Alph4 schrieb:
Das [sic!] man auch am Rechner mit dem Rumschrauben an Plugins große Freude haben kann ist ihnen sehr suspekt, nehme ich mal an. Wenn einer wie ich sich mit The Drop und Dagger stundenlang beschäftigen kann und sich wie ein kleines Kind über die schöne Filterumsetzung freut, dann kann dies nicht sein. Ich habe das Gefühl, dass dann alle denken, dass der Arme mit realer Hardware viel mehr Freude hätte.
Durchaus nicht. Warum sollte jemandem Deine Freude am Rumschrauben an Plug-Ins "sehr suspekt" sein? Und warum glaubst Du, dass "alle denken", Du hättest "mit realer Hardware mehr Freude"? Zumindest für mich kann ich sagen, dass Du da etwas hineinliest, was so nicht vorhanden ist.
Es ist nur eine andere Art des "Rumschraubens".
Eben. Nur: Mit Hardware-Synthesizern ist es ein "absolutes Rumschrauben", mit Plug-Ins ein "relatives Rumschrauben", wenn wir die Zuordnung "Parameter zu Bedienlement" betrachten.
Der Cutoff-Regler bei einem Original-Jupiter-8 liegt absolut immer an der gleichen Stelle, fasst sich immer genau so an (es sei denn, die Kiste ist gerade in Reparatur
), es gibt idealerweise eine 1:1-Relation von Klangparametern und Bedienelementen, die sich auch nicht ändert, kurz: Man kann das Ding irgendwann blind bedienen, weil man ein
Muskelgedächtnis dafür gebildet hat. Entsprechend groß ist der Platzbedarf.
Die Bedienung von Plug-Ins erfolgt dagegen über generische Zeigersteuerung (Maus, Trackpad, Trackball) und über zuweisbare Controller (Fader, Motorfader, Endlosregler mit/ohne Positionsindikator, Potis, Glasplatte). Diesen Eingabemöglichkeiten gemein ist, dass es keine 1:1-Zuordnung von zu steuerndem Parameter und Bedienelement mehr gibt, exakt gleiche Bewegungen somit nicht mehr zu exakt gleichen Ergebnissen führen, und sich ein Muskelgedächtnis so nicht ausbilden kann. Es sei denn, man stellt sich die Hütte mit sovielen Controllern voll, dass jedes Plug-In über einen Controller bedient wird – macht meines Wissens niemand, weil es eben einen der Vorteil (geringer Platzbedarf) einer In-the-Box-Lösung aus Rechner, Plug-Ins und DAW ad absurdum führen würde.
Zusätzlich zur Betrachtung "absolute/relative Parameter-Bedienelement-Zuordnung" kann man auch noch Bedienelemente selbst wieder nach "relativ" und "absolut" unterscheiden: absolut sind z.B. Potis und Fader, relativ sind z.B. Mauszeiger und Endlosregler. Man stelle sich vor, was es für einen Unterschied es hinsichtlich (a) des klanglichen Ergebnisses und (b) der Echtzeit-Spielbarkeit macht, eine "Filterfahrt" mit gleichzeitiger Änderung der Filterresonanz
• live an einem Hardware-Synthesizer über die zwei entsprechenden Potis zu spielen und das Audiosignal aufzunehmen,
• per Maus nacheinander die entsprechenden Bedienelemente des Plug-Ins zu bedienen und dieses als Automationsfahrten aufzunehmen,
• per Maus die Automationskurven direkt einzuzeichnen,
• die Plug-In-Parameter auf Hardware-Controller mit Potis zu legen und deren Bedienung als Automationsfahrten aufzunehmen, oder
• die Plug-In-Parameter auf Hardware-Controller mit Encodern zu legen und deren Bedienung als Automationsfahrten aufzunehmen.
Während man bei Potis lernen kann, welchem Drehwinkel welche klangliche Änderung entspricht, ist das bei Encodern ungleich schwerer, ich bin versucht zu sagen, dass es faktisch unmöglich ist, da einem dazu alle Kombinationen aus Drehwinkel und Drehgeschwindigkeit (die zusammen die resultierende Werteänderung ergeben) in Fleisch und Blut übergegangen sein müssen.
Ob einem das wichtig ist oder nicht, und welche der o.e. Arten der Aufnahme von Parameteränderungen man bevorzugt, kann man nur selbst entscheiden. Alles sind für sich absolut legitime Herangehensweisen – und wir haben hier nur das Feld der Bedienelemente schlaglichtartig gestreift.
Ich lese wirkliche viele Testberichte und höre von den Geräten was man so im Netz angeboten bekommt und frage mich dann immer. Lohnt es sich für mich da zwei Jahre zu sparen um mir dann einen P6 oder so zu holen? Dann funktioniert irgendwas nicht weil die Firmware noch beta ist oder die Knöpfe sind Müll oder oder oder.
Nun ja, wenn man ehrlich ist, schlagen sich alle mir bekannten DAW- und Plug-In-Nutzer mit Software-Bugs herum. Und bei einer Steuerung von DAW & Plug-Ins über Controller ist man auch gut beraten, sich über die Qualität der verwendeten Knöpfe Gedanken zu machen.
Das einzige was dann für mich mal Sinn ergeben würde, wäre so ein Modularsystem.
Warum denkst Du über die Anschaffung eines Hardware-Modulsystem nach, obwohl Du von Plug-Ins und DAW doch so überzeugt bist?
Da kann ich immer defekte Sachen schnell austauschen, das ist so ähnlich vorteilhaft wie beim PC. Oder ich hole mir mal so ein kleinen Synth wie den Microbrute, wenn der dann irgendwann Macken bekommt ist das nicht so schlimm.
Sicherlich richtig, nur nochmal – warum willst denn überhaupt dafür Geld ausgeben? Der eigentliche Grund für eine Anschaffung kann ja nicht darin liegen, dass im Defektfall etwas schell austauschbar ist. Man kauft sich ja auch keine Fahrrad, weil man da schnell den Dynamo tauschen kann, sondern weil man radfahren möchte und sich davon möglicherweise gesundheitliche Vorteile erhofft.
Dann kommt wieder meine Vorstellung von der Aufnahme in der DAW ins Spiel. Ich jamme ja viel mehr mit den Plugins als dass ich was wirklich arrangiere. Wenn ich dann mal was aufnehme, freue ich mich immer wenn ich Geschichten wie Automationen nach bearbeiten kann.
Und diese Freude sei Dir unbenommen. Manch einer möchte jede Note und jeden Automationswert für jedes Schallereignis jedes Plug-Ins einer Komposition bis zum letzten Moment des Masterings in vollumfänglichem Zugriff haben. Aber ein Anderer empfindet die daraus resultierenden Freiheitsgrade als ablenkend bis abschreckend und nimmt daher nur vergleichsweise unflexible Audioaufnahmen seiner Live-Performances im heimischen Studio im Rechner auf und schneidet sie dort zusammen.
Auch wieder vollkommen legitime Herangehensweisen. Die Schwierigkeit besteht nur darin herauszufinden, welche die Besten für einen selbst ist.
Auch toll ist es einfach mal abbrechen zu können und dann irgendwann daran weiterarbeiten, also der berühmte Total Recall.
Ja, Total Recall ist großartig. Eigentlich liest sich das bei Dir doch so, als wüßtest Du sehr genau, wie Du arbeiten möchtest. Das ist 'ne gute Sache.