Polarisierer: Kraftwerk III

dbra schrieb:
Klangreisender schrieb:
Musik hat eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft. Leider denken nicht so viele Menschen drüber nach, wo sie herkommt. Sie ist auf "jedem" IPod, Rechner, bei "jedem" Computerspiel, in "jedem" Film etc. präsent. Wer weiß aber schon, dass die "Red Hot Chilli Peppers", "R.E.M", "U2" etc. belegbar von "Kraftwerk" Inspiration erhielten? Es fehlt oft das Interesse für die Musikgeschichte bzw. die Geschichte dahinter. Es gibt zu viel "Who Cares?" und zu wenig Bildung.
Man kann aber auch alles überintellektualisieren. Wenn ich Lust dazu hätte und genug Zeit, könnte ich dir sicher irgendwie nachweisen, daß Klaus & Klaus von Can beeinflusst wurden.


:lollo: :lollo: :lollo:
 
Vllt ein bissel OT:

Morgen singe ich "Das Modell", bei der 100. Auflage einer stadtbekannten Live-Karaoke-Show hier in Leipzig. Hatte das neulich schonmal gemacht da und nun haben es sich die Leute wieder gewünscht.
Es war damals übrigens das erste Mal, dass die Leute "Zuuugaaabee" gebrüllt haben... was eher an der geilen Roboter-Performance meiner Band lag, als an meinem Gesang...

Also, Kraftwerk polarisiert! :D

:kaffee:
 
Lauflicht schrieb:
:supi: Würde ich auch machen, weil ich nicht singen kann. ;-) Viel Spass dabei!

Na normalerweise mach ich da schon andere Lieder - aber da KRaftwerk mir am herzen liegt wollt ichs mal tun - vllt machen wir dieses Jahr nochmal "Computerliebe" :agent:

Danke, werd Spaß haben^^
 
Hallschlag schrieb:
KW hatte damals nie den Einfluss, den man hier versucht schönzureden! Das soll nicht den historischen Einfluss erniedrigen.
Aber Sooo wichtig war KW damals wirklich nicht!!:
Wann ist für dich damals?
1982?
Als Afrika Bambaataa den internationalen Hit und Klassiker des frühen Hip-Hop veröffentlichten, Planet Rock, der sich an der Melodie von Kraftwerks Trans-Europe Express und dem Beat von Kraftwerks Nummern orientierte?
 
1979 als die Sugarhill Gang ein wegweisendes Stück der HipHop Geschichte rausbrachte. Ohne jeglichen KW Sample.
 
Also ich mag Kraftwerk generell schon, aber ich vergöttere sie nicht. Mir gefallen auch längst nicht alle Lieder. Ihre Geschichte ist mir aber bewußt und natürlich werden sie immer als große Beeinflusser und Urväter bezeichnet, was sicher nicht ganz falsch ist.

Dennoch denke ich, daß es wie bei vielen anderen Dingen ist (Erfindung des Telefons, Computers, etc): Zur gleichen Zeit machen andere Menschen auf der Welt etwas ähnliches, und wenn Kraftwerk nicht gewesen wären, dann wäre es vielleicht 1-2 Jahre später jemand anders gewesen. Aussagen wie "Ohne Kraftwerk gäbe es heute kein Techno" usw. finde ich ehrlich gesagt fast schon lächerlich. Es gäbe sicherlich nicht genau die Lieder/Tracks, die wir heute alle haben (vor allem gäbe es nicht Planet Rock :D ), und vielleicht hätten sich manche Stile auch in einer etwas anderen Reihenfolge entwickelt, aber wenn man sich mal die heutige Vielfalt der elektronischen Musik anschaut, dann sollte klar sein, daß nicht eine einzige Band für alles weitere verantwortlich sein kann.

Auch gerade heute, wo durch niedrigere Produktionskosten und das Internet viel mehr Leute Musik produzieren und vorstellen können, wird deutlich, daß viele Ideen nicht mehr so einzigartig sind, wie man vielleicht manchmal gerne hätte. Allein schon wenn man einen tollen Band- oder Projektnamen hat, dann googelt man kurz danach und sieht oft schon 5 andere, die den gleichen Namen benutzen, etc.

Letztendlich sind Kraftwerk auch beeinflußt worden durch Dinge aus ihrer Zeit. Und elektronische Musikinstrumente wurden eben auch gerade zu der Zeit erfunden bzw. populärer. Logisch daß dann Musiker, die Zugang dazu haben (oder sich das selbst basteln können), entsprechend damit herumexperimentieren. Und deshalb sage ich, wenn es Kraftwerk nicht gegeben hätte, dann hätte es halt das Gesamtwerk "Kraftwerk" in dieser Form nicht gegeben, aber es hätte dennoch elektronische Musik gegeben, und irgendwann hätte es auch mechanischere Rhythmen gegeben und es hätte sicherlich auch Leute gegeben, die sich als Roboter präsentieren oder über Zukunfts-Themen singen usw. Vielleicht wäre das nicht alles eine einzige Band gewesen, und es würde sicherlich auch starke Unterschiede geben zu dem was wir heute kennen, aber im großen und ganzen wäre die Entwicklung wohl ähnlich verlaufen.

Das mag jetzt für den ein oder anderen Kraftwerk-Fan etwas nüchtern oder gar negativ klingen, aber so ist es nicht gemeint. Ich habe Respekt vor Kraftwerk, ich respektiere aber genauso auch alle anderen, die tolle Musik machen und gute Ideen haben, und letztendlich verwendet jeder Einflüsse von außen, auch Kraftwerk.
 
Was man auch nicht ganz außer acht lassen darf: Es hängt auch von den Entdeckern, Verlegern, dem Publikum usw ab. Vielleicht gab es auch schon 3 Jahre vor Kraftwerk eine Band, die sich ähnlich entwickelt hätte, nur hat die vielleicht einfach keiner hören wollen und sie haben keine Gelegenheit bekommen, sich zu präsentieren und sich über Jahre zu entfalten. Vieles muß halt auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort entstehen, um von den richtigen Leuten gehört zu werden.
 
SvenSyn schrieb:
Vllt ein bissel OT:

Morgen singe ich "Das Modell", bei der 100. Auflage einer stadtbekannten Live-Karaoke-Show hier in Leipzig. Hatte das neulich schonmal gemacht da und nun haben es sich die Leute wieder gewünscht.
Es war damals übrigens das erste Mal, dass die Leute "Zuuugaaabee" gebrüllt haben... was eher an der geilen Roboter-Performance meiner Band lag, als an meinem Gesang...

Also, Kraftwerk polarisiert! :D

:kaffee:

Für "Das Model(l)" möchte ich bald eine geplante Jazz-Version mit einer zweiten Stimme bewerkstelligen. Es ist schon sinnvoll, das Lied im Solo mit einer Hand zu spielen. Die andere macht nichts. Wie im Video. So eine Streichquartett-Variante, eine im "Latino-Stil" oder eine aus dem Rock-Bereich o.ä. ist nicht geplant. Jeder dieser Bereiche wurde ja schon dafür verwendet. "Live" hat meist die größte Wirkung, nicht mit den Augen zu zwinkern sowie beim Spiel nicht auf die Tasten zu schauen, sollte man selbst dazu spielen. Viel Erfolg.
 
Moogulator schrieb:
Es ist auffällig, dass rel. oft zum Thema Kraftwerk gepostet wird. Das endet fast immer darin, dass einige diese Band wichtig finden, die anderen nicht. Weshalb ist das eigentlich so polarisierend?

- Ist das wirklich so extrem oder eben doch eine Band die in der Vergangenheit viel erreicht hat und jetzt wie alle Bands die in der Vergangenheit ne Menge Einfluss hatten jetzt eben durch das was jetzt passiert bestenfalls gegengescheckt werden und man sich da halt positionieren möchte?
Kraftwerk gehören für mich in eine Reihe mit den Beatles, Beethoven und Bach - um nur ein paar Namen zu nennen, die die kulturelle Bedeutung (hoffentlich) deutlich machen.

Die Diskussionen zu dieser Band in diesem Forum sind m. E. oft von Neid geprägt, manchmal auch von Unverständnis im Bezug darauf, was Musik eigentlich zur "Kunst" macht. Dabei sind drei Aspekte entscheidend:

1. Innovation (die spricht Kraftwerk kaum jemand ab)
2. Virtuosität (die ist nur begrenzt vorhanden - zugegeben)
3. Ästhetik (die wird von manchen verkannt - und hier sehe ich das häufigste Missverständnis)
 
Für einen Vergleich mit Beethoven und Bach fehlt Herrn Hütter definitiv die musikalische Kompetenz.
Das soll aber die Bedeutung von Kraftwerk für die Synthesizermusik nicht schmälern.
 
Markus Berzborn schrieb:
Für einen Vergleich mit Beethoven und Bach fehlt Herrn Hütter definitiv die musikalische Kompetenz.
Das soll aber die Bedeutung von Kraftwerk für die Synthesizermusik nicht schmälern.
Es geht dabei aber nicht um Herrn Hütter. Die Musikwelt hat sich im späten 20. Jahrhundert grundsätzlich geändert. Nicht mehr der einzelne Komponist ist verantwortlich für die entscheidenden musikalischen Innovationen, sondern Kollektive - wie z. B. die Beatles oder Kraftwerk. Die traditionellen "klassischen" Komponisten haben es nicht geschafft, ihre Musik im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert zu etablieren oder einem auch nur halbwegs großen Publikum zugänglich zu machen. In diesem Zusammenhang erklärt sich ein Ausspruch des vielleicht größten unter diesen "klassischen" Komponisten des 20. Jahrhunderts - György Ligeti: "Wenn Ihr nach meinem Tod eine Straße in Wien nach mir benennen wollt, nennt sie György-Ligeti-Irrweg."
 
Pepe schrieb:
SynthUser0815 schrieb:
György Ligeti: "Wenn Ihr nach meinen Tod eine Straße in Wien nach mir benennen wollt, nennt sie György-Ligeti-Irrweg."
Fabelhaft! Dieses Zitat habe ich bisher noch nie gehört. :)
Nachzulesen im folgenden Buch:
http://www.amazon.de/Träumen-Sie-Farbe-Gespräch-Eckhard/dp/3552052283/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1421358451&sr=8-1&keywords=ligeti+farbe

Für den genauen Wortlaut kann ich nicht garantieren, aber sinngemäß steht es da so.

Ligeti sagt in dem Buch auch, dass ihn die gesamte populäre Musik nicht sehr beeindruckt, mit Ausnahme der Beatles. Und er wundert sich und kann sich nicht erklären, warum das so ist.
 
SynthUser0815 schrieb:
Nicht mehr der einzelne Komponist ist verantwortlich für die entscheidenden musikalischen Innovationen

Doch.

Die traditionellen "klassischen" Komponisten haben es nicht geschafft, ihre Musik im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert zu etablieren oder einem auch nur halbwegs großen Publikum zugänglich zu machen.

Auch diese Auffassung ist falsch.
Die modernen Komponisten haben quantitativ mehr Menschen erreicht als Bach und Beethoven zu Lebzeiten. Deutlich mehr.
Durch die verfügbaren Kommunikationsmittel.

Es ist eine völlig abwegige, wenn auch leider verbreitete, Vorstellung, Beethoven oder Mozart seien die Popkünstler ihrer Zeit gewesen.
Was heute die Popmusik ist, war früher Volksmusik. Aber keineswegs Kunstmusik der großen Komponisten.
 
Virtuosität würde ich streichen, das widerspricht doch dem ganzen Konzept von Kraftwerk, und das war ja auch das Innovative. Die Virtuosität in ihrer Musik mehr oder weniger abzuschaffen. Wobei die Zeit das ja irgendwo vorgab
 
Kraftwerk sind ab Autobahn sprachtechnisch zwar aus heutiger Gutmenschensicht politisch nicht mehr tragbar, musikalisch kommerziell dagegen der akzeptable Gegenentwurf zum vom Vati protegierten Franzmann Jarre. Optisch deutlich glatter inszeniert, melodisch überschaubarer komponiert, und das Equipment beeindruckt nicht zuletzt wegen der Custom Devices auch noch den letzten Nerd. Kniefall tauglich. Selbst wenn der erst 1998 geboren ist, er kann ja nichts für seine späte Geburt, *heul doch*.

Ein Bonmot dafür ist Telefon, das mit sparsamer Melodieführung auch den schmalen Intellekt anspricht. Das Video konterkariert dieses schwarz/weiß Denken optisch, und vermeidet jegliche Überforderung des Zuhörers, der ja auch gleichzeitig noch gucken muss.

Sowas ist supergut geeignet, um bei einem meinungsführendem Medium wie Zeitung ins Feuilleton zu kommen. Dort trifft sich nämlich schon im Schulhof gemiedener recht blasser und muskelschwacher Grottenolm mit unberechtigtem Anspruch auf Logenplatz auf kraftvollen Powermensch, der an Konkurrenzdenken gar nicht erst interessiert ist. Sonder simpel sein Ding macht. Der latent Schwache mischt sich mit starker Namensgebung auf, und nennt das dann Kraftwerk. Weil man das sonst ja nicht bemerken würde. Tja, und nur weil es keine Gegenwehr gibt, wird das dann irgendwann zum Kultgegenstand auserkoren. Von blassen ebenso schwachen Redakteuren. Aber Obacht: Ein Subjekt zu sein ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Künstler passieren kann :)

ZZ1E760F25.jpg
 
joly schrieb:
[...] Ein Bonmot dafür ist Telefon, das mit sparsamer Melodieführung auch den schmalen Intellekt anspricht. [...]

"Ich glaub', ich bin ein Telefon, / romantisches, kleines Telefon. / Ich glaub', ich bin ein Blumenhalter, / romantischer, kleiner Blumenhalter."

Das war aber Palais Schaumburg.

Stephen
 
Markus Berzborn schrieb:
SynthUser0815 schrieb:
Nicht mehr der einzelne Komponist ist verantwortlich für die entscheidenden musikalischen Innovationen

Doch.

Die traditionellen "klassischen" Komponisten haben es nicht geschafft, ihre Musik im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert zu etablieren oder einem auch nur halbwegs großen Publikum zugänglich zu machen.

Auch diese Auffassung ist falsch.
Die modernen Komponisten haben quantitativ mehr Menschen erreicht als Bach und Beethoven zu Lebzeiten. Deutlich mehr.
Durch die verfügbaren Kommunikationsmittel.

Es ist eine völlig abwegige, wenn auch leider verbreitete, Vorstellung, Beethoven oder Mozart seien die Popkünstler ihrer Zeit gewesen.
Was heute die Popmusik ist, war früher Volksmusik. Aber keineswegs Kunstmusik der großen Komponisten.
Ich habe nie behauptet, Beethoven oder Mozart seien Popkünstler ihrer Zeit gewesen. Allerdings ist der Rückschluss auf "heutige" "Popmusik" einfach falsch. ICH behaupte: ein Teil der heute sogenannten "Popmusik" ist in Wahrheit die Kunstmusik der Zukunft, dazu gehören unter anderem die Beatles und Kraftwerk!
 
Ok, ich übergebe den Thread jetzt dem Meinungskundgebungs-Stream.
Danke an die die sich zumindest dazu geäußert haben meine Frage in die Nähe einer Berücksichtigung zu bringen bevor man sagt wie man selbst etwas bewertet.
 
SynthUser0815 schrieb:
ICH behaupte: ein Teil der heute sogenannten "Popmusik" ist in Wahrheit die Kunstmusik der Zukunft, dazu gehören unter anderem die Beatles und Kraftwerk!

Diese Behauptung ist falsch. Dazu ist die Musik von Kraftwerk und von den Beatles kompositorisch schlicht zu primitiv.
Es gab zu Zeiten der Beatles erheblich fähigere und innovativere Komponisten und es gibt sie auch noch heute.
Aktuell z.B. Georg Friedrich Haas. Nur EIN Beispiel.

 
Markus Berzborn schrieb:
Diese Behauptung ist falsch. Dazu ist die Musik von Kraftwerk und von den Beatles kompositorisch schlicht zu primitiv.
Es gab zu Zeiten der Beatles erheblich fähigere und innovativere Komponisten und es gibt sie auch noch heute.
Aktuell z.B. Georg Friedrich Haas. Nur EIN Beispiel.

Für mich waren Kraftwerk damals (TEE-Zeiten) eine Art zeitgenössische Volksmusik (im positiven Sinne).
Die von Dir o. g. "Primitivität" ist treffend, absolut legitim und nicht abwertend gemeint.

Im Moment interessiert mich die Band so gut wie gar nicht mehr. Auf jeden Fall hatten sie die Nase vorne.
Es geht weiter und es gibt nicht nur andere Bands, sondern eben auch andere Musik...in diesem Fall die Neue Musik.
Das Stück von Haas hatte ich damals live in Donaueschingen erleben dürfen. Nach langer Zeit war da wieder einmal
der Sense of Wonderin der Musik. Als Konserve dürfte das hier nicht so rüberkommen. DAS muß man live sehen! + hören

Ironischerweise sind die Musikliebhaber zu beneiden, die mit Haas, Stockhausen & Co. noch nichts anfangen
können. Die haben noch die Gelegenheit ein neues Musikuniversum für sich zu entdecken.
Das „Neuzugänge“ im kraftwerkschen musikalischen Repertoire von Kraftwerk vor vielen Jahren endete, bedeutet
ja nicht, dass die restliche Musikwelt nicht mehr weitertickt. ;-)
 
"Wer aus so wenig so viel macht, muss schon sehr viel Talent haben."
(David Garrett, "Star-Geiger" über "Kraftwerk" - RTL, "UC-Show", 2011)
 


Zurück
Oben