Ich sag mal so: Es ist ja gut, dass es jetzt Angebote gibt für diejenigen, die polyphonen Aftertouch für ein sinnvolles Werkzeug halten, ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu steigern. Meine Erfahrung mit dem CME xKey im Vergleich zu meinen Tastaturen mit monophonem Aftertouch sagt mir, dass mir für meine Spielweise monophoner Aftertouch geeigneter erscheint.
Ich will mit meinem leidenschaftlichen Plädoyer für mehr Ausdrucksmöglichkeiten bei Synthesizern im allgemeinen und polyphonem Aftertouch im speziellen niemandem die persönlichen Vorlieben madig machen – ich bin nur verwundert darüber, wenn man diesem Zugewinn an notenbasiertem Ausdruck eher zurückhaltend gegenüber steht.
Man stelle sich vor, ein Hersteller käme auf die Idee, einen polyphonen Synthesizer mit monophoner Velocity anzubieten: es wäre eine Lachnummer sondergleichen! Aber Aftertouch, der immer auf alle Noten wirkt? Na klar! Woher kommt diese freiwillige Akzeptanz dieser Ausdrucksbeschneidung?
Man bedenke dabei, dass sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten an polyphonen Synthesizern – Räder, Pedale, Blaswandler, Bandmanuale, Sensorflächen und Freudenstöcke – immer auf alle gerade klingenden Noten wirken, mit gerade einmal zwei mageren Ausnahmen: Velocity und eben polyphonem Aftertouch.
Als ob das nicht Einschränkung genug wäre, ist Velocity dazu auch noch ein Wert, der im Leben einer Note nur ein einziges Mal an ihrem Beginn gemessen wird und danach bis zu ihrem seligen Ende fest und unveränderlich bleibt. Das mag denjenigen genügen, die im Synthesizer im weitesten Sinne ein Klavier oder eine Orgel mit erheblich mehr Klangfarben sehen, was wohl der Tatsache geschuldet ist, dass Synthesizer überwiegend mit klavierähnlichen Tastaturen daher kommen.
Die Ausdrucksmöglichkeiten des Synthesizers sind seit dem Erfolg von Moog, der letztlich aus Gründen technischer Einfachheit auf Tastaturen setzte und damit dem Synthesizer die bereits vorhandene potentielle Käuferschicht der "Bandkeyboarder" erschloss, letztlich bei einem pianistischen Ansatz stecken geblieben: Der Anschlag einer Note löst vorher definierte Ereignisse aus (man denke nur an die Hüllkurven: einmal gestartet, laufen sie mit der Unerbittlichkeit eines Uhrwerks ab!), ein Eingriff in einzelne, bereits klingende Noten ist in diesem Klangweltbild der Klavier- und Orgelspieler weder vorgesehen noch vorstellbar.
Und die Kundschaft? Der Pianist vermisst es ohnehin nicht, und der Organist ist's ja gewohnt, dass die Pedale für Schwellwerk und Registercrescendo auch auf alle Noten wirken. Aber man frage einmal einen Gitarristen, ob er sich vorstellen könne, darauf zu verzichten, nur einzelne Note in der Tonhöhe verbiegen zu können – oder einen Komponisten oder Dirigenten, ob es genügen würde, Dynamikveränderungen nur für alle Blas- und Streichinstrumente gemeinsam vornehmen zu können: Ungläubige Blicke würde man ernten.
Polyphoner Aftertouch hatte von Beginn an darunter zu leiden, dass er technisch aufwändiger umzusetzen war und erheblich mehr Daten erzeugte als sein einstimmiges Pendant. Das führte zum einen zu einem eklatanten Mangel an entsprechend ausgestatteten Instrumenten, und zum anderen zum freiwilligen Verzicht, mit diesen Datenmengen sowohl den überaus mageren (also kostbaren) Speicherplatz der frühen MIDI-Sequencer-Computer als auch die erbärmlich lahme MIDI-Schnittstelle zu verstopfen – mal ganz davon abgesehen, dass das entsprechende Spiel ja auch erlernt sein will. Jede dieser Bedingungen hat die andere zur Folge, ein Teufelskreis, angesichts dessen es schon als ein kleines Wunder erscheint, dass MPE es tatsächlich in den MIDI-Standard geschafft hat.
Ich hoffe inständig, dass weitere Hersteller Waldorfs Vorbild folgen werden, und dass mehr Synthesizerspieler erkennen, wieviel an Ausdrucksmöglichkeit ihnen bisher vorenthalten wurde.