Jörg schrieb:
König Alfons schrieb:
Mit Speck fängt man Mäuse. Es gibt ja auch einen Einleitungssatz im Ausgangsbeitrag, der erst einmal Appetit macht. Nur verstehe ich nicht, dass alles Nachfolgende im Beitrag ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen - oder schlimmer noch - nicht verstanden wurde.
Ich bezog mich auf:
Wird geräuschhafte Musik generell abgelehnt? (bzw. gar nicht als Musik wahrgenommen!) An was liegts?
und habe diesbezüglich die Thesen aufgestellt
1. dass geräuschhafte Musik tatsächlich von den meisten Leuten abgelehnt wird, weil sie gar nicht die Voraussetzungen haben
2. diese Voraussetzungen auch nur bei einem ganz kleinen Teil der Menschheit überhaupt gegeben sein können
3. sich deswegen das auch in Zukunft nicht ändern wird
4. diese Leute dafür nicht zu verurteilen sind
Damit will ich nicht rechtfertigen über irgendwas abfällig zu sprechen was man nicht kennt. Wobei das wahrscheinlich menschlich, allzu menschlich ist.
Dann gerne den ersten Teil des Briefes an Herrn Hilsberg:
Karlheinz Stockhausen 5073 Kürten
2. November 1971
Sehr geehrter Herr Andreas Hilsberg,
Ihr Brief ist wirklich unerhört. Sie behaupten Dinge, die Sie vorher nicht geprüft haben. Ich habe in Osaka für ca. 1 Million Menschen meine Musik 5 1/2 Stunden pro Tag aufgeführt für 183 Tage. Das entspricht einer Konzerttätigkeit von 16 Jahren mit 70 Konzerten pro Jahr für ca. 1000 Personen am Abend. In Japan waren alle Bevölkerungsschichten im Auditorium, und selbstverständlich waren die allermeisten aus der Arbeiterschicht.
Die von Ihnen genannte >Masse der Menschheit< ist keineswegs von meiner Musik ausgeschlossen. Ich komme selbst aus der >Masse< und habe in meiner Familie nur Bauern und Arbeiter. Diese Menschen bemühen sich, soweit das ihnen von der musikalischen Begabung her möglich ist, auch meine Musik zu verstehen, und nicht nur Lehar.
Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie annehmen, daß jeder Mensch potentiell dazu in der Lage sei, sich mit Musik zu befassen, wie ich sie mache. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die beliebig viel Zeit haben, und absolut nichts mir meiner Musik anfangen können. Das wird wahrscheinlich sogar für die allermeisten Menschen der Fall sein, deren musikalisches Interesse sich bei relativ einfachen und auf Wiederholung historischer Klischees beruhenden musikalischen Erzeugnissen am wohlsten fühlt. Ich bin vor kurzem in Wien in einer Aufführung der >Lustigen Witwe< gewesen. Wenn Sie sich das Publikum angesehen hätten, wären Sie erstaunt gewesen über den Wohlstand dieser Leute.
Deren Geschmack würde aber mit meiner Musik überhaupt nichts anfangen können.
Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, alles sei für alle auf dieser Welt.
Es gibt sehr arme Leute, die einen ausgezeichneten Geschmack und eine sehr musikalische und auch fortschrittliche Bildung haben, Und es gibt eine überzahl von Leuten der besitzenden Mittelklasse und vor allen Dingen von sehr reichen, die total geschmacklos und unmusikalisch sind.
Mein Publikum rekrutiert sich im wesentlichen aus den jungen Menschen in des ganzen Welt, die für die Zukunft offen sind. Ich sehe, dass Ihre Erziehung an der Universität Sie völlig weggeführt hat vom Verständnis für das, was Musik überhaupt ist. Sie werden sehr bald selbst prüfen können mir den Prinzipien Ihrer materialistischen Soziologie, was der ‚Arbeiter’ anfängt, wenn die Automatisation soweit fortgeschritten ist - und wir sind ja sehr nahe daran -daß diejenigen, die die Apparate produzieren, nicht nur 3, sondern 4 Tage pro Woche frei haben werden. Ich sage Ihnen jetzt schon im voraus, daß diese Arbeiter, obwohl sie dann 4 Tage pro Woche frei haben werden, wahrscheinlich x mal eine Reise zu irgendwelchen Fußballspielen machen und den Rest der Zeit vor Femsehempfängern verbringen werden; daß sie sich aber den Teufel scheren um Musik, wie ich sie mache. Das wird die Allgemeinheit betreffen. Einzelne Ausnahmen gibt es natürlich immer.
...
Freundliche Grüße trotzdem von Ihrem
Stockhausen