Nikolausi schrieb:
Ich hatte eigentlich gehofft, eine ganz konkrete Darstellung der Eigenschaften zu bekommen (daher ja die Liste als Hilfestellung) und keine Abhandlung mit individuellen Wünschen und Gedanken, da diese mehr über den Schreiber, nichts jedoch über das Gerät sagen. Eine Beurteilung der Marktlage und Betrachtung des potentiellen Käufers wäre, so wie ich es nachgeschoben habe, natürlich Grundvoraussetzung für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik. Sonst heiße Luft.
Da ich mir keinen polyphonen Moog wünsche, erspare ich uns den ersten Teil der Aufgabe. Zum Markt: Du hast die Diskussion verfolgt und weißt somit, welche Preisvorstellungen von Leuten geäußert wurden, die mehr als der Durchschnitt bereit sind, für Equipment über den Ladentisch wandern zu lassen. Warum kaufen diese Leute nicht einfach einen Omega 8? Weil der mit 3.000 Euro für die 4-stimmige Version zu teuer ist? Ich habe mal bei Music Store, Thomann und Musik Produktiv recherchiert. Keiner dieser Händler bietet den Omega 8 derzeit an. Einzig der Spezialist Schneiders Büro aus Berlin traut sich ...
Kein Wunder: Ein Blick auf die Top10-Verkaufsliste in der Rubrik „Synthesizer“ bei Thomann genügt, um zu erkennen: Der durchschnittliche Betrag (Mittelwert) liegt bei 1.017,60 Euro. Die Spannweite reicht von 365 Euro bis 1.990 Euro. Das ist zwar keine solide Analyse, aber eine Richtung allemal. Oder nehmen wir statt eines Omega 8 den Alesis Andromeda: Warum wurde der Verkauf in Deutschland eingestellt? Warum hat der Music Store das Ding für knapp über 2.000 Euro verramscht? Bestimmt nicht, weil überaus viele Freaks auf einen polyphonen Analogen gewartet haben ...
Bereits vor 20 Jahren, da gab es noch keine Substitute wie VAs oder Softsynths, lag die Schallgrenze für einen neuen Synthesizer bei unter 5.000 Mark. Die M1 hat die Grenze bei Markteinführung knapp berührt, war damals aber auch in ihrer Gesamtheit eine Innovation und als Investition günstiger als die Summe ihrer Teile. Die Top-Seller DX7 und D50 lagen damals irgendwo um rund 3.500 Mark. Die Einstiegsklasse wurde später mit K1 und DX11 bei rund 1.800 Mark definiert. Der Versuch von Waldorf, mit dem Wave eine neue Obergrenze zu definieren, ist Geschichte. Aus meiner Wahrnehmung hat sich die Preisbarriere auf Kundenseite nach unten verschoben. Bei den Herstellern und dem Handel fressen Inflation, Preiskämpfe und höhere Kosten die Marge, was mit Einsparungen und Produktionsverlagerung nach China einigermaßen kompensiert wird. Selbst wenn das Marktvolumen gewachsen ist, so ist auf Grund der veränderten Anforderungen der Nutzer und der daraus resultierenden atomistischen Segmentierung für den einzelnen Hersteller der Markt eher geschrumpft. Korg beispielsweise hat mit einer extrem starken Diversifikation darauf reagiert. Vom Flaggschiff Oasis bis hin zum Minicontroller reicht das Portfolio. Die Spannweite der Produktqualität reicht von hoch- bis grenzwertig, was der Marke schaden wird.
Was meine These bzgl. der Marktentwicklung stützt, ist die Tatsache, dass der DX7 nach wie vor der Top-Seller in der Synthesizer-Geschichte ist. Eigentlich ein Unding. Aus meiner Sicht haben die technische Revolution und die darauf basierenden Substitute das Marktwachstum für sich genutzt. Und das kommt nicht von ungefähr: Wer vor, sagen wir mal 25 Jahren, mit Synthesizern Musik produziert hat, wurde von den zahlreichen Unzulänglichkeiten und hohen Kosten extrem genervt. Heute hat nahezu jeder mit einem Budget der Einstiegklasse von 1.800 Mark oder rund 900 Euro Produktionsmöglichkeiten inkl. Total Recal, die vor 20 Jahren ein Vermögen gekostet haben.
Analoge Synthesizer und polyphone Analoge sind und bleiben für eine verschwindend kleine Gruppe von Leuten nach wie vor interessante Instrumente. Die Preisopferbereitschaft ist allerdings auch in diesem Segment nicht unbegrenzt, was Beispiele wie Sunsynth, Andromeda oder Omega 8 zeigen. Mittelklasse wie Prophet 08 wird’s langfristig schwer haben, weil die Qualität unzureichend ist. Und selbst wenn Moog einen Polyphonen bringt: Spätestens dann beginnt doch wieder die Diskussion, wie beim Voyager. Neu ist halt nicht Vintage und so wird der neue Polyphone wieder kein Memorymoog sein.
Bei all dem, so finde ich, sollten wir froh sein, wenn es Moog und anderen Herstellern gelingt, in einer Nische zu überleben, statt sich an einem Prestigeprojekt zu überheben. Wäre nicht das erste Mal ...
Knecht Ruprecht