Re: Modular uns Soundvielfalt!
ene mene miste schrieb:
um die frage mal umzudrehen, gibt es sounds oder sonstwas, die man nur aus einem modular rauskriegt, und nirgends sonst oder nur umständlich... wenn nein, warum stellt man sich so ein system dann hin? die nachteile sind ja offensichtlich, platz, geld, nie genug und so
Als Antwort könnte ich endlos Klangbeispiele aufzählen – dazu fehlt mir die Zeit – oder die Sache etwas theoretischer aufziehen.
Das sind zum einen all die Klänge, die mit den Signalwegen (sowohl Audio- als auch Steuerspannungspfade) nicht-modularer Synthesizer nicht abbildbar sind.
Zum anderen sind das die Klänge, die Module nutzen, die in den Signalwegen nicht-modularer Synthesizer nicht vorhanden sind.
Schließlich die Klangstrukturen, die Ablaufsteuerungen erfordern, die mit herkömmlichen notenbasierten Sequenzern (= MIDI) nicht darstellbar sind.
Aber "nirgends sonst"? Das nun doch nicht.
Nimm Dir ein digitales Modulsystem, z.B. NI Reaktor oder Clavia Nord Modular G2 oder MAX, investiere ein paar Jahre intensiver, harter Arbeit, und Du wirst damit alle Klänge und Abläufe analoger Modulsysteme erzeugen können, und zwar zumindest so gut, dass Deine Zuhörer im Kontext eines Musikstücks mit diesen Klängen nicht entscheiden können, ob der Klang von einem analogen oder digitalen Modulsynthesizer erzeugt wurde.
Um die Sache noch schwieriger zu machen, gibt es mittlerweile ein reichhaltiges Angebot rein digitaler Module für analoger Modulsysteme. Die Grenzen verschwimmen also immer mehr.
Warum beschäftige ich mich also mit diesen Trümmern? Darauf kann ich nur eine Antwort geben, diesmal eine ganz praktische: Weil mir dabei einer abgeht. Und warum geht mir einer ab? Weil es eine physische Abwechselung zur beruflichen Mausschieberei ist. Weil ich mir einen Klang jedes Mal neu erarbeiten muss, anstatt mich wie ein spinnbewebter Archivar durch Klangbibliotheken zu wühlen. Weil ich ihn anfassen kann, zupacken, ihn mit meinen beiden Händen formen kann.
Würde ich Musik "produzieren", um damit meinen Lebensunterhalt verdienen, wäre es töricht, an diese Kisten Zeit & Geld zu verschwenden, stattdessen würde ich "in the box" arbeiten, also nur mit einer DAW und Plug-Ins.
Aber das muss ich glücklicherweise nicht. Stattdessen fahre ich einmal im Jahr quer durch die Republik in den Hunsrück, und wenn ich Glück habe, darf ich dort an einem 35 Jahre alten Roland System 700 knien und "I feel Love" patchen, dabei die Kabel durch die Handflächen laufen lassen, an diesen riesigen, satt laufenden Potis und Schieberegler schrauben und das Eigenleben der Module hören.
Ob's einen Zusammenhang gibt zwischen der Lust, sich durch einen Schamhaarwald an Patchkabeln zu wühlen, und der Vorliebe für'n "Brombeerbums", muss die Psychologie allerdings erst noch klären.