Diskussion über die Gründe warum Hardware-Synths in der Steinzeit stehen geblieben sind

Ja, FM-Synthese ist schwierig ohne Presets. Aber first things first. Ich bin eigentlich ein Fan davon, mit Schülern erst einmal von den Anfängen der elektronischen Musik/Klang-Synthese auszugehen. Daher finde ich auch den Erica Synths Bullfrog mit seinem didaktischen Konzept durchaus gelungen, denn da werden sozusagen die Elemente eines Studios für elektronische Musik der 50er-Jahre zusammengeführt in einem kleinen Gerät auf semi-modularer Basis.

Das führt jetzt aber etwas vom Thema weg.

Hier geht es ja darum, warum heute angeblich alles doof und total rückständig ist. Ist es nicht.

Wenn es Instrumente gibt, die die Historie mit einbeziehen, ist das aus meiner Sicht begrüßenswert. Es gibt auch genug Instrumente, die sehr fortschrittlich konzipiert sind.
 
Ohne jetzt auch nur annähernd einen vollständigen Überblick über die aktuellen Hardware-Synthesizer zu haben:
Ich glaube, es gibt derzeit ein paar "Trends", bei der Neuentwicklung von Synthesizern.

Retro: Längst nicht mehr produzierte Maschinen aus der Jugend der Käufer (inkl. emotionale Bindung an die damit gespielte Musik) wieder auferstehen lassen. Das sind dann auch ganz "einfache" Kisten, weil sie die einfachen (aber gut klingenden) Kisten der 70er und 80er Jahre nachbilden. Moog Reissues, Korg macht einiges, Roland als Digitalversion und allen voran im Budget-Bereich Behringer. Wer's teurer und aufwändiger mag, greift zu Moog, Oberheim, Sequential.

Kleine, günstige und praktische Spezialisten: Das verspricht viel Absatz, weil preiswert und ist auch im kleinsten Bedroom-"Studio" noch unterzubringen. Können ebenfalls nicht viel, erwartet aber auch keiner, dafür zum Teil recht speziell und kreativ. Die kleinen Korg-Volca-Spielzeuge, aber auch die Minilogue, Modwave usw., die Teenage-Dingsies (ok, oft nicht ganz so günstig), die Yamaha-Refaces.

Kisten für "Standard-Sounds": Für Live-Musiker, die vielseitig sein müssen, aber eher "Brot & Butter"-Sounds brauchen. Vorreiter sind die Nord-Keyboards, die von Orgel, Klavier bis Synth alles an Bord haben, was ein Bierzelt-Musikant so brauchen kann. Etwas weiter gedacht die aktuellen Workstations: größer, teurer, aber ähnliches Konzept. Geht dann irgendwann über in Dinge, die z.B. Hersteller von Werbe-Jingles oder ganz einfacher Filmmusik brauchen. Und er's ganz edel möchte, nimmt einen Oasis (oder Nachfolger) für seine Live-Standardsounds.

Modular: Tatsächlich ein "Trend" und für Hersteller eine tolle Sache: Man muss selber nicht mehr alles abdecken, weil es trölf Zillionen anderer Hersteller gibt, die sich kombinieren lassen. Für "Bastler" und "Klangforscher". Aber in vielen Fällen auch einfach Nachbauten von Jahrzehnte alten Konzepten.

Die Hardware ist der Rechner: Plugins sind natürlich eher das Gegenteil von Hartdware-Synthesizern. Aber die Controller-Keyboards von z.B. Arturia oder NI versuchen zumindest, das vergessen zu lassen. Ist für die Leute, denen Workstations zu begrenzt sind (Speicherplatz, Bildschirm) und die (meistens) nicht live spielen müssen/wollen.

Innovative Ansätze: Ja, es gibt ein paar Hardware-Hersteller, die ganz neue Wege beschreiten wollen. ASM mit ihrer digitalen Klangerzeugung und poly-AT-Keyboards. Haken, wer sich's leisten kann, bekommt ein tolles instrument. Waldorf Quantum vielleicht (der gehört zum Teil auch in die "Retro"-Kategorie).

Bestimmt habe ich wichtige aktuelle Maschinen übersehen, aber ich glaube schon, dass derzeit halt eher Spezialisten gebaut werden, um ganz bestimmte Bedarfe abzudecken.

Andreas
 
8OP-FM ohne Presets. Ein Yamaha FS1R mit leeren Presets für die Schule. :sowhat:
Inkl. Formant-Filter oder welche "Extras" waren da nochmal obendrauf? ;-)
Das mit dem Formant Filter ist der Kawai K5000 gewesen, aber für bis zu 6 additive Sources (ist sowas wie ein Partial/Tone etc, bei manchen Romplern) kann das auch 'ne Menge Arbeit machen. Beim FS1R kann man die Formant Frequenzen und Bandbreite pro Operator mit so 'ner Pseudo Bandpass Operator Wellenform getrennt einstellen.
 
Waldorf Quantum vielleicht (der gehört zum Teil auch in die "Retro"-Kategorie).
Nein, meiner Meinung nach eigentlich nicht, da der Quantum ja alle gängigen Synthese-Mehtoden parallel zur Verfügung stellt. Du kannst FM mit Wavetable mit Subtraktiv kombinieren oder Samples traditionell oder granular mit Resonator usw. ... Das ist meiner Meinung nach schon der "vollständigste" Synthesizer seit Jahren - vielleicht sogar aller (bisherigen) Zeiten.
 
Beim FS1R kann man die Formant Frequenzen und Bandbreite pro Operator mit so 'ner Pseudo Bandpass Operator Wellenform getrennt einstellen.
Ach so, "Formant Shaping" war die Bezeichnung dafür, und "FS" in der Modell-Bezeichnung von FS1R steht wahrscheinlich für
Formant Shaping.
FM-Synthesizer könnte man evtl. auch interpretieren.
Außerdem gibt es im FS1R
Formant Sequences.
:doc: :sowhat:
 
Ok, "FS-Technologie" beinhaltet wohl beides – "Formant Shaping" und "FM-Synthesis":
:arrow: https://www.sequencer.de/synthesizer/threads/15623/post-185758 :)
Glücklicherweise, weil ich die Operatoren im Formant Mode gerne in der FM einsetze, wird auch bei den Factory Presets gerne mal als Ersatz für weitere Feedbacks/Obertöne eingesetzt. Ich durchfahre mit ihnen die Harmonischen um im Zusammenspiel mit der FM mehr oder weniger mein Ding zu machen ;-) mehr oder weniger so wie ich das später auch beim Virus Ti, Surge XT oder Ultranova etc. mache 🤨
 
Bald ist der 1. April. Da könnte ich z.B. einen Yamaha FS2x ankündigen. :sowhat: Das würde dann der Nachfolger von FS1R als 61er Tastatur-Version sein. Mit größerem Bildschirm als beim FS1R. Was würden wir uns dadrin und dadran sonst noch so alles wünschen? Mehr als 4-fach multitimbral? :sowhat:
 
Formant Operatoren als Update für das FM-X des Montage M ;-)
 
Ich kann nur für mich sprechen: In meinem Studio nutze ich Hardware und Software auf Augenhöhe. Es gibt auf beiden Seiten keine Vorbehalte. Ein gutes Plugin kann mich genauso faszinieren wie ein guter Hardware-Synth. In erster Linie zählt bei einem Synth für mich die Idee, der Sound und die Haptik. Wenn es irgendwo Probleme gibt, ist die Liaison selten von Dauer.

Hardware mag ich vor allem wegen der Autarkie und der Haptik. Musik lebt bei mir von Inspiration und neuem Input - sonst drehe ich mich im Kreis. Ein neuer Synth bringt mir sehr viel neuen Input und auch die Beschäftigung mit dem Gerät inspiriert mich oft zu neuen Sequenzen und Tracks. Eine Hardware ist da meist deutlich nachhaltiger, als ein Plugin. Es gibt tonnenweise Plugins da draußen und manchmal hat es schon etwas von Beliebigkeit. Dennoch gibt es viele Plugins, die ich liebe und regelmäßig einsetze - den Microtonic, ANA2, Zebra, Pigments. Der neue Synthmaster 3 ist auch so eine Bombe, bei der man erstmal durchsteigen muss. Das kann keine Hardware.

Generell mag ich eher Charakter-Instrumente, als Brot-und-Butter-Geräte. Vor allem hardware-seitig versuche ich ein Setup zusammenzustellen, das möglichst viel abdeckt. Ansonsten wiederholt man sich. Die Inspiration lebt davon Neues kennenzulernen, aber auch die Zugänglichkeit spielt für den Kreativprozess eine große Rolle. Mit dem System-1 z.B. hat man sehr einfachen Zugang zu klassischen analogen Roland-Sounds. Hier steht ein SH-101 und ein JX8P - tolle Analogsynths - für mich haben beiden Geräte aber Nachteile, die mich im Studio-Alltag ausbremsen. Ich mag die gern mal rausholen, in puncto "Workhorse" hat der System-1 jedoch ganz klar die Nase vorn.

Das ist für mich der entscheidende Vorteil der Hardware: Ich kann einfach direkt am Sound drehen und habe ein haptisches und akustisches Feedback. Das gibt mir einfach mehr, als ein Plugin. Da geht das virtuell, aber man kann den Sound nicht anfassen. Ich habe einen BCR-2000, der im Prinzip alle Parameter eines Plugins am Controller bereitstellen könnte, aber es ist super fummelig und wenig intuitiv. Da versackt dann irgendwo die Motivation im Sand.

Die meisten Controller finde ich sagenhaft kreativlos - einfach 8 oder 16 Potis, 8 Fader - komplett ohne Anzeige, Display und Darstellung. Ich müsste quasi 24 Potis bewegen, damit die Paramtersprünge abgefangen sind. Und dann weiß ich immer noch nicht, welche Werte auf den Potis/Fadern liegen. Gäbe es mehr gute Controller, würden sich Plugins besser in der haptischen Welt behaupten.
 
Ich müsste quasi 24 Potis bewegen, damit die Paramtersprünge abgefangen sind.
Parameter Morphing, Macros etc. zumindest mach ich das so, mehrere Poti/Controller etc. die mehrere Parameter gleichzeitig bewegen, möglichst 4-8 davon und du kannst für den jeweiligen Sound gleich die Grenzen der Parameter und bei manchen Synths noch 'ne Kurve pro Verknüpfung/Matrix-Eintrag festlegen.
 
Begrenzte Speicherplätze, keine Multitimbralität, kaum Modulationsmöglichkeiten, alter Wein in neuen (undichten) Schläuchen etc.

Nehmen wir mal was halbwegs aktuelles wie den ASM Hydrasynth Deluxe:

1.) 5 Bänke a 128 Patchtes sind IMHO nicht schlecht, aber theoretisch könnte sicher mehr gehen.
2.) Bi-Timbral bei 16 Stimmen scheint adäquat, aber zumindenstens 3-4 Multi-Parts würden IMHO auch bei 16 Stimmen Sinn machen.
3.) 32 Mod. Routings und jeweils fünf LFO's und 5 Hüllkurven ...dagegen war mein Ex Korg Z1 eher schwach. *hahahaha*
4.) "Wavemorphing" /Wavetable Synthese ist sicher nichts neues, aber wird beim Hydrasynth halbwegs komplett "serviert"
 
Gründe warum Hardware-Synths nicht alle Wünsche für jeden abdecken können ist ja der Grund sich dem zu stellen was man eigentlich will und braucht.
Dann schaut man was es gibt und kombiniert.... Es ist doch ALLES möglich heutzutage.
Geht nicht - gibts nicht oder man sieht es nur nicht.
Die Eierlegende Wollmilchsau ist Fantasie und braucht kreative Lösungen dann gibts die auch.... Heutzutage.
 
Es ist halt auch so einfach und sehr bequem, die (eventuelle) eigene Beschränkung / Unfähigkeit / Rückständigkeit auf das Werkzeug zu projizieren.
 
Es ist halt auch so einfach und sehr bequem, die (eventuelle) eigene Beschränkung / Unfähigkeit / Rückständigkeit auf das Werkzeug zu projizieren.
Ich stehe zu meiner Unfähigkeit , und ich werde sicher niemals alle Parameter des Korg FM2 begreifen, und ich habe auch nur Ansatzweise eine Ahnung was im Microfreak eigentlich vorgeht , und deswegen freue ich mich SEHR über ein bisschen Display und Speicherplätze .

Und die Auswahl am Markt ist zum Glück so groß daß ich trotz beschränktem Budget mehr von dem Gerümpel besitze als ich effektiv verwende . Trotzdem wundere ich mich über manche skurrile Neuerscheinung, immer wieder .
 
Ich verstehe den Wunsch nach klassischen Synths (aka "Steinzeit"), einfach weil man einige der klassischen Sounds liebt und 1:1 reproduzieren möchte.
Aber im Bereich Modular gibt es doch sehr viel Innovatives... da lechzen die Leute nach Neuem und für die Hersteller eines Moduls ist das Risiko eben nicht so hoch, verglichen damit, einen Komplett-Synth entwickeln und vermarkten zu müssen.
Menschen mit experimentellen Neigungen greifen wohl eher zu Modular, wer es weniger flexibel, aber einfach bedienbar mag, greift zu einem normalen Hardware-Synth.
Oder man lebt die eine Seite hier aus und die andere dort?
An multitimbrale Geräte mit dem zugehörigen Gefrickel erinnere ich mich aus den 1990ern mit Grauen. Ohne Steuerung aus einer GUI am Rechner heraus macht das doch keinen Spaß.
Bei komplexen Dingen setze ich auf den Rechner, weil dort Experimentelles leichter/billiger zu haben ist als bei Modular und weil Multitimbralität durch mehrere Instanzen eines Plugins jederzeit zu haben ist.
 
Flexibler mit Modularsystem ?
Derzeit spielen wir drei Tracks und ich kann ALLES innerhalb von ein paar Sekunden umschalten, inclusive Gesang und Gitarrensound . Das finde ich gut und zeitgemäß .
 
Vielleicht ist es ja mit den Synthesizern ähnlich wie mit der Innovation bei der Musik insgesamt. Nicht jede Innovation setzt sich durch, und die Bereitschaft des Musikers / des Hörers für radikal Neues ist begrenzt.

Oder warum machen wir hier nicht alle so Sachen wie Zwölftonmusik im 11/12-Takt mit Additiver Synthese auf der Linux-Kommandozeile? Free Jazz mit analogen Rauschbändern, gesteuert mit Breathcontrollern und Drumpads?
 
Wenn ich jede CutOff Nuance in einem neuen Patch speichere, bekomme ich 128 Speicherplätze auch in einer Stunde voll.

Masse ist nicht Klasse.

vielleicht bist zu einfach zu langsam für geräte mit viel speicherplatz. :)


quizfrage: wenn man pro song 3 sounds in seinem lieblingssynthesizer macht, und man macht 3 songs pro monat, für wieviele jahre langen dann 32 bzw. 128 speicherplätze?

antwort: bei 32 speicherplätzen sind es 0,29 jahre und bei 128 sind es 1,18 jahre.


also mein ältester allround synthesizer, den ich aktiv bepresetted habe ist 31 jahre alt.

für den microwave habe ich nach einem halben jahr mehr als 2000 patches in der library gehabt. im atari natürlich.

wobei man dabei ja jetzt noch berücksichtigen muss, dass man bei vielen geräten jetzt dadurch auch alle werkspresets bereits mitüberschrieben hat. was man auch nicht unbedingt immer will.


für die presetschleuder wavestation gibt es alleine mindestens 100 kommerzielle karten a 32 presets. davon kann man aber maximal 2 gleichzeitig ins gerät laden. mega unpraktisch.

für die konkurrierende presetschleuder kurzweil 2500 hingegen konnte man sogar speicherplatz-upgrades kaufen um von 256 auf 1024 preset plätze zu kommen. und die leute haben das gekauft.
 


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