalls ihre Tücken. Die elektrische Kraft bei Radius 0 ist unendlich, wenn ich von 0 bis Unendlich integriere, erhalte ich ein unendlich großes Potential. Die Unendlichkeiten müssen in einem Schritt namens renormalization wieder herausgerechnet werden. Und jetzt?

Newton-Verstand muss verfeinert werden zum Quanten-Vestand ... Heisnberg, Schrödinger .... kommt auf das Bild an. :)

Frage mal einen Physiker, was beim Eletron ein 'Spinn' (Eigendrehimpuls) ist. Der sagt:
Man stelle sich den Drehsinn einer rotierende Kugel vor,
Allerdings dreht sie sich nicht.
Ist auch keine Kugel
(Das ist ein Witz.)

Grüße
Omega Minus
 


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