Kkrkslbrzl-dingdong-Plickplack-Knarz-Musik?

Ich frage mich, wer überhaupt Musik, die nur aus atonalen Geräuschabfolgen besteht, hört - und in welchen Situationen er/sie das tut.
Im Auto? Im Hintergrund wenn Gäste zum Essen da sind? In der Küche beim Frühstück? Wenn sich man nach einem harten Arbeitstag auf's Sofa knallt? Ist das für irgendetwas anderes geeignet als zum konzentrierte Zuhören bei weitgehender Entspannung?

Wir haben mit EFSS ja auch ein paar Drones gemacht, aber irgendwie kommt mir das vor wie eine musik-akademische Fingerübung. Keine besonders schwierige allerdings, wenn man ehrlich ist.
Wenn nicht wenigstens ein paar tonale Elemente dabei sind finde ich das eher überflüssig.
 
Ein weiterer Stockhausenschüler: Helmut Lachenmann. So langsam finde ich die sperrigen Werke:

 
Es gibt keine atonalen Geräuschabfolgen. Bitte bilden. Danke.
 
König Alfons schrieb:
Die Frage lautete nicht: Findest du Musik, die im Wesentlichen aus nichttonalem Klangmaterial besteht, gut", sondern (Zitat): "An was liegts?" Und da kann die Antwort nur lauten: "Am Zuhörer", denn es kann nicht schlechthin an dieser Musik liegen, gibt es doch unbestritten künstlerisch herausragende Kompositionen, die auf nichttonalem Klangmaterial bestehen. Vielleicht kennt der ein oder andere diese nur nicht oder sie hat sich ihm noch nicht erschlossen oder es liegt einfach an seinem Musikgeschmack - also alles, was den Hörer und seine Kompetenz als solches betrifft. Und dazu gehört - sorry - auch Bildung und Kenntnis von den Dingen, das wird doch wohl niemand bestreiten wollen. Beides kann man sich bei Interesse auch verschaffen und so vielleicht etwas für sich entdecken, was einem sonst verschlossen geblieben wäre. Dass es primitive, schlecht gemachte, banale etc. Musik in der ganzen Breite von Unterhaltungs- bis Kunstmusik gibt, ist unbestritten, sicherlich aber nicht Gegenstand unserer Betrachtung. Ich bitte darum, meinen Text sorgfältig zu lesen, in Ruhe darüber nachzudenken und nicht gleich reflexartig und unbedacht zu antworten. Ist mir sehr ernst.
Hier wurde mM nach bereits alles gesagt und sogar ganz Alfons untypisch, ohne Beleidigungen etc., sondern recht sachlich.
 
Jörg schrieb:
Ich frage mich, wer überhaupt Musik, die nur aus atonalen Geräuschabfolgen besteht, hört - und in welchen Situationen er/sie das tut.
Gute Frage: tendenziell höre ich eher weniger Musik, aber gezielt. Und ich kann nebenbei auch nichts Anderes machen, wenn es
anspruchsvollere Sachen sind. Im Auto kann ich gar keine Musik hören. Ich brauche den Motorsound...
Auf jeden Fall muß ich die Birne frei haben.
 
salz schrieb:
Ein weiterer Stockhausenschüler: Helmut Lachenmann. So langsam finde ich die sperrigen Werke
Hatte ich mal live in Stuttgart gehört. Sperrig, aufwühlend aber hörenswert.
 
mookie schrieb:
König Alfons schrieb:
Die Frage lautete nicht: Findest du Musik, die im Wesentlichen aus nichttonalem Klangmaterial besteht, gut", sondern (Zitat): "An was liegts?" Und da kann die Antwort nur lauten: "Am Zuhörer", denn es kann nicht schlechthin an dieser Musik liegen, gibt es doch unbestritten künstlerisch herausragende Kompositionen, die auf nichttonalem Klangmaterial bestehen. Vielleicht kennt der ein oder andere diese nur nicht oder sie hat sich ihm noch nicht erschlossen oder es liegt einfach an seinem Musikgeschmack - also alles, was den Hörer und seine Kompetenz als solches betrifft. Und dazu gehört - sorry - auch Bildung und Kenntnis von den Dingen, das wird doch wohl niemand bestreiten wollen. Beides kann man sich bei Interesse auch verschaffen und so vielleicht etwas für sich entdecken, was einem sonst verschlossen geblieben wäre. Dass es primitive, schlecht gemachte, banale etc. Musik in der ganzen Breite von Unterhaltungs- bis Kunstmusik gibt, ist unbestritten, sicherlich aber nicht Gegenstand unserer Betrachtung. Ich bitte darum, meinen Text sorgfältig zu lesen, in Ruhe darüber nachzudenken und nicht gleich reflexartig und unbedacht zu antworten. Ist mir sehr ernst.
Hier wurde mM nach bereits alles gesagt und sogar ganz Alfons untypisch, ohne Beleidigungen etc., sondern recht sachlich.

MOD: (allgemeine Beschimpfung aller Lesenden - entfernt)
 
Zotterl schrieb:
salz schrieb:
Ein weiterer Stockhausenschüler: Helmut Lachenmann. So langsam finde ich die sperrigen Werke
Hatte ich mal live in Stuttgart gehört. Sperrig, aufwühlend aber hörenswert.
Unter was läuft sowas? Akustische oder musikalische Darbietung?
Für mich ist das einer dieser Grenzfälle. Ich finde es durchaus interessant, aber die musikalischen Momente suche ich noch.
Ich bin jetzt bei 15:00 - ohne zu skippen. Das ist teilweise 'ne schwere Prüfung.
 
Zotterl schrieb:
Gute Frage: tendenziell höre ich eher weniger Musik, aber gezielt. Und ich kann nebenbei auch nichts Anderes machen, wenn es
anspruchsvollere Sachen sind. Im Auto kann ich gar keine Musik hören. Ich brauche den Motorsound...
Auf jeden Fall muß ich die Birne frei haben.

Und damit dürfte klar sein dass die hier diskutierte Knarzmusik (ich werde mich gewiss nicht mit Dirk über Wörter streiten) auch in Zukunft immer auf breite Ablehnung stoßen wird. Das ist nur was für Leute mit viel Zeit und einem sehr großen Interesse an außergewöhnlicher Musik (ja, meinetwegen auch: Bildung) - das seinerseits auch offensichtlich manchmal mit einem gewissen Habitus einhergeht. :mrgreen:
Knarzmusik befriedigt den Macher, aber kaum einen Hörer. Tut mir ja leid für die Knarzer. ;-)

Woran liegt's? Klar am Hörer. Aber man darf die Hörer nicht dafür verantwortlich machen, dass man Musik produziert die andere nicht hören wollen.

Ich jedenfalls werde mit meiner Zeit etwas anderes anfangen als zu versuchen das Kkrkslbrzl-dingdong-Plickplack anderer Leute nachzuvollziehen.
Wenn ich Gäste verjagen will, dann reicht auch die Close to the Edge oder die Rubycon. :mrgreen:
 
http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Lachenmann
Lachenmann entwickelte konsequent eine Musique concrète instrumentale, die mittels neuer Spieltechniken für die traditionellen Orchesterinstrumente eine Klanglichkeit erzeugt, die dem Geräusch oft näher steht als der sinfonischen Tradition. In der Konfrontation des „philharmonischen Apparates“ mit Klängen, die ihre akustischen Vorgänge offenlegen, soll die Wahrnehmung von Spielern und Hörern auf die Struktur der konkreten Klänge gelenkt werden. Nicht das Erlebnis von Schönklang ist das Ziel seines Komponierens, sondern die Erfahrung von Anordnung und Verwandlung ungewohnter, da ungewöhnlicher Klangereignisse.
Hehres Ziel. :supi:
Schaut man dem Ensemble bei der Darbietung zu, wirkt es mitunter wie Satire. Ein Jammer, dass das Publikum nicht öfter eingeblendet wird.
 
Raze schrieb:
irgendwie verstehe ich garnicht, um welche musik / geräusche ihr euch eigentlich zankt...

sowas?

Das ist halt der Kernpunkt. Die Nazis empfanden die Expressionisten ja nicht als Künstler/Maler, sondern als Schmierfinken. Die mussten weg. Von daher verweise ich auf die erste Antwort auf den Ausgangsbeitrag von mir, der im Übereifer in in Unkenntnis von Musikgeschichte von einem Moderator gelöscht wurde: Dr. Jesef Goebbels fragen. Ein gescheiter Leser hätte da sicherlich aufgemerkt und sich bezüglich Musik des 20. Jahrhunderts weitergebildet. Die Diskussion hätte dann mehr Gehalt gehabt, so quasseln mehr oder weniger Unbegabte und Uninformierte über ihr Geknirsche. Was für ein Käse.
 
König Alfons schrieb:
so quasseln mehr oder weniger Unbegabte und Uninformierte über ihr Geknirsche.

Ja, stimmt.
Aber die Überschrift war ja auch Kkrkslbrzl-dingdong-Plickplack-Knarz-Musik.
Da redet jetzt vermutlich jeder über etwas anderes.
 
König Alfons schrieb:
Raze schrieb:
irgendwie verstehe ich garnicht, um welche musik / geräusche ihr euch eigentlich zankt...

sowas?

Das ist halt der Kernpunkt. Die Nazis empfanden die Expressionisten ja nicht als Künstler/Maler, sondern als Schmierfinken. Die mussten weg. Von daher verweise ich auf die erste Antwort auf den Ausgangsbeitrag von mir, der im Übereifer in in Unkenntnis von Musikgeschichte von einem Moderator gelöscht wurde: Dr. Jesef Goebbels fragen. Ein gescheiter Leser hätte da sicherlich aufgemerkt und sich bezüglich Musik des 20. Jahrhunderts weitergebildet. Die Diskussion hätte dann mehr Gehalt gehabt, so quasseln mehr oder weniger Unbegabte und Uninformierte über ihr Geknirsche. Was für ein Käse.

was ich hier allerdings noch weniger verstehe, warum die immer mit diesem nazi kram um die ecke kommst...
 
Raze schrieb:
was ich hier allerdings noch weniger verstehe, warum die immer mit diesem nazi kram um die ecke kommst...
Aus dem selben Grund warum er leider auch die Beleidigungen nachgeholt hat.
Defizite in sozialer Interaktion/Kommunikation.
 
Mit Speck fängt man Mäuse. Es gibt ja auch einen Einleitungssatz im Ausgangsbeitrag, der erst einmal Appetit macht. Nur verstehe ich nicht, dass alles Nachfolgende im Beitrag ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen - oder schlimmer noch - nicht verstanden wurde. Vielleicht macht auch zuviel Basedrum einfach nur doof.

 
Raze schrieb:
was ich hier allerdings noch weniger verstehe, warum die immer mit diesem nazi kram um die ecke kommst...

Sollten Sie aber darauf hinaus sein - wie vielleicht noch mehrere Ihrer Mitstudenten und Lehrer -, daß Sie Leute wie mich durch irgendwelchen ideologischen Druck zwingen wollen, Musik von einer Art zu machen, die mit relativer Vorhersehbarkeit jedem gefällt, so primitiv auch sein Geschmack ist, so sind wir wieder da angekommen, wo die Nazis schon einmal waren. Die haben ja nicht umsonst die meisten Komponisten und Künstler >entarteter Kunst< aus dem Land hinausgejagt und ihre Arbeit verboten. Deren Musik war eben auch nicht genug >populär<. Ob Sie das Ganze unter dem fadenscheinigen Namen einer materialistischen Soziologie vertreten oder einer nationalsozialistischen: das Ergebnis kommt ziemlich auf das gleiche hinaus. Wie Marcuse schon sagte: In den achtziger Jahren wird das Wort Kunst ein Schimpfwort sein. Und Sie sind eine der kleinen Ameisen, die zum Zerfressen des allgemeinen Bewußtseins von Qualität mit beitragen, ohne es zu wissen.

Aus "Ein Briefwechsel im 'Geiste der Zeit'", Karlheinz Stockhause - Texte zur Musik
 
König Alfons schrieb:
Mit Speck fängt man Mäuse. Es gibt ja auch einen Einleitungssatz im Ausgangsbeitrag, der erst einmal Appetit macht. Nur verstehe ich nicht, dass alles Nachfolgende im Beitrag ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen - oder schlimmer noch - nicht verstanden wurde.
Ich bezog mich auf:
Wird geräuschhafte Musik generell abgelehnt? (bzw. gar nicht als Musik wahrgenommen!) An was liegts?

und habe diesbezüglich die Thesen aufgestellt
1. dass geräuschhafte Musik tatsächlich von den meisten Leuten abgelehnt wird, weil sie gar nicht die Voraussetzungen haben
2. diese Voraussetzungen auch nur bei einem ganz kleinen Teil der Menschheit überhaupt gegeben sein können
3. sich deswegen das auch in Zukunft nicht ändern wird
4. diese Leute dafür nicht zu verurteilen sind

Damit will ich nicht rechtfertigen über irgendwas abfällig zu sprechen was man nicht kennt. Wobei das wahrscheinlich menschlich, allzu menschlich ist.
 
Ich denke dass es meist abgelehnt wird, da es anstrengender ist sich damit zu befassen und es zu hören.
Gedudels kann man nett im Hintergrund laufen lassen, ob Lady Gaga, Fler, Beatles oder Kraftwerk.
Alles ganz nett und geht immer irgendwie.
 
Jörg schrieb:
2. diese Voraussetzungen auch nur bei einem ganz kleinen Teil der Menschheit überhaupt gegeben sein können
Da sind wir wieder bei den im Ausgangspost erwähnten Eurorack-Demos. Ein "Nicht-Insider" hört nur den Sound. Von den 3h Vorarbeit und den 3km verlegten Patchkabeln weiß er nichts. Genau offenbart sich auch Musique concrète, wenn du die Intention des Musikers nicht kennst und plötzlich mit sowas konfrontiert wirst:

 
Raze schrieb:
[...] was ich hier allerdings noch weniger verstehe, warum die immer mit diesem nazi kram um die ecke kommst...

Wenn einem die guten Argumente ausgehen, muß man halt auf solche Totschlagsrhetorik zurückgreifen.

Über die letzten 24 Seiten fehlt mir der Versuch, eine nachvollziehbare Erklärung zu finden, was genau diese unhörbare Musik so hörenswert macht. Liest man die Beiträge, bekomme ich als gelinde Desinteressierter nicht wirklich Lust darauf, mich näher mit der Materie beschäftigen zu wollen -- eine denkbar negative Imagekampagne, würde ich sagen.

Oder ein schlecht an den Kunden gebrachtes Produkt.

Stephen
 
Pierre & Pierre - Da steht ein Orpheus auf dem Flur


Hörspiel und Gear-Demo in einem.

Aus den Kommentaren bei YT: This could easily pass as the latest Nurse with Wound release.
Gleich mal schauen.


Hell yeah! :supi:
 
Jörg schrieb:
König Alfons schrieb:
Mit Speck fängt man Mäuse. Es gibt ja auch einen Einleitungssatz im Ausgangsbeitrag, der erst einmal Appetit macht. Nur verstehe ich nicht, dass alles Nachfolgende im Beitrag ganz offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen - oder schlimmer noch - nicht verstanden wurde.
Ich bezog mich auf:
Wird geräuschhafte Musik generell abgelehnt? (bzw. gar nicht als Musik wahrgenommen!) An was liegts?

und habe diesbezüglich die Thesen aufgestellt
1. dass geräuschhafte Musik tatsächlich von den meisten Leuten abgelehnt wird, weil sie gar nicht die Voraussetzungen haben
2. diese Voraussetzungen auch nur bei einem ganz kleinen Teil der Menschheit überhaupt gegeben sein können
3. sich deswegen das auch in Zukunft nicht ändern wird
4. diese Leute dafür nicht zu verurteilen sind

Damit will ich nicht rechtfertigen über irgendwas abfällig zu sprechen was man nicht kennt. Wobei das wahrscheinlich menschlich, allzu menschlich ist.

Dann gerne den ersten Teil des Briefes an Herrn Hilsberg:



Karlheinz Stockhausen 5073 Kürten

2. November 1971

Sehr geehrter Herr Andreas Hilsberg,

Ihr Brief ist wirklich unerhört. Sie behaupten Dinge, die Sie vorher nicht geprüft haben. Ich habe in Osaka für ca. 1 Million Menschen meine Musik 5 1/2 Stunden pro Tag aufgeführt für 183 Tage. Das entspricht einer Konzerttätigkeit von 16 Jahren mit 70 Konzerten pro Jahr für ca. 1000 Personen am Abend. In Japan waren alle Bevölkerungsschichten im Auditorium, und selbstverständlich waren die allermeisten aus der Arbeiterschicht.
Die von Ihnen genannte >Masse der Menschheit< ist keineswegs von meiner Musik ausgeschlossen. Ich komme selbst aus der >Masse< und habe in meiner Familie nur Bauern und Arbeiter. Diese Menschen bemühen sich, soweit das ihnen von der musikalischen Begabung her möglich ist, auch meine Musik zu verstehen, und nicht nur Lehar.
Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie annehmen, daß jeder Mensch potentiell dazu in der Lage sei, sich mit Musik zu befassen, wie ich sie mache. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die beliebig viel Zeit haben, und absolut nichts mir meiner Musik anfangen können. Das wird wahrscheinlich sogar für die allermeisten Menschen der Fall sein, deren musikalisches Interesse sich bei relativ einfachen und auf Wiederholung historischer Klischees beruhenden musikalischen Erzeugnissen am wohlsten fühlt. Ich bin vor kurzem in Wien in einer Aufführung der >Lustigen Witwe< gewesen. Wenn Sie sich das Publikum angesehen hätten, wären Sie erstaunt gewesen über den Wohlstand dieser Leute.
Deren Geschmack würde aber mit meiner Musik überhaupt nichts anfangen können.
Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, alles sei für alle auf dieser Welt.
Es gibt sehr arme Leute, die einen ausgezeichneten Geschmack und eine sehr musikalische und auch fortschrittliche Bildung haben, Und es gibt eine überzahl von Leuten der besitzenden Mittelklasse und vor allen Dingen von sehr reichen, die total geschmacklos und unmusikalisch sind.
Mein Publikum rekrutiert sich im wesentlichen aus den jungen Menschen in des ganzen Welt, die für die Zukunft offen sind. Ich sehe, dass Ihre Erziehung an der Universität Sie völlig weggeführt hat vom Verständnis für das, was Musik überhaupt ist. Sie werden sehr bald selbst prüfen können mir den Prinzipien Ihrer materialistischen Soziologie, was der ‚Arbeiter’ anfängt, wenn die Automatisation soweit fortgeschritten ist - und wir sind ja sehr nahe daran -daß diejenigen, die die Apparate produzieren, nicht nur 3, sondern 4 Tage pro Woche frei haben werden. Ich sage Ihnen jetzt schon im voraus, daß diese Arbeiter, obwohl sie dann 4 Tage pro Woche frei haben werden, wahrscheinlich x mal eine Reise zu irgendwelchen Fußballspielen machen und den Rest der Zeit vor Femsehempfängern verbringen werden; daß sie sich aber den Teufel scheren um Musik, wie ich sie mache. Das wird die Allgemeinheit betreffen. Einzelne Ausnahmen gibt es natürlich immer.
...
Freundliche Grüße trotzdem von Ihrem

Stockhausen
 
König Alfons schrieb:
[...]

Dann gerne den ersten Teil des Briefes an Herrn Hilsberg:



Karlheinz Stockhausen 5073 Kürten

2. November 1971

Sehr geehrter Herr Andreas Hilsberg,

Ihr Brief ist wirklich unerhört. Sie behaupten Dinge, die Sie vorher nicht geprüft haben. Ich habe in Osaka für ca. 1 Million Menschen meine Musik 5 1/2 Stunden pro Tag aufgeführt für 183 Tage. Das entspricht einer Konzerttätigkeit von 16 Jahren mit 70 Konzerten pro Jahr für ca. 1000 Personen am Abend. In Japan waren alle Bevölkerungsschichten im Auditorium, und selbstverständlich waren die allermeisten aus der Arbeiterschicht.
Die von Ihnen genannte >Masse der Menschheit< ist keineswegs von meiner Musik ausgeschlossen. Ich komme selbst aus der >Masse< und habe in meiner Familie nur Bauern und Arbeiter. Diese Menschen bemühen sich, soweit das ihnen von der musikalischen Begabung her möglich ist, auch meine Musik zu verstehen, und nicht nur Lehar.
Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie annehmen, daß jeder Mensch potentiell dazu in der Lage sei, sich mit Musik zu befassen, wie ich sie mache. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die beliebig viel Zeit haben, und absolut nichts mir meiner Musik anfangen können. Das wird wahrscheinlich sogar für die allermeisten Menschen der Fall sein, deren musikalisches Interesse sich bei relativ einfachen und auf Wiederholung historischer Klischees beruhenden musikalischen Erzeugnissen am wohlsten fühlt. Ich bin vor kurzem in Wien in einer Aufführung der >Lustigen Witwe< gewesen. Wenn Sie sich das Publikum angesehen hätten, wären Sie erstaunt gewesen über den Wohlstand dieser Leute.
Deren Geschmack würde aber mit meiner Musik überhaupt nichts anfangen können.
Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, alles sei für alle auf dieser Welt.
Es gibt sehr arme Leute, die einen ausgezeichneten Geschmack und eine sehr musikalische und auch fortschrittliche Bildung haben, Und es gibt eine überzahl von Leuten der besitzenden Mittelklasse und vor allen Dingen von sehr reichen, die total geschmacklos und unmusikalisch sind.
Mein Publikum rekrutiert sich im wesentlichen aus den jungen Menschen in des ganzen Welt, die für die Zukunft offen sind. Ich sehe, dass Ihre Erziehung an der Universität Sie völlig weggeführt hat vom Verständnis für das, was Musik überhaupt ist. Sie werden sehr bald selbst prüfen können mir den Prinzipien Ihrer materialistischen Soziologie, was der ‚Arbeiter’ anfängt, wenn die Automatisation soweit fortgeschritten ist - und wir sind ja sehr nahe daran -daß diejenigen, die die Apparate produzieren, nicht nur 3, sondern 4 Tage pro Woche frei haben werden. Ich sage Ihnen jetzt schon im voraus, daß diese Arbeiter, obwohl sie dann 4 Tage pro Woche frei haben werden, wahrscheinlich x mal eine Reise zu irgendwelchen Fußballspielen machen und den Rest der Zeit vor Femsehempfängern verbringen werden; daß sie sich aber den Teufel scheren um Musik, wie ich sie mache. Das wird die Allgemeinheit betreffen. Einzelne Ausnahmen gibt es natürlich immer.
...
Freundliche Grüße trotzdem von Ihrem

Stockhausen

Bis repetitia non placet.

Jemand mit einem Großen Latrinum hier?

Stephen
 
Ja, aber mit 2 Kurzschuljahren damals. Muss heißen: Repetita non placent!
Habe ich was gewonnen?

Dabei fällt mir das ein - ganz große Kunst:

 


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