Was Schneider und Hütter, was Kraftwerk taten, speiste sich aus dem Geiste der Romantik und dem Strom der Steckdose. Aber die Düsseldorfer waren anders elektrifiziert als die Beatles oder Elvis. Sie brauchten bald keine Gitarren mehr. Was sie interessierte, waren die gewaltigen, neuen Synthesizer, an denen die Musikstudenten Hütter und Schneider selbst bastelten und löteten. Mit diesen Geräten und den neuen, tanzbaren Rhythmen und sentimentalen Geräuschen, die sie machten, haben Kraftwerk neu definiert, was populäre Musik am Ende des 20. Jahrhunderts sein kann - und, so wie es aussieht, auch noch auf lange Zeit im 21. Jahrhundert. (...)
Ihr Aufbruch in der
Popmusik war aber mit jedem Schritt in die Zukunft von einem Rückzug begleitet: Hütter und Schneider wurden immer einsilbiger, ließen sich für die „Mensch-Maschine“ 1978 von Robotern vertreten, gaben kaum noch Interviews und wenn, dann rätselhafte, und irgendwann gar keine mehr. Produzierten vom hauseigenen Klingklang-Studio in einem Hinterhof der Düsseldorfer Mintropstraße zwar weiter Musik, Hitalben wie „Computerwelt“ (1981) und „Electric Cafe“ (1986), aber traten als Figuren selbst hinter sie zurück.
Weswegen jetzt, da die traurige Nachricht vom Tod Florian Schneiders bekannt wird, die Öffentlichkeit eigentlich kein Bild von diesem Künstler hat - dessen Werke wie wenige andere aber auf der ganzen Welt verehrt werden. Von Kraftwerks Nachruhm kann man sich überzeugen, wann immer Hütter mit seinen Angestellten heute noch auftritt, meist in musealer Inszenierung, das nächste Konzert wäre jetzt eigentlich geplant gewesen für Ende August in der Bonner Hofgartenwiese, 250 Jahre Beethoven, 50 Jahre Kraftwerk.
Florian Schneider aber ist bei diesen Inszenierungen schon lange nicht mehr dabei gewesen. Er hatte Kraftwerk Ende 2008 verlassen: Der Abschied, ein Epochenbruch eigentlich, war damals von den Beteiligten wie in den dürren Worten einer Konzernmitteilung kommuniziert worden, so technisch-kalt muss man es wohl sagen.
Dass man nicht mehr darüber weiß, warum er ging, hat Florian Schneider wohl selbst so gewollt. Der Rückzug, die Einsilbigkeit, das Maschinelle waren Teil einer ästhetischen Entscheidung, die Mitte der siebziger Jahre gefallen war - und die seitdem konsequent befolgt wurde. Umso deutlicher muss man jetzt, da die Öffentlichkeit von seinem Tod erfährt, betonen, in aller Lautstärke: dass hier ein großer Künstler gestorben ist.