serge
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Carsten Brocker sieht seine Promotionsschrift als die erste "musikwissenschaftliche Würdigung der Leistung von Kraftwerk" dar (siehe Widmung) – wäre es nicht die erste, hätte kein Grund bestanden, "endlich" zu schreiben. Das ist ein ziemlich hoher Anspruch, an dem er sich messen lassen muss.Aber die hier angemerkten Fehler sind m.E. extremes Nischenwissen bis nichtöffentliches Insiderwissen. So etwas zu entlarven kann ja nun wirklich nicht Teil der Prüfung einer Doktorarbeit sein.
Inhaltlich hat er sich mit seiner Arbeit das Ziel gesetzt, die Musik der Gruppe nicht nur unter kompositorischen, sondern auch unter klangästhetischen Gesichtspunkten zu betrachten, und dazu beschreibt er in großer Ausführlichkeit die bei jedem Album verwendete Musikproduktionstechnologie. Dabei geht der Autor soweit, aufgrund seines Höreindrucks zu entscheiden, ob bei einem Stück nun ein 24dB-Moog-Filter oder eher ein 18dB-EMS-Filter zum Einsatz gekommen ist (siehe Seite 144).
Sprich: Der Autor hat sich selbst dafür entschieden, diesen Bereich des "extremen Nischenwissens" ausführlich beleuchten zu wollen und zu einem Thema seiner Promotionsschrift zu machen – und anhand nicht zuletzt dieses Bereiches seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen, dass er selbstständig wissenschaftlich arbeiten kann (was ja der Zweck einer Promotion ist).
Und da finde ich es bemerkenswert, dass der Autor schreibt, ein Pitch-to-Voltage-Konverter würde die Lautstärke des Eingangssignal auswerten, und eine Filterbank hätte dem Polymoog seine Polyphonie verliehen. Am bemerkenswertesten finde ich es aber nach wie vor, dass der Autor einerseits die Flankensteilheiten von Filtern nach Gehör unterscheiden zu können glaubt, andererseits aber Sinus, Rechteck und Rauschen vermengt, weil er entweder seine Quellen nicht prüft, sich die fraglichen Stücke nicht genau genug angehört hat oder seinem Gehör nicht getraut hat – und dies, obwohl er unter anderem als Sound Designer tätig ist.
EDIT: Um es deutlich zu sagen – ich bin noch zu keinem abschließenden Urteil über das Buch gelangt, da ich bisher erst knapp die Hälfte davon gelesen habe. Die musiktheoretischen Aussagen des Autors zu den Stücken (z.B. harmonische Analysen) kann ich nicht überprüfen.
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