Um beim Beispiel des Restaurantkritikers zu bleiben: Wenn Du eine sehr große Anzahl an Mahlzeiten in einer Vielzahl von Restaurants verschiedener Richtungen zu Dir genommen hast, und dabei sehr sorgfältig auf Deine Sinneswahrnehmungen und auf Deine Reaktionen darauf achtgegeben hast, diese sogar notiert haben solltest, wirst Du Qualitätsunterschiede wahrnehmen können, die es Dir sogar erlauben, die Gerichte hinsichtlich ihrer verschiedenen Qualitäten (Optik, Geruch, Mundgefühl, Geschmack usw.) sortieren zu können.
Wenn Du das regelmäßig über einen genügend langen Zeitraum gemacht hast, kannst Du innerhalb Deines Wertesystems verlässlich fundierte Urteile über die Qualität einer Restaurantküchencrew abgeben.
Wenn Dein diesbezügliches Wertesystem auch noch mit dem einer genügend großen Anzahl von Menschen hinreichend deckungsgleich ist, und Du zudem in der Lage bist, Deine Urteile verständlich und überzeugend zu kommunizieren, kannst Du Dich mit Fug und Recht als Restaurantkritiker betätigen und damit sogar Deinen Lebensunterhalt verdienen. Ganz ohne Koch zu sein, selbst gekocht zu haben oder Köche ausgebildet zu haben.
Nein, denn der hinzugebetene ehemalige Sportprofi steuert nur eine weitere Sicht der Dinge bei. Die Berichterstattung wie auch die Beurteilung obliegt dem Sportjournalist, und das sind mitnichten alle Ex-Profis.
Oder glaubst Du, dass jeder Politikjournalist ein ehemaliger Politiker ist oder gar sein sollte?
Was wäre damit gewonnen? Warum sollte mir das Urteil eines Musikers mehr wert sein als das eines Konsumenten? Das klingt so, als habe der Besitz und Gebrauch von Instrumenten gleichsam zwingend ein sicheres geschmackliches Urteil zur Folge. Die von irgendeiner Person geäußerte Behauptung, sie sei Musiker, sagt doch nun wirklich überhaupt nichts darüber aus, ob diese Person in der Lage ist, ein auch nur annähernd inter-subjektiv nachvollziehbares Urteil über Musik anderer abzugeben.
Möglicherweise ist sogar das Gegenteil der Fall, und man muss fürchten, dass ein Musiker in der Abgabe seines Urteils befangen ist, da er oder sie in anderen Musikern Konkurrenz im Buhlen um die Gunst des Publikums wittert.
Der Musikgeschmack eines Musikers ist interessant, da er Rückschlüsse auf die Entwicklung der Musikerpersönlichkeit und ihrer Inspirationsquellen erlaubt. Das Musikurteil eines Musikers ist aber nicht per se wertvoller als das eines gebildeten Konsumenten, der die Zeit, die der Musiker in das Beherrschen seines Instruments gesteckt hat, darauf verwendet hat, möglichst viel Musik bewußt zu hören und sich so seinen Geschmack und seine Urteilsfähigkeit zu bilden.