Ehemaliges Studio für Elektronische Musik des WDR

Ein Briefwechsel im 'Geiste der Zeit'

andreas hilsberg
6 frankfurt/m., d. 19. 10. 71
wiesenhüttenplatz 34
tel: 23 24 10


herrn
professor karlheinz stockhausen
5 köln
musikhochschule


sehr geehrter herr stockhausen,

in anschluß an donaueschingen habe ich eine frage an sie, die ich ihnen in der fürstenbergischen brauerei schon einmal stellte. durch ungenaue formulierung meinerseits und durch die zeitliche begrenzung der diskussion kam es zu einem mißverständnis.

ganz kurz möchte ich mich ihnen vorstellen: ich bin student der musik, germanistik und der materialistischen soziologie in frankfurt. mein spezialgebiet ist zielpublikumsgebundene komposition mit den mitteln der musik, der sprache und des theaters. in seminaren der musikhochschule habe ich mich mit einigen ihrer werke genauer befaßt.

meine frage an sie ist nun: wie sehen sie ihre komposition im spiegel der gesellschaft und welche auswirkungen gesellschaftlicher art kann die tatsache haben, daß ihre werke nur an eine spezifische schicht der bevölkerung verkauft werden? die masse der menschheit ist von ihrer musik ausgeschlossen: die masse gesellschaftliche werte schaffender arbeiter. ich meine damit keinesfalls - wie sie es verstanden haben -, daß von ihrer musik nicht viel verkauft wird; soweit ich es überschauen kann, sind sie der E-musikkomponist mit dem größten marktteil (unter den zeitgenössischen komponisten).

ich glaube, eine beantwortung dieser frage gefunden zu haben - sie ist aber ungeheuerlich.

woher weiß ich nun, daß arbeiter ihre musik nicht hören? einmal haben mir meine kontakte zu arbeitern und lehrlingen dies bestätigt - das würde auf die gesamtheit der arbeitenden weltbevölkerung jedoch noch wenig aussagen. eine andere - theoretische - erklärung ist besser: der arbeiter lebt in zwei welten:

seine arbeitszeit und seine freizeit. in der freizeit darf er nicht produktiv sein, sie ist dazu da, seine während der arbeitszeit verbrauchte energie wiederherzustellen. um ihre musik zu hören, muß der hörer jedoch selbst produktiv sein, und sei es gedanklicher art. aus dem aspekt der konsumhaltung ist ihre musik nun mal nicht zu verstehen. somit tritt der widerspruch auf, daß sie mit den produkten der arbeiter komponieren und produzieren (zb technische geräte etc.), aber nicht für die arbeiter komponieren. die arbeiter produzieren die gesellschaftlichen werte, die ihnen, mir und vielen anderen die möglichkeiten zu differenziertem leben eröffnen, sie selbst sind jedoch davon ausgeschlossen.

welche folgerung, meinen sie, ergibt sich nun daraus oder mache ich einen denkfehler? sie würden nicht nur mir, sondern auch vielen anderen studenten einen großen gefallen mit der beantwortung dieser frage tun. wir haben uns in der analyse festgefahren und könnten vielleicht mit ihrer antwort weiterarbeiten.

eine zweite überlegung habe ich noch zum thema der donaueschinger diskussion angestellt: es tauchte der widerspruch auf: forderung nach flexibilität des orchesterapparates und individualisierung des orchesterbetriebes gegenüber den finanziellen realitäten. sie sagen selbst, daß die entwicklung des orchesterapparates stocken muß, wenn die bisherige praxis beibehalten wird. ihre forderung an das orchester ist die einzig wahre und richtige, aber sie wird solange nicht durchführbar sein, wie sich die gesellschaftlichen produktionsverhältnisse nicht ändern. seit jeher war die kultur - kunst, religion und rechtsprechung - ein spiegelbild der gesellschaftlichen verhältnisse. so ists nun auch mit dem orchester . solange unsere produktionsverhältnisse streng geteilt sind in produzenten und konsumenten, in kapitaleigner und arbeiter, kann sich auch das schlimme orchesterwesen nicht ändern. die tendenz wird eher weiter in die richtung gehen, wie sie aus new york berichtet haben (ich meine jetzt die sache mit dem gewerkschaftsvorsitzenden am dirigentenpult).

sie haben nun das interesse artikuliert, diese verhältnisse zu ändern. ziehe ich die letzte konsequenz aus dem vorher gesagten, genauer gesagt: würden sie jetzt die konsequenz aus dem vorher gesagten ziehen, müßten sie ihren kaum übersehbaren riesigen einfluß auf das moderne kulturleben dazu benutzen, die gesellschaftlichen produktionsverhältnisse zu ändern und auch musik für die arbeiterklasse schreiben. erst dann wird sich ihre musikalische und außermusikalische forderung an den menschen schlechthin verwirklichen lassen.

dies ist die - von mir vorhin angekündigte - unheimliche lösung. ich sehe dies als einzigen ausweg, der ihrem in donaueschingen artikulierten interesse entspräche.

ich hoffe, mit meinen gedanken ihre zeit nicht übermäßig beansprucht zu haben - aber mit mir warten noch viele auf eine antwort von ihnen und wir wären ihnen dafür sehr dankbar .

ich grüße sie und ihre kinder, die ich in donaueschingen per augenschein kennengelernt habe und um ihren vater beneide, sehr herzlich

andreas hilsberg


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Karlheinz Stockhausen 5073 Kürten

2. November 1971


Sehr geehrter Herr Andreas Hilsberg,

Ihr Brief ist wirklich unerhört. Sie behaupten Dinge, die Sie vorher nicht geprüft haben. Ich habe in Osaka für ca. 1 Million Menschen meine Musik 5 1/2 Stunden pro Tag aufgeführt für 183 Tage. Das entspricht einer Konzerttätigkeit von 16 Jahren mit 70 Konzerten pro Jahr für ca. 1000 Personen am Abend. In Japan waren alle Bevölkerungsschichten im Auditorium, und selbstverständlich waren die allermeisten aus der Arbeiterschicht.

Die von Ihnen genannte >Masse der Menschheit< ist keineswegs von meiner Musik ausgeschlossen. Ich komme selbst aus der >Masse< und habe in meiner Familie nur Bauern und Arbeiter. Diese Menschen bemühen sich, soweit das ihnen von der musikalischen Begabung her möglich ist, auch meine Musik zu verstehen, und nicht nur Lehar.

Sie machen einen Denkfehler, wenn Sie annehmen, daß jeder Mensch potentiell dazu in der Lage sei, sich mit Musik zu befassen, wie ich sie mache. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die beliebig viel Zeit haben, und absolut nichts mir meiner Musik anfangen können. Das wird wahrscheinlich sogar für die allermeisten Menschen der Fall sein, deren musikalisches Interesse sich bei relativ einfachen und auf Wiederholung historischer Klischees beruhenden musikalischen Erzeugnissen am wohlsten fühlt. Ich bin vor kurzem in Wien in einer Aufführung der >Lustigen Witwe< gewesen. Wenn Sie sich das Publikum angesehen hätten, wären Sie erstaunt gewesen über den Wohlstand dieser Leute.

Deren Geschmack würde aber mit meiner Musik überhaupt nichts anfangen können.

Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, alles sei für alle auf dieser Welt.

Es gibt sehr arme Leute, die einen ausgezeichneten Geschmack und eine sehr musikalische und auch fortschrittliche Bildung haben, Und es gibt eine überzahl von Leuten der besitzenden Mittelklasse und vor allen Dingen von sehr reichen, die total geschmacklos und unmusikalisch sind.

Mein Publikum rekrutiert sich im wesentlichen aus den jungen Menschen in des ganzen Welt, die für die Zukunft offen sind. Ich sehe, dass Ihre Erziehung an der Universität Sie völlig weggeführt hat vom Verständnis für das, was Musik überhaupt ist. Sie werden sehr bald selbst prüfen können mir den Prinzipien Ihrer materialistischen Soziologie, was der ‚Arbeiter’ anfängt, wenn die Automatisation soweit fortgeschritten ist - und wir sind ja sehr nahe daran -daß diejenigen, die die Apparate produzieren, nicht nur 3, sondern 4 Tage pro Woche frei haben werden. Ich sage Ihnen jetzt schon im voraus, daß diese Arbeiter, obwohl sie dann 4 Tage pro Woche frei haben werden, wahrscheinlich x mal eine Reise zu irgendwelchen Fußballspielen machen und den Rest der Zeit vor Femsehempfängern verbringen werden; daß sie sich aber den Teufel scheren um Musik, wie ich sie mache. Das wird die Allgemeinheit betreffen. Einzelne Ausnahmen gibt es natürlich immer.

Sollten Sie aber darauf hinaus sein - wie vielleicht noch mehrere Ihrer Mitstudenten und Lehrer -, daß Sie Leute wie mich durch irgendwelchen ideologischen Druck zwingen wollen, Musik von einer Art zu machen, die mit relativer Vorhersehbarkeit jedem gefällt, so primitiv auch sein Geschmack ist, so sind wir wieder da angekommen, wo die Nazis schon einmal waren. Die haben ja nicht umsonst die meisten Komponisten und Künstler >entarteter Kunst< aus dem Land hinausgejagt und ihre Arbeit verboten. Deren Musik war eben auch nicht genug >populär<. Ob Sie das Ganze unter dem fadenscheinigen Namen einer materialistischen Soziologie vertreten oder einer nationalsozialistischen: das Ergebnis kommt ziemlich auf das gleiche hinaus. Wie Marcuse schon sagte: In den achtziger Jahren wird das Wort Kunst ein Schimpfwort sein. Und Sie sind eine der kleinen Ameisen, die zum Zerfressen des allgemeinen Bewußtseins von Qualität mit beitragen, ohne es zu wissen.

Freundliche Grüße trotzdem von Ihrem

Stockhausen
 
in obigen schriftwechsel wird eine freundliche frage gestellt und von der anderen seite unfreundlich zurückgemault.

dabei haben, wenn ich mir eine inhaltiche bewertung erlauben darf, beide seiten ihre idee nicht zu ganz ende gedacht:

der pseudomarxist teilt die menschen in produktive und unproduktive ein, und meint nur musik, die der arbeiterklasse zugänglich ist und zugänglich gemacht wird ist gut.

der andere meint gesellschaftliche fragen wie den klassengegensatz komplett ignorieren zu müssen und teilt menschen stattdessen in musisch-empfängliche und dumme banausen ein. dabei unterschlägt stockhausen witzigerweise, dass er zumindest nicht ausschließen kann, dass sich genau solche banausen durchaus oft in seinem publikum befinden - jedenfalls sicherlich nicht weniger häufig als bei herkömmlichen komponisten.

und selbstverstänldich darf dann auch in stockhausens antwort ein nazivergleich nicht fehlen, und wenn es nur ist, um uns nachfolgenden generationen später damit zu beweisen, dass es dazu keiner internetforen oder twitter bedarf.

für die geburt eines godwins sind zwei junge männer und zwei blatt papier vollkommen ausreichend.

beide, der pseudomarxist und der kleinbürgerliche apologet, verteidigen hier im kern nur das, was sie selbst so machen, ohne sich wirklich ernsthaft über die soziale bedeutungsproduktion ihres schaffens gedanken zu machen.

was ja in ordnung wäre - aber warum tut man dann immer so als ob?


es gibt viele stellen in der literatur, wo diese arrogante haltung der achse darmstadt-köln gegenüber andersdenkenden sich schon seit den fünzigern ähnlich und noch schlimmer äußert.

leute wie pierre boulez sollen ihre studenten regelmäßig angeschrien und beleidigt haben, und ihnen, anstatt ihnen raum für eigene entwicklung zu lassen, ihren kompositionsstil quasi aufgezwungen haben.

ligeti hat mal versehentlich sehr deutlich gesagt, um was es in der selbsternannten darmstädter schule geht: um das gefühl, zu etwas wesentlichem dazu zu gehören. (ich erinnere an dieser stelle an die analyse von @blauton)


noch schräger und entlarvender nur das sicherlich nicht ganz unbekannte folgende zitat von boulez:

"...dass jeder musiker, der die notwendigkeit der zwölftönigen sprache nicht erkannt hat, wir sagen nicht verstanden, sondern gründlich erkannt hat, unnütz ist."

dies ist nicht zu verwechseln mit einer eher scherzhaften öffentlichen auseinandersetzung zwischen philosophen und künstlern unterschiedlicher denkrichtungen.

boulez sagte, das, war wir machen, das nützt, und das was die anderen machen, die noch nicht bereit sind uns auf unserem weg zu folgen, die sind unnütz!

damit bewegt sich dieses zitat verdammt dicht an der sprache und dem duktus, die die NSDAP 20 jahre zuvor benutzt hatte, um eben diese wundertolle neue serielle musik zu "entarteter kunst" zu erklären und sie zu verbieten.

kann die lehre daraus wirklich sein, dass man sich nun (ich glaube das zitat ist von 1959) gegenüber anderen ebenso verhält?


vielleicht hat man mitte der fünfziger als junger mann keine andere wahl gehabt, als so zu fühlen und zu denken. vielliecht war es unvermeidbar, kaum war man wieder frei von der unterdrückung des eigenes schaffens, sich selbst auch neue feindbilder zu suchen, die man nun wieder selbst bekämpfen konnte.

aber besonders zielführend ist es nicht. weder gesellschaftlich, noch was das eigene, ganz persönliche künstlerische schaffen angeht.

wirklich krass finde ich, wenn man sich mal anschaut um welchen gegenstand es in diesem boulez zitat geht:

da gibt es also komponisten, die sich aus einer chromatischen 12 stufigen tonleiter 7 töne raussuchen, die sie dann mehr oder weniger ausschließlich benutzen um sie aneinanderzureihen.

und dann gibt es da einige andere, die als gegenentwurf dazu nun alle 12 töne dieses tonsystems verwenden, um damit ereignisse aneinanderzureihen um werke zu schaffen.

und wegen diesem winzig kleinen unterschied in der methode starten die einen nun einen krieg gegen das andere, ältere system, was vorher 400-500 jahre ganz gut funktioniert hat, bezeichnen es als minderwertig und die mehrheit der lebenden komponisten als "unnütz".

12 halbtöne statt 7! wie lächerlich ist das denn?


wie radikal anders war da 4´33´´!

wie radikal anders die impulse von beuys!

wie radikal anders ist die methode, die wir heute verwenden, wenn wir aus 5000 scala libraries nach dem zufallsprinzip ein tonsystem auswählen, um dessen notenwerte dann, nachdem wir sie vorher mit den wetterdaten von taiwan multipliziert haben, tausendstimmig zu setzen.


und ich habe abschließend jetzt auch das bedürfnis mal darauf hinzuweisen, dass 23-ton-systeme und komplexe polyrythmen auch schon lange vor 1959 in teilen indiens überall auf der straße zu hören waren.

einen scheiß seit ihr radikal und neu gewesen, ihr seid genau so kopisten gewesen wie wir heute, die euch folgen.
 
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Das habe ich an keiner Stelle so geschrieben. Außerdem sind deine, ich zitiere: "weltbekannten maler und komponisten" ja bekannt und berühmt und somit keine Versager.

du sprachst von menschen, die ihre stromrechung nicht bezahlen können. die hast du als versager bezeichnet und ihnen abgesprochen, werke der kunst zu schaffen.

frei nach dem motto, wer mit seiner arbeit nicht reich wird, dessen arbeit muss schlecht sein.

wenn du jetzt erst von der "gänsehaut" (also dem geschmack dritter) in den wirtschaftliche erfolg des schaffenden und jetzt schließlich seine "berühmtheit" als indiz für künsterische tätigkeit anführst, hast du dich damit nur von der einen unhaltbaren position in die nächste geflüchtet.

denn nach dieser logik ist der verarmte vincent von gogh nur deswegen ein künstler, weil seine bilder noch existieren. wären seine bilder dummerweise irgendwo verloren gegangen, wäre er für dich kein künstler.


genau nach dieser logik funktioniert doch stets die umdeutung, was nun wertvoll ist, und was nicht.

persil wäscht besser als dasch, was man ja schon daran sehen kann, dass es bekannter ist und mehr geld damit verdient wird.
blödsinn: es verkauft sich besser, weil mehr werbung dafür gemacht wird.


einerseits heißt es stockhausen sei bedeutender als lieschen müller - obwohl wir gar nicht wissen, was lieschen müller so macht - weil in stockhausens konzerte tausende leute gehen.

andererseits sagt stockhausen (s.o.) selbst, dass er einen scheiß drauf gibt, dass die beatles 400 millionen platten verkauft haben und er nur 2 - er sei trotzdem bedeutender, was man ja schon daran sehen könne, dass es eben nicht jeden gefällt - verzeihung, ich wollte sagen: weil es eben nicht jeder kapiert, weil seine werke einfach zu intelligent dafür sind um vom pöbel verstanden zu werden.

ja was denn nun: ist die marktstellung und der wirtschaftliche erfolg ein indiz für "kunst" oder nicht?
 
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Rucola-Salat-mit-Balsamico-Dressing-rucola1200.jpg


Jetzt haben wir den Salat.
 
das dilemma ist dabei, dass man sich gleichzeitig auch selbst entzaubert, wenn man das mit anderen tut.

aber diesen preis bin ich bereit zu zahlen.

und wie du richtig erkannt hast, kommt es letztlich nur darauf an, dass auch dieser prozess wiederum selbst ein kunstwerk wird. :)
 
UPDATE zum Thema Umzug.

er findet nicht statt, der WDR möchte einfach nichts damit zu tun haben..
Haus M schreibt dies:

„Studio für elektronische Musik“ ohne Zukunft
WDR nimmt das Angebot von Haus Mödrath nicht an

Seit 20 Jahren sucht der WDR erfolglos in Köln einen geeigneten Ort zur Unterbringung und Fortführung des Studios für elektronische Musik, das sich eben so lang im Souterrain einer Kölner Vorort-Industrieimmobilie befindet.
Karlheinz Stockhausen, einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, war prägende Figur des Studios und von 1963 bis 1989 dessen künstlerischer Leiter. Er kam 1928 in Haus Mödrath, Kerpen, zur Welt als dieses ein Wöchnerinnenheim war. Haus Mödrath ist heute eine Kultureinrichtung, in der vor allem in wechselnden Ausstellungen zeitgenössische Kunst der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Da es für das Studio keine Zukunftsperspektive gab, bot die Stiftung Haus Mödrath Im Frühjahr 2015 dem WDR die dauerhafte und kostenfreie Überlassung von Räumlichkeiten zur Unterbringung des Studios für elektronische Musik unter der Bedingung an, dass die Räumlichkeiten entsprechend hergerichtet und das Studio dort betrieben wird. Nach fast 5 Jahren lässt der WDR nun die letzte Annahmefrist kommentarlos verstreichen. Der WDR sieht sich nicht in der Lage, das Studio in Haus Mödrath zu betreiben und zwar auch dann nicht, wenn es mehrere Betreiberpartner gäbe und es den WDR selbst keinen einzigen Cent kosten würde, so der verantwortliche Dr. Bilstein, der als Liquidator in der WDR Verwaltungsdirektion tätig ist.
Das SEM, dass manche Kenner im Range eines Weltkulturerbes sehen, war das weltweit (!) erste elektronische Studio seiner Art. Die globalen Standorte der dortigen Apparaturen werden bei Wikipedia vergleichbar den Geigen von Stradivari aufgeführt. Der Jahrhundertkomponist Karlheinz Stockhausen war von 1963 bis 1989 Künstlerischer Leiter des Studios, erschuf dort weltberühmte Kompositionen und hinterließ dabei dem Studio auch selbstgebaute Musikapparate. Unschätzbare Impulse gingen in diesen Jahren von Stockhausen, dem Studio und dem Rheinland (Kraftwerk, CAN) aus und beeinflussten die gesamte weltweite Musikgeschichte (Elektro/Tecno) bis heute nachhaltig. Google (!) schaltete weltweit (!) am 18.10.2018 ein Doodle (Überschrift über Suchzeile) anlässlich des Geburtstages des Elektronischen Studios, das mehrere 100 Mio. Mal aufgerufen wurde.


Schade, nicht? Wer nicht das Glück hatte sich das anzusehen - es kann sein, dass sie es entweder weiter bei sich im Kohlenkeller stehen lassen oder die Sachen verschwinden im Müll.



https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1006702619692554&id=413390282357127


https://www.sequencer.de/blog/?s=WDR Hintergründe, Videos und Bilder..
 
Zuletzt bearbeitet:
schade, schade ...

Wer davon noch ein paar Bilder anschauen möchte, kann das gern hier tun.
Ich war insgesamt viermal dort:




 
Es ist nach den Informationen so schwer die Geräte offiziell raus zu geben oder auch nur pflegen lassen - das ist aus solchen institutionellen Gründen eher einfacher alles wegzuwerfen. Es geht da um die ganzen Werke und Original-Aufnahmen - für mich sind letztere von unschätzbarem Wert. Das Gear - naja, ist halt Gear.
 
Eieiei, was für ein Trauerspiel.
Gibt es denn keine Institution (aus dem Kulturbereich?), die sich des Themas mal in würdiger Form annehmen könnte?
Wenn ich es richtig verstehe, liegt es an der Finanzierung & entsprechenden Pflege, dass der WDR das Studio nicht ans Haus Mödrath übergeben möchte?
 
Formal gehoeren die ÖR uns allen. Wir finanzieren den Laden.

Die bekommen Jahr pro Jahr 8 Milliarden Euro.

Herr der Ringe 1 kostete in der Produktion 60 Mio Dollar.

1 Tatort kostet?
 
Haben die ja angeboten, offenbar reicht es nicht - siehe Text - und ich vermute, dass wegen der Allgemeinnützigkeit und so der WDR viele Dinge schlicht nicht machen darf, sie müssten das dann übergeben oder sowas.

Aber man stellt sich da halt wohl etwas an und jemand wird es verantworten, vermutlich will das keiner, deshalb stehen die Sachen lieber irgendwo - ich kenn so ein Verhalten aus großen Behörden, die sichern sich immer ab, die wollen eben nicht schuld sein oder bestraft werden, selbst wenn es sinnvoll wäre das so zu tun.

Ggf ist einem nicht zu vermitteln, wieso so ein "Nerdzeug" wertvoll ist und von der GEZ finanziert werden soll, selbst wenn sie es eben nicht finanzieren, weil die es nur rumstehen lassen oder auch nicht pflegen, weil kostet und weg-geben geht auch nicht, weil wäre ja Schenkung, geht auch nicht.

Das ist ein echtes Problem für solche großen Läden mit diesem Auftrag.
Ich wäre auch sauer wenn ich ein Fußballmuseum finanzieren muss, auch wenn das Allgemeingut ist.. Die meisten finden das sicher vollkommen egal, was damit passiert. Andere vollen den Laden ganz weg haben und dritte hoffen auf Kultur only, gibt genug RTLs für den Rest.. aber - das ist eben so. Beherzt ging vermutlich hier und da auch was.
 
WDR-Pressemitteilung vom 24.07.2017:
"...
Dazu ist der Umzug der zum Teil einzigartigen historischen Geräte in ein Nebengebäude des Hauses Mödrath („Räume für Kunst“) bei Köln geplant. Der WDR hat eine entsprechende Offerte der Stiftung Haus Mödrath angenommen und erarbeitet derzeit gemeinsam mit Fachvertretern ein Nutzungskonzept.
...
Anfang dieses Jahres hatte sich auf Initiative des WDR ein Projektkreis gegründet, der die Trägerstruktur und das Nutzungskonzept für das Studio entwickeln soll. Ihm gehören neben dem federführenden WDR und der Stiftung Haus Mödrath weitere Vertreter maßgeblicher Einrichtungen der elektronischen Musik sowie der Kunst- und Musikhochschulen des Landes NRW an. Weitere Institutionen und Organisationen sind eingeladen, sich an der Ausarbeitung der Trägerstruktur und des Nutzungskonzepts des Studios zu beteiligen."

Was ist denn aus dem Projektkreis geworden?
Gibt es von ihm eine Stellungnahme bzw. wie weit ist die Trägerstruktur und das Nutzungskonzept ausgearbeitet?

 
Haben die ja angeboten, offenbar reicht es nicht - siehe Text - und ich vermute, dass wegen der Allgemeinnützigkeit und so der WDR viele Dinge schlicht nicht machen darf, sie müssten das dann übergeben oder sowas.

Aber man stellt sich da halt wohl etwas an und jemand wird es verantworten, vermutlich will das keiner, deshalb stehen die Sachen lieber irgendwo - ich kenn so ein Verhalten aus großen Behörden, die sichern sich immer ab, die wollen eben nicht schuld sein oder bestraft werden, selbst wenn es sinnvoll wäre das so zu tun.

Ggf ist einem nicht zu vermitteln, wieso so ein "Nerdzeug" wertvoll ist und von der GEZ finanziert werden soll, selbst wenn sie es eben nicht finanzieren, weil die es nur rumstehen lassen oder auch nicht pflegen, weil kostet und weg-geben geht auch nicht, weil wäre ja Schenkung, geht auch nicht.

Das ist ein echtes Problem für solche großen Läden mit diesem Auftrag.
Ich wäre auch sauer wenn ich ein Fußballmuseum finanzieren muss, auch wenn das Allgemeingut ist.. Die meisten finden das sicher vollkommen egal, was damit passiert. Andere vollen den Laden ganz weg haben und dritte hoffen auf Kultur only, gibt genug RTLs für den Rest.. aber - das ist eben so. Beherzt ging vermutlich hier und da auch was.


Die hocken da im WDR wie die Made im Speck, kein Wunder das sich da nix regt! Sorgenloser dekadenter Wohlstand macht traege und damit mein ich die Verantwortlichen beim WDR.

Ich glaub sehr wenige Intendanten haben einen kulturellen Bezug bzw eine evtl geisteswissenschaftliches Studium absolviert.

Das sind vermutlich spiessige Buerokraten und kallkulierende Betriebswirte mit Machtanspruch in ihrer Abteilung. SesselFurzerAlphas. ???

Fuer solche Leute ist das Studio Konvolut und musikkulturelles Erbe vermutlich einfach nur ElektroSchrott odercSchnee von gestern.

Es ist hipp was im Sommergarten laeuft.
 
Was ist denn aus dem Projektkreis geworden?
Gibt es von ihm eine Stellungnahme bzw. wie weit ist die Trägerstruktur und das Nutzungskonzept ausgearbeitet?

und warum gründet man überhaupt einen projektkreis, wenn nachher dann aus formalrechtlichen gründen kooperationen oder verkäufe eh kaum möglich sind?
 
Zum Betreiben benötigt man für Jahrzehnte mindestens drei Planstellen: Tontechnik, technischer Service, Kurator. Wer ist in der Lage, diese Aufgaben seriös auszufüllen und wer kommt dafür finanziell auf?
 
ich bin mal ganz naiv jetzt:

wenn es in der vergangenheit ging, dann geht es auch in der zukunft. der rest ist nur eine frage des wollens.

natürlich kosten miete, hausmeier und versicherung geld, und rundfunkanstalten sollten mit ihrem geld eigentlich nur rundfunk machen (und keine museen betreiben)

aber was rundfunkanstalten ja umgekehrt immer dürfen, ist wirtschaftlich tätig sein um gewinne zu erzielen. man könnte also einfach 1 euro eintritt nehmen und schon ist das museum eine firma.

die andere alternative wäre, bilder aus dem museum 24/7 im internet zu streamen. dann ist es eine rundfunksendung.
 
man könnte einen tatort darin drehen: wer hat das filter gestohlen? oder heisst es der filter? und was haben die illuminaten damit zu tun?
 
  • HaHa
M.i.a.u.: oli
Mir wäre nur wichtig, dass das keine Diskussion um GEZ oder Sinn und Unsinn irgendwelcher Sendungen im TV ist, dafür haben wir ja einen Thread. Nichts dagegen, aber mir geht es hier um das WDR Studio und den Werken die dort aufgenommen wurden, konnte da ja selbst reinhören - spannend war das!

Was Dirk sagt ist natürlich sinnvoll, ggf. kann man das auch in Personalunion machen, und 1-2 Ersatzpersonen und Nachwuchs.
Aber - ich stelle mir vor, dass das gar nicht vom WDR gemacht wird sondern von anderen und die Sachen und die Sache selbst würden dann dort gezeigt. Sowas ist seltenes Gut. Also schwer zu bekommen. Und wer das finanziert? Naja, ich erwarte nicht mal, dass das die Allgemeinheit tut, aber _ diese kümmert sich auch um Zeug wie Fußball und dennoch kann man natürlich abwägen, was an Kultur wichtig ist und wo andere das bereits tun .. ist aber nicht das Thema - wichtig wäre - wie kann man den Geist und die Idee des WDR-Studios erhalten oder sogar vermitteln? Idealerweise wäre das natürlich so und man kann sich die Werke anhören. Frei aber nicht "zufällig" wie ausgestopfte Bären gucken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erinnert mich nicht gering an das alte "Fuhlrott-Museum", welches vom Finder/Entdecker des Neadertalers in's Leben gerufen wurde und welches nach langer Zeit und gewisser Erkentnisse schließlich einen einmaligen, unschätzbaren Wert darstellte.
Doch am Ende verkam einfach alles und so gab schließlich auch ein privater, ehrenamtlicher Verein auf, -dies alles aufrecht zu erhalten und weiterhin zugänglich zu machen.
(Heute sind lediglich ein paar letzte zerpflückte Reste hier und da verscherbelt worden und irgendwo gelandet.)

Ok. abweichend, aber irgendwie wiederholt sich wieder und wieder, diese Art von "Wertschätzung und Bedeutung".


Mich hat das Studio immer fasziniert und ich habe es sehr gerne besucht und spannende Erinnerungen daran.

-Glück auf! Und Cheers!
 


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