ganje
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Das kommt ins BookletIch sehe leicht angetrunkene Feierabenddepressive in einer vor 35 Jahren noch ziemlich angesagten Karohemden-Szenekneipe, die sich auf verschlissenen Barhockern in geduckter Haltung kauernd schweigend langweilen.
Warten auf den letzten Scheißtag dieses Monats. Dieses Jahres. Dieses Lebens.
Einer hebt die Hand vom Tresen. Den Zeigefinger zwar ausgestreckt, aber dennoch leicht gekrümmt.
Für den Satz "Jürgen, machste mir noch eins" reicht die Kraft nicht mehr. Heute nicht.
Ich sehe einen desillusionierten, hobbyintellektuellen Endfünziger mit schwarzem Rollkragenpullover und Lederjacket, der sich mit sinnierend-abwesendem Gesichtsausdruck dem nassen Bürgersteig folgend um die Ecke schleppt. Durch den ungesunden Lebenswandel der vergangenen Jahrzehnte hat er einiges an Leistungsfähigkeit eingebüßt und möchte, dass man es ihm ansieht.
Mein Leid soll euer Leid sein.
Er hat Camus gelesen. Es wird Herbst.
Ich sehe die kognitiv teilparalysierte Hausfrau, die radiohörend bei der tristen Verrichtung ihrer banalen Alltagsautomatismen diesen Song beiläufig wahrnimmt, kurz überlegt ob sie ihn vielleicht schon mal gehört haben könnte... und sich dem noch zu bügelnden Weißwäschehaufen zuwendet, während sich beiläufig der Gedanke "irgendwas müssen die ja spielen" zwischen den vor Anstrengung pochenden Schläfen ihres Kopfes hindurchflüchtet.
Hat sie irgend etwas vergessen? Morgen sind die Geschäfte zu. Nicht, dass er wieder sauer wird.
Schuld.