Seit Ende der 50er Jahre experimentierten junge afroamerikanische und europäische Jazzmusiker mit unerhört neuen Klängen: mit einem Durchbruch in den Raum der freien Tonalität, mit einer Aufgabe der Funktionsharmonik bzw. dissonanten (d. h. spannungsgeladenen) Akkorden, wie sie im Jazz bis dahin nicht vorstellbar gewesen waren. Vorbereitet war diese Ausweitung des musikalischen Materials bereits seit 1941 von der Tristanoschule, aber auch von George Russell, Paul Bley, Charles Mingus, Jaki Byard, Jackie McLean und durch die kammermusikalischen Experimente eines Jimmy Giuffre. Die schockierende Wirkung dieser Musik - in den frühen 1960er Jahren auch „Jazz der Avantgarde“ oder „The New Thing“ genannt - wurde noch gesteigert durch neuartige Spieltechniken und ausgefallene Klang- und Geräuscheffekte, wie extrem hohe, schrille, „schreiende“, „pfeifende“, „quäkende“ oder „grunzende“ Töne. Hinzu kam eine Betonung der Intensität, wie sie in früheren Jazzstilen unbekannt war. Noch nie zuvor wurde in der Geschichte des Jazz auf Powerplay und Intensität in einem so ekstatischen Sinne Wert gelegt.
„Kraft und Härte des Neuen Jazz und ein revolutionäres, zum Teil außermusikalisches Pathos wirkten um so vehementer, als sich ... vieles angestaut hatte, was nun über das an Oscar Peterson und das Modern Jazz Quartet gewöhnte, bequem gewordene Jazzpublikum hereinbrach“, analysierte Joachim Ernst Berendt in seinem „Jazzbuch“. Das Publikum reagierte überwiegend ablehnend, weil es den Free Jazz als Zumutung empfand, und als Herausforderung war er von den Musikern auch gemeint, als Protest der jungen Generation gegen Rassendiskriminierung, soziale Ungerechtigkeit und überholte Konventionen.