@serge :
Danke für das saubere Zappa-Zitat, genau darauf bezog ich mich. Ich finde die letzte von Zappa genannte Bedingung äußerst problematisch und schlichtweg unnötig, ich teile diese - vermutlich wenig überraschend - nicht. Zappa äußerst sich da auch widersprüchlich, denn im direkt vorangehenden Absatz sagt er:
"Wenn beispielsweise John Cage sagt: 'Ich halte ein Kontaktmikrophon an meine Kehle und trinke Karottensaft, und das ist meine neue Kompoistion' - dann qualifiziert sich sein Gurgeln als seine Komposition, weil er sie mit einem Rahmen umgeben und als solche bezeichnet hat. 'Ob's Ihnen nun passt oder nicht, ich sage, es ist Musik.' Danach handelt es sich um eine reine Geschmacksfrage."
Zugegeben: Das Zitat im Zitat macht es unmöglich zu entscheiden, ob sich Zappa diese Sichtweise zu eigen macht oder nicht, aber der letzte Satz legt dies zumindest nahe. Der sich durchs gesamte Buch und sein Schaffen ziehende individualistische Ansatz bestärkt das, finde ich.
In deiner Argumentation wird die Frage, ob es Kunst ist oder nicht, zur Abstimmungssache. Um in deinem Beispiel zu bleiben: Findet der einsame "Künstler" (Anführungszeichen, denn wir sind uns ja nicht einig, ob er einer ist) jetzt nur irgend einen armen Tropf, der seinem Kommunikationsangebot folgt, dann wird sein Schaffen zur Kunst? Oder braucht er hundert arme Tropfe? 20 Experten? 2 Millionen Menschen? Eine Mehrheit? Vielleicht bin ich da zu einfach gestrickt, aber mir ist das zu ambivalent. Ein Ding ist ein Ding, unabhängig von unserer Wahrnehmung. Da bin ich existenz- und erkenntnisphilosophisch ziemlich entschieden. Wenn ich ein Buch aushöhle, um Wertsachen darin zu verstecken, dann wird es vom Buch zum Tresor. Wenn es jetzt die nächsten zweihundert Jahre unangefasst in einem Bücherregal steht und alle es nachvollziehbarerweise für ein Buch halten, wird es doch deshalb nicht wieder zum Buch. Es hat diese Funktion verloren und ist ein Tresor, unabhängig von der Wahrnehmung anderer.
Findest du nicht, dass ein künstlerisches Werk unabhängig von der Wahrnehmung des Publikums bestehen kann? Wenn Van Gogh seine Sonnenblumen eine Stunde nach der Fertigstellung verbrannt hätte, ohne dass es jemand gesehen hat, wäre das Bild dann in dieser Stunde keine Kunst gewesen?
Ich stimme dir zu: Wenn niemand der Rahmung des Künstlers folgt, dann ist der Rahmen bedeutungslos geworden. Bedeutungslos bedeutet aber nicht nicht-existent. Es gibt den Rahmen, es gibt das Kunstwerk - es schert sich nur niemand darum, beides zusammen ist bedeutungslos. Aber Kunst ist doch nicht definiert als "bedeutsame Kunst". Kunst kann und darf belanglos und bedeutungslos sein.
hier und jetzt gibt es niemanden, der die Schöpfung als Kunst wahrnimmt – außer dem Schöpfer selbst mit seinem trotzigen Beharren darauf, dass es sich dennoch um Kunst handele.
Ja und? Er kann doch trotzdem Recht haben.
Ein Kunsturteil, das einzig und allein die Ansicht des Künstlers in Betracht zieht, geht an der gesellschaftlichen Realität vorbei.
Ich finde den Begriff "Urteil" an dieser Stelle verwirrend, denn er legt einen Bezug zu einer qualitativen Bewertung der Güte des Werks nahe - eine gedankliche Vermischung, die ich dir weiter oben ja schon frech unterstellte. Ich behaupte ja gerade, dass das Kunstwerk auch unabhängig von jedem externen Urteil existiert.
Ich möchte übrigens meine vorherigen Gedanken in einer Sache präzisieren und korrigieren: Die reine Behauptung des Künstlers reicht tatsächlich nicht aus. Er muss schon an eine wie auch immer geartete Konzeption von Kunst anknüpfen. Wenn ich morgens mit dem Zug zur Arbeit fahre und sage, dies ist mein Aktionskunstwerk "Arbeitsweg l", dann reicht das noch nicht. Ich muss schon irgendwie erklären, was den Unterschied zu einer gewöhnlichen morgendlichen Pendelei ausmacht. Es ist dabei egal, ob ich ein erläuterndes Traktat schreibe, ob ich das Ganze irgendwie dokumentiere oder ob ich das nur gedanklich mache. Kunst benötigt - und das beinhaltet die Idee der Rahmung für mich - immer eine Art Konzept oder Idee. Dabei spielt es für mich aber keine Rolle, ob diese Idee verstanden oder geteilt wird oder ob andere sie für relevant erachten oder nicht.