Modular und Soundvielfalt!

Re: Modular uns Soundvielfalt!

Hier ist noch jemand, dem es oft genauso geht.
Ich glaube auch, dass ich die besten Sounds, die ich mit meinem Modular erstellt habe, gar nicht festgehalten habe, weil ich vergessen habe den Record-Knopf zu drücken.
Möchte ich dann aufnehmen klingt es dann meistens nicht mehr so, weil ich wieder dachte, hier und da muss ich noch ein Käbelchen und ein Modul hinzufügen. :selfhammer:
Trotzdem macht das Soundschrauben an meinem Modular mir 10mal mehr Spaß, als an jedem anderen Synth.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Nicht die Klänge sind gute oder schlechte Musik, sondern es kommt darauf an, was damit gemacht wird. Ob sie vermittelt, ob sie wirklich komponiert sind. Oder ob sie nur wie in einer Ausstellung exponiert sind - wie in einem akustischen Bauchladen, wenn der Hausierer sagt: Ich habe diesen Klang, ich habe auch jenen Klang, ich kann solche Töne machen, ich kann aber auch noch andere machen.

Quelle: Karlheinz Stockhausen - Die 4 Kriterien der Elektronischen Musik
(Tonbandtranskription eines ohne schriftliches Konzept frei gehaltenen Vortrages am 14. September 1972 im Folkwang-Museum in Essen; erschienen im Sammelband >Selbstdarstellung. Künstler über sich<, hrsg. v. w. Herzogenrath, Düsseldorf 1973)
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

ist schon richtig, aber der klang ist eben das medium, der die komposition kommuniziert und der auch in sich selbst schon eine komposition darstellen kann, und wie ich stockhausen verstehe, war das auch ein wichtiger aspekt in seinem denken und seiner musik, steht ja da auch

insofern gleichrangig
wollen sie widersprechen?
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

ene mene miste schrieb:
ist schon richtig, aber der klang ist eben das medium, der die komposition kommuniziert und der auch in sich selbst schon eine komposition darstellen kann, und wie ich stockhausen verstehe, war das auch ein wichtiger aspekt in seinem denken und seiner musik

insofern gleichrangig
wollen sie widersprechen?
An dieser Stelle möchte ich den Begriff der "Klangfarbenkomposition" einbringen, der übrigens auch
u. a. von Stockhausen und Schoenberg behandelt wurde.

Zum Thema gabs hier mal einen Thread
viewtopic.php?f=31&t=54287&hilit=klangfarbenkomposition#p559040
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Nur habe ich aufgrund meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit den Eindruck gewonnen, dass die Beschäftigung mit modularen Synthesizern i.d.R. Selbstzweck ist oder ein Klang oder eine Textur ohne musikalische Verwendung zum Ziel hat. Das ist doch aus künstlerischer Sicht recht mager.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Das Komponieren der Klänge gehört bei mir zum Schrauben dazu.
Was mir auch gut gefällt ist eine Wellenform eines VCO's mit dem Octatrack sampeln und daraus dann einen ganzen Song basteln.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Um mal die These von der ersten Seite aufzugreifen, dass es eher langweilige Musik gibt wenn ein Modular im Spiel ist, was das Arrangement angeht :
Grundsätzlich kann ich mit einem Modularsynth die gleiche Art von Musik machen wie mit einem 'normalen' Hardware Synth oder auch Plugins.
Es kommt ja nur darauf an, wie man den Klangerzeuger sequenziert.
Das eher monotone oder auch atonale/dissonante Klangbild bei manchen Modulartracks entsteht eher durch die modulare Sequenzierung mit Sequenzern, die keine Skalenquantisierung haben und nur maximal 16 Steps ohne Möglichkeit ein Pattern komplett zu wechseln.
Manche Modular Nutzer sind auch gar nicht an herkömmlicher Musik mit Tonarten, Tonleitern, harmonien, Beats und so etwas interessiert, die machen lieber Klangabenteuer. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
Wenn ich meinen Modular über die MPC sequenziere oder über die DAW, kann ich das genauso abwechslungsreich gestalten wie mit einem anderen Synthie.

Persönlich mag ich es sehr gerne, mir alle Optionen offen zu halten, was die Sequenzierung angeht. Mit jeder entstehen ganz andere Ergebnisse.
- MIDI aufnehmen auf der MPC und in einer Trackeransicht editieren
- MIDI in einer Pianoroll editieren in der DAW oder mit einem Arpeggiator-Plugin
- Stepsequencer einer xoxbox
- Arpeggiatoren an Synths
- Live in die Tasten greifen
- '101' Style Sequencer wie z.B. der Midipal
- Live auf einem Touchpad-Synth des iPads spielen
- 'Modular-Style-Sequenzer' verwenden (meiner kann Quantiserung in Skalen und hat Notenanzeige, ist für mich essentiell)
- Drums einklopfen auf den Pads der MPC
- Drums mit Note Repeat auf der MPC erstellen
- Drums per Stepsequencer auf einer Drummachine eingeben.
- Drumsamples direkt in der DAW in einem Audiotrack arrangieren

Oft verwende ich eine Anzahl dieser Sequenzierungs-Methoden parallel, ist nur eine Frage der richtigen Verkabelung im Studio.
Wenn ich eine der Methoden nicht zur Verfügung hätte, würde mir was fehlen...
Die Art, wie ich meine Klangerzeuger anspreche und sequenziere, ist für mich erheblich bedeutender als der Klangerzeuger selbst.

Und dann gibt es einfach verschiedenen Anwendungsgebiete. Für die Band sequenziere ich alles am PC, das wird sich auch nicht ändern. Plugins und Hardware Synths gemischt als Klangerzeuger.
Mit dem Möbius arbeiten wir mit einer DAW und nehmen sofort Audiospuren auf, sobald wir einen neuen Part für den Track haben. Den Modular haben wir auf unserer letzten 4-Tage Session gar nicht angefasst.
Mit dem Shirioyuki ist die MPC das Zentrum und Modular ist auch immer dabei was das sequenzieren angeht und dann nehmen wir ne Livesession im Multitrackverfahren auf.
Solo mache ich es wie ich halt gerade Lust habe.

Was die Klangerzeugung an sich angeht, es macht mir Spaß, die ganzen Kabel einzustecken und langsam einen Track entstehen zu sehen.
Ich brauche aber auch ganz 'normale' Synthies für den 'schnellen Kick', nur Hands-On müssen die sein, für Menübedienung habe ich keine Geduld.
Der Vorteil beim Modular ist es imo, einen Synthie erweitern zu können, wenn ein Feature fehlt. Ich kenne keinen hands-on Hardware Synth, der 10 LFOs hat, wie mein Modularer. Ich mache gerne mal nen Patch mit 5 LFOs, das geht außerhalb der Modularwelt gar nicht, wenn man keine Softwaresynths oder irgendwelche blöden Menüs nutzen möchte.
Ich hab mir z.B. den Mopho x4 u.a. deshalb gekauft, weil der vier LFOs hat, aber das ist voll der Krampf, die zu belegen und dann hab ich es wieder vergessen welcher LFO wohin geht weil man es nicht sieht usw.
Beim Modular hab ich das immer im Blick.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Schnuffi schrieb:
Nur habe ich aufgrund meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit den Eindruck gewonnen, dass die Beschäftigung mit modularen Synthesizern i.d.R. Selbstzweck ist oder ein Klang oder eine Textur (...)
Die Anzahl derjenigen, die eine teure Gitarre besitzen, ohne etwas "künstlerisch nennenswertes" damit zu veranstalten dürfte ziemlich groß sein.

Na, und? Wenn es das kurze Erdendasein spaßiger gemacht hat, ist es auch okay. Bloßes Herumklimpern, Herumzupfen oder eben auch modulares Gedaddel, mag vielleicht auch nur entspannend sein. Andererseits sind viele großartige Songs allein darum entstanden, weil jemand zuvor auf einem Instrument ziellos herumgedaddelt hat.

Nicht jede Neigung und jedes Interesse ist allein durch den hohen Zweck gerechtfertigt. Zwangloses Dasein und bloße zwanglose Freude an einer Sache ist auch etwas wert.

Und das ist gut so. Echt jezz.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Schnuffi schrieb:
...dass die Beschäftigung mit modularen Synthesizern i.d.R. Selbstzweck ist oder ein Klang oder eine Textur ohne musikalische Verwendung zum Ziel hat. Das ist doch aus künstlerischer Sicht recht mager.
Mit Sicherheit ist es in vielen Fällen Selbstzweck oder das, was man Spaß nennt.
Viele haben keine künstlerische Ambitionen, was ebenfalls in Ordnung ist.

Messen muß sich derjenige, der damit an die Öffentlichkeit geht.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Manche haben einen Internetzugang ohne im Internet Großes zu leisten.
Ich "spiele" bloß mit meinem Modularkram, zum Musik machen hab ich es nicht in erster Linie gekauft. Dazu mutze ich für mich effektivere Geräte.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Schnuffi schrieb:
Nur habe ich aufgrund meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit den Eindruck gewonnen, dass die Beschäftigung mit modularen Synthesizern i.d.R. Selbstzweck ist oder ein Klang oder eine Textur ohne musikalische Verwendung zum Ziel hat. Das ist doch aus künstlerischer Sicht recht mager.
Komme jetzt und strenge dich mehr an, den Thread bekommst du auch noch klein.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Musik soll im Menschen etwas bewirken und bewegen, die meisten Modularen Stücke bewegen in mir nichts oder sind Aufgüsse, manchmal gefällt es mir manchmal will ich es nachmachen, manchmal empfinde ich es eher grauenhaft.

"Stockhausen" ist das perfekt gelungen, er hat mich ca.15 Minuten in der Kölner Philharmonie sehr bewegt, es waren vorwiegend klassische Instrumente, sehr erstaunlich war eine Klarinette, die scheinbar duophon klang wie ein Ringmodulator der zwei Signale zu einem zusammenmischt, es war wohl ein elektronisches Stück von Stockhausen.

Wobei Herr Stockhausen nichts für die Interpretation diese Stückes kann, ich wurde dann bewegt zu gehen, ich konnte diese auskomponierten Klänge nicht ertragen, es klang nicht zufällig, trotzdem blieb mir der Zugang zu Stockhausen verschlossen.
Habe mich im Netz dannach noch umgehört und merkte einfach Stockhausen finden meine Ohren unerträglich und ich habe mir Mühe gegeben vor allem in der Probe, es ging physisch gar nicht.

Vieles vom Modulargeduddel klingt nicht erdacht sondern wird zufäälig abgespielt, das kann man sicher ganz anders machen, auch hier fehlt einem manchmal der Zugang, manchmal ist es auch nur Mist.

Eine ca. 15 Jahre ältere Frau verlies mit mir gemeinsam den Konzertsaal und meinet nur das war phantastisch super, ich konnte das nur akzeptieren , sie hatte offensichtlich eine andere Bewegung bei dieser Musik.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

olduser schrieb:
"Stockhausen" ist das perfekt gelungen, er hat mich ca.15 Minuten in der Kölner Philharmonie sehr bewegt, es waren vorwiegend klassische Instrumente, sehr erstaunlich war eine Klarinette, die scheinbar duophon klang wie ein Ringmodulator der zwei Signale zu einem zusammenmischt, es war wohl ein elektronisches Stück von Stockhausen.....
Ich weiß nicht, was Du von "ihm" gehört hast, man darf aber erwähnen, dass seine
Werke unterschiedlicher Qualität waren. So halte ich z. B. seine Elektronische Musik
aus "Freitag" (Licht) nicht so pralle im Vergleich zu seinen älteren Werken.

Tip: versuche es mal mit einem anderen Werk...später
Oder probiere einfach einen anderen Komponisten aus der Neuen Musik
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Kenn ich. Sind einige "brauchbare" Sachen dabei.

Dennoch, Dirk, in die Köpfe reinprügeln bringt nix.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Soll ja nur mal eine Perspektive aufzeichen, wie was klingen kann. Was man aus der Erkenntnis dann selber macht, ist die Sache des Einzelnen. Kennen ist immer gut. Besser als doof mit Sicherheit.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Kürzlich kam das 2010 in Donaueschingen uraufgeführte "limited approximations" von G. F. Haas
im Radio (die Liveaufzeichnung). War live schon der Wahnsinn. Hat mir selbst bei der Radioüber-
tragung wieder die Schuhe ausgezogen. Mikrotonale Musik.
Ein herausragendes Werk im Orchesterbereich war die Komposition „limited approximations“ von Georg Friedrich Haas für sechs im Zwölfteltonabstand gestimmte Klaviere und Orchester, das beim Abschlusskonzert am Sonntag (17.10.) uraufgeführt wurde
Mehr hier: http://www.swr.de/unternehmen/presse/pr ... index.html

Manchmal ist der Zeitpunkt wichtig. Mir hat sich früher der Magen gedreht bei Neuer Musik;
heute nicht mehr so oft ;-)
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!



Dabei werde ich immer ohnmächtig vor Glück.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Wenn Stockhausi heute leben, leiben und musizieren würde! Was hätte er dann für Möglichkeiten!!

...und wer hat es dann möglich gemacht? All die Musiker und Hobbyisten, die "sinnlos" herumdaddeln, und damit erst den Bau derartiger Instrumente lohnenswert machen!
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Modulare Synthesizer haben Herrn Stockhausen weniger interessiert. Auf seine Bitte und Veranlassung hin wurde aber der EMS Synthi 100 vom WDR angeschafft, wobei es ihm im Wesentlichen um den Digital-Sequencer ging. Den hatte er eigentlich nie verstanden, denn er ging davon aus, dass man damit Klangmaterial aufnehmen und beliebig stauchen und spreizen konnte, d.h. auch Klangabfolgen so beschleunigen, dass sie stationär wurden, ihre inhaltliche Struktur jedoch dem Ausgangmaterial entsprach. Das war seit Jahrzehnten seine Vision. Tut der Apparat aber nicht. Seine letzte Komposition vor seinem Tod 2007 ist "Cosmic Pulses", realisiert mit einem Kurzweil K2??. Kriegt man schwer am Kopp bei.
http://www.youtube.com/watch?v=7rGbHiJnk4I

Und um auf meinen lieber Vorredner zurück zu kommen: Wie wäre die Entwicklung der elektronischen Musikinstrumente ohne den lieben Stocki verlaufen?

Hier Vordenker Stockhausen:


Weiterentwicklung

Man muß bei allem, was man heute tut, immer bedenken, daß es morgen anders sein wird.
1955 realisierte ich die erste mehrkanalige Komposition (GESANG DER JÜNGLINGE für 5 Lautsprechergruppen im Kreis). Für Sendungen und die erste Schallplatte mußte ich eine Monofassung machen, ca. 6 Jahre später eine Stereo-Fassung, und jetzt, ca. 17 Jahre später, hat man mich darauf angesprochen, demnächst eine 4-kanalige Schallplatte des Werkes zu machen.
Fast alle Werke, auch instrumentale und vokale, habe ich aus funktionellen Gründen seit 1955 4-kanalig aufgenommen bzw. im Studio produziert (GRUPPEN, CARRE, KONTAKTE, MIKROPHONIE I, MIKROPHONIE II, HYMNEN, usw.). Man kann ungefähr voraussehen, daß in ca. 10 Jahren 4-kanalig und in ca. 30 Jahren 8-kanalig gesendet und gehört wird und daß das Fernsehen bis dahin dreidimensional plastisch und auf die Größe des Augenblickfeldes vergrößert wird.
Musikhören wird also dann so möglich sein, daß man - wie in der Natur im freien - eine akustische Landschaft rundherum und überall über sich hat - auch unter sich, wenn man den Sitz im Musikzimmer auf einer erhöhten Plattform in der Mitte einnimmt -, solange man 8 Lautsprecher in einer Kubusanordnung um sich herum hat. Man kann auch absehen, daß Übertragungen stattfinden, bei denen alle akustischen und optischen Informationen gleich gut übertragen werden und bei denen es keine Lautsprecher mehr gibt.

Wo werden elektroakustische Apparaturen verwendet?
1. Direktübertragung
2. Studioaufnahme und spätere Wiedergabe (Sendung, Schallplatte)
3.Nachsteuerung, Filterung bzw. Veränderung der Klangfarben, Verhallung, Schneidetechnik)
4. Elektroakustische Erzeugung bzw. tiefgreifende Transformation, Modulation des Klangmaterials und elektroakustische Zusammensetzung der Klangstrukturen.

Ich stelle jetzt die Hypothese auf, daß - selbst bei einer vollkommenen Übertragung der akustischen und optischen Wellen einer Aufführung - für die künstlerische Kommunikation wesentliche Schwingungen nicht berücksichtigt werden.
Wichtigste Bedingungen für die spezifische 'erregende', 'ergreifende', 'bewegende', 'inspirierende' Atmosphäre, die durch die Gegenwart und nur durch die Gegenwart eines intuitiv musizierenden Künstlers erzeugt wird, sind Schwingungen, die zwar beim Musizieren entstehen, die aber von anderer Natur als akustische und optische Wellen sind. Das, was man die Aura des Musikers oder einer Gruppe von Künstlern nennt, ist hier gemeint. Die Wellen, die jede Person ausstrahlt und die wir spüren, wenn eine Person im Raum ist, auch wenn wir akustisch und optisch nichts wahrnehmen können, sind im Zustand äußerster musikalischer Konzentration bei besonders medial begabten Künstlern von unerhörter Energie und Ausstrahlungskraft.
Man hat diese Schwingungen bisher völlig außer acht gelassen, obwohl instinktiv jeder irgendwie weiß, daß die Teilnahme an einer Live-Aufführung inspirierter Künstler bisher durch keine Übertragung - ob direkt oder verzögert - zu ersetzen ist. Die Tatsache, daß sich Elektronische Musik zum Beispiel, die in Tausenden von Lautsprechervorführungen mit Publikum ausprobiert wurde, von der bandgespeicherten immer mehr zur live-elektronischen Musik entwickelt, obwohl diese zunächst wieder technisch primitiver ist als die im Studio produzierte Elektronische Musik, sollte sehr zu denken geben. Es hat nicht nur etwas damit zu tun, daß man bei Live-Aufführungen die Musiker sieht und bei Tonbandvorführungen nicht. Sondern es handelt sich darum, daß die gesamte musikalische Übertragungstechnik bisher wesentlichste Schwingungen außer acht gelassen hat, die für Musik maßgeblich sind.
Ich möchte hier Forderungen aufstellen, die für eine Übertragung von Musik notwendig wären :
1. Erforschung derjenigen musikalischen Wellen, die bisher unberücksichtigt blieben mit dem Ziel, vollkommene Übertragungen aller Schwingungen zu erreichen, die beim Spielen von Musik von den Musikern ausgehen.
2. Reduzierung auf ein Mindestmaß aller zeitverschobenen Musikwiedergabe.

Das Bewußtsein, eine Direktübertragung zu hören, verändert das Hören völlig im Vergleich mit dem Bewußtsein, eine Tonbandwiedergabe zu hören.
Also möglichst Live-Übertragungen.
Nur dann sollten - in Studiotechnik hergestellte oder manipulierte - Klangmontagen wiedergegeben werden, wenn sie ganz wesentliche Erlebnisse vermitteln, die die körperlich-physischen Möglichkeiten übersteigen ( d. h. alles das, was ein Musiker direkt machen könnte). Aber auch solche Ereignisse sollten möglichst mit einer Live-Aufführung verbunden sein.
Es gibt einen ganz wesentlichen Wahrheitsgehalt von Musik, der im Hier und Jetzt besteht, sofern Musik geschaffen und nicht mechanisch reproduziert wird; immer dann also, wenn ein Musiker inspiriert musiziert und eine einmalige Qualität einer Aufführung vermittelt; wenn also ein Musiker durch 'wiedergegebene' oder auch im Moment der Aufführung erschaffene Musik Schwingungen erzeugt, die seine psychische 'Spannung', seine 'Ergriffenheit', seine intuitive Konzentration spüren lassen.
Man muß sich darüber im klaren sein, daß auch unter den begabtesten Musikern wieder nur wenige sind, die oft und anhaltend die Fähigkeit zu vollkommener Inspiriertheit haben - die also von Natur aus begnadete Medien sind (wie z. B. Mozart). Wesentlich ist aber, daß man im Erlebnis von Musik die Begegnung mit solchen starken 'Antennen' und 'Sendern' der menschlichen Gesellschaft als das entscheidende Ereignis erkennt, das über alle 'Unterhaltung', über allen virtuosen Zirkus, über alle intellektuelle Spielerei weit hinaus geht und die Künstler nicht nur als 'frühes Warnsystem' für das, was bereits da ist, aber von den meisten noch nicht erkannt wird, sondern auch als Seismographen für Zukunft und Transzendentales benutzt.
Außerordentliche Musiker sind beispielsweise zu bestimmten Zeitpunkten in der Lage gewesen, kommendes Unheil oder erschütternde Ereignisse (wie einen Tod oder glückliche Ereignisse) in der Interpretation eines Werkes, das die anwesenden Hörer schon vorher gehört hatten, deutlich anzukündigen.

Was brauchen wir?

1. EINHEITLICHE STEUERUNG DER RAUMPROJEKTION mit zunächst 8 Lautsprechern: Rotation plus kontinuierliche Veränderung der Rotationsebenen.
Dazu jederzeit anwählbar bestimmte vorgeplante Bewegungsmuster, deren Geschwindigkeit kontinuierlich regelbar ist:
Kreis-Rotation, Schleifen, Spiralen, Entfernungen in bestimmte Richtungen und Annäherungen; alternierende Bewegungen; geometrische Raumaufteilungen (dreieckige, vier-, fünf-, sechseckige usw. Konstellationen).

2. BESCHLEUNIGUNGSAPPARATUR, die es erlaubt, irgendeine gespielte Klangfolge über Mikrophon oder rein elektrisch zu speichern, periodisch zu wiederholen ( >Sequenzer< ) und als solche bis zu 100000fach zu beschleunigen (daß also z. B. eine Sequenz, die 100 Sekunden lang ist, periodisch wiederholt und 100000fach beschleunigt einen 1000-Hz- Ton gibt). Entsprechend gilt das Umgekehrte: daß man einen beliebigen Klang, den man spielt, bis zu 100000 mal langsamer spielen - spreizen - kann. Es versteht sich, daß dabei keinerlei Frequenztranspositionen stattfinden sollen und daß die Beschleunigung bzw. Verlangsamung kontinuierlich regulierbar sein muß.

3. Kontinuierlich regulierbare OPTISCHE METRONOME für jeden Spieler einer Gruppe zur gegenseitigen Synchronisation.

4. ZWEIMANNINSTRUMENTE, die auf die natürlichen Körpermaße von Spielern abgestimmt sind in der Verteilung von verschiedenen Funktionen auf Hände und Füße:

Spieler I
a) 8-Oktaven-Tastatur für polyphones Tonhöhenspiel. Die 'Oktave' (= 12 Tasten) muß auf ein beliebiges anderes Intervall eingestellt werden können.
Über der Tastatur Schalttafel für Generatoren und mehrere Eingangsquellen, für Filter, Modulatoren, Sequenzer.
b) Großes Fußpedal für Lautstärke mit ca. 60 dB Umfang.
c) Großes Fußpedal für kontinuierliches Bandfilter über den ganzen Hörbereich (mit zusätzlicher Links-Rechts-Bewegung für die Änderung der Filter-Bandbreite ).

Spieler II
a) Instrument für Raumprojektionen mit Steuergerät für Richtung und Ort des Klanges von I.
Über dem Steuergerät Schalttafel für die Wahl von vorprogrammierten Bewegungsmustern.
b) Fußpedal für die Geschwindigkeit des bewegten Klanges.
c) Fußpedal für dynamische Nachsteuerung der räumlichen Bewegung.

5. AUFFÜHRUNGSBEDINGUNGEN, bei denen diejenigen Musiker, die die räumliche Bewegung steuern, im akustischen Mittelfeld eines Saales sitzen können; das heißt also, daß in der Mitte jedes Saales Anschlüsse vom Podium und zu den Lautsprechern sowie Netzanschlüsse liegen müssen. Ferner sollten keine Balkone mehr gebaut werden und Lautsprecher rings um die Hörer in genügender Tiefe (ca. 3 bis 4 Meter unterhalb der Fläche des Publikums mit seitlichem 'Graben' bzw. überhaupt unter einer schalldurchlässigen Publikumsfläche) und in genügender Höhe (wenigstens 5 Meter oberhalb der Hörer, nach Möglichkeit jedoch in mehreren Ringen) angebracht werden.

Karlheinz Stockhausen - Texte zur Musik, 1970-1977, Band 4, Seite 432-436
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Okay, der Beweis wurde erbracht: Stocki war ein ganz normaler Spinner. Danke dafür. Können wir jetzt wieder zum Thema zurück, Dirk?

Ich denke, dass "modular" grunsätzlich ein experimentierfreudigeres Umgehen mit Klang bedeutet. Die Nichtspeicherbarkeit und auch die zahlreichen Überraschungen, die sich durch die leichte Neuverschaltung der einzelnen Module ergeben, gehören zu den großen Stärken modularer Klangerzeugung.

Auch bedeutet, modular zu musizieren, eine stärkere Orientierung auf den jeweiligen Moment hin - der ja oft genug einmalig bleibt. Weiterhin eignet sich "modular" auch in besonderer Weise für "kollaborates Arbeiten" am Klang: Mehrere Musiker treffen sich, experimentieren miteinander, stöpseln hin und her - und voilá: plöztlich ist er da, der besondere musikalische Moment!
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Lothar Lammfromm schrieb:
Ich denke, dass "modular" grunsätzlich ein experimentierfreudigeres Umgehen mit Klang bedeutet.

Och, ich weiß nicht. Ich benutze zu mindestens 90% völlig unspektakuläre 1 Oszi-Sounds. Das experimentellste Modul das ich habe ist der Ringmodulator. ;-)
Mir gefällt an meinem Modularsynth, dass er total einfach ist. Ich brauche mir niemals Gedanken zu machen wie ich jetzt dieses oder jenes mache, ich stöpsel es einfach, fertig.
Ansonsten bin ich, wenn´s um Modular geht, in erster Linie an Sequenzen interessiert; die dürfen dann auch gerne komplex und dynamisch sein. Deswegen habe ich mehr Sequencer als Oszillatoren in meinem System.

Das Thema Soundvielfalt juckt mich sowieso nicht mehr groß. Das meiste was ich mit mit meinem Gerödel nicht machen kann, klingt in meinen Ohren eh sche**e. Die Fixierung auf komplexe oder experimentelle Klänge ist meiner Ansicht nach eine musikalische Sackgasse. Und eigentlich auch total 90er. :mrgreen:
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

Merke: Klangpiloten ist nichts verboten.
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

@Jörg: Na wenns "nur" die sequencen sind, warum dann ein modular (abgesehen von haptic)? Dazu nur ein OSC.... da tuts doch ein Dark Energy mit Darktime auch ;-)

Ich glaube wir hatten vor Jahren mal den Thread: Sind Modularmusiker musikalische nullen. Ich glaub Electrokamerad hatte damit damals für viel wirbel im Forum gesorgt....
 
Re: Modular uns Soundvielfalt!

the acid test schrieb:
@Jörg: Na wenns "nur" die sequencen sind, warum dann ein modular (abgesehen von haptic)? Dazu nur ein OSC.... da tuts doch ein Dark Energy mit Darktime auch ;-)

Die tun´s nicht, und zwar genau wegen der Haptik. Ein für mich sehr wichtiges Kriterium!
Außerdem ist der Modular total einfach, keine Menüs, keine Doppelbelegungen, nichts. So ist das gut. :mrgreen:
Und es erleichtert die Interaktion mit den Mitmusikern: "Ey, hasse mal ne Clock??" :mrgreen:
 


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