mac1501 schrieb:
Hans Zimmer arbeitet auch mit Orchestern zusammen, steht sogar in dem Artikel. Und da hat er (unbegründete) Angst das die Musiker ihm die Notenblätter zerreissen. Also doch Noten? Na gut, er sagt er kann es nicht, aber für das Zusammenspiel braucht man dann doch wieder welche?! Sei dahingestellt wie er an diese kommt. [...]
Moderne Kompositionssoftware verfügt über die Möglichkeit, druckreifen Orchestersatz zu produzieren. Sollte das nicht reichen (weil der Computer nicht weiß, was im klassischen Satz *richtig* ist und was *falsch*), gibt es immer noch Leute, die sowas können. Die stehen dann meist als "orchestrator", "orchestral arrangements by", "orchestral score by" oder "orchestrated by" in den Credits -- solche Leute haben für Paul McCartney -- selbst bekennender Notenlegastheniker -- auch den Satz für seine Symphonie geschrieben. Die selbstironische Äußerung Zimmers würde ich dahingehend interpretieren, daß er weiß, wie hemdsärmelig sein Zeug im Grunde ist und wie schnöselig klassisch ausgebildete Orchestermusiker -- denen ist alles zu banal (siehe unten) und ohne Noten sind sie aufgeschmissen ("Spiel doch mal was Schönes." -- "Ja, was denn?" -- "Ja, irgendwas." -- "Hast Du Noten?" -- "Nein. Spiel einfach." -- "Ich kann nicht einfach spielen, wenn es nicht ausnotiert ist."). Schon Klaus Schulze mußte den Namen des Orchesters geheimhalten, das auf der "Irrlicht" fiedelte.
Notenkenntnisse sind praktisch, da spart man sich lange Erklärungen -- aus meiner eigenen Praxis weiß ich, daß die meisten professionellen Musiker sagen "Spiel's mir einfach vor, ich hör schon, was Du meinst" -- ein geschultes Ohr, gepaar mit dem nötigen Bewußtsein und Einfühlungsvermögen in das, was der andere von einem will, ist meist das bessere Rüstzeug (und zeichnet in meinen Augen einen wirklich professionellen Musiker aus. Alles andere ist u. U. bloße Klugscheißerei). Partituren oder ausnotierte Stücke findet man allenfalls dann, wenn sie in den Verlag gehen und als Blattmusik veröffentlicht werden sollen -- ansonsten reicht den meisten Musikern ein Lead Sheet mit Akkordfolgen, Rhythmuswechseln und Erklärungen zur Struktur. Ich persönlich hole mir Noten erst dann, wenn ich es nicht mehr heraushören kann.
Ich rede allerdings nicht von klassischer Orchestermusik, sondern von populärer Musik für die Masse -- bei (gerade modernen) Orchesterpartituren habe ich immer das Gefühl, daß es hier mehr um Tonakrobatik und Sportdudeln geht und weniger um die Musik als solche. Da wird der Satz so kompliziert geschrieben, daß man Notenathlet sein muß, um das umzusetzen -- und das scheint mir der Maßstab zu sein, an dem die Qualität des Werkes bemessen wird, nicht der ästhetische Gesamteindruck, den das Werk beim Hörer hinterläßt, denn merke:
"Unter einer Melodie versteht man etwas, das man nachpfeifen kann. Was ein Amateur und ein Profi nachpfeifen können, sind allerdings zwei ganz verschiedene Dinge." -- Wer's gesagt hat, weiß ich gerade nicht.
Stephen