Die sieben Todsünden der Elektronischen Musik

Elektrokamerad schrieb:
Im Zusammenhang mit diesem Forum von "Werk" zu sprechen, ist schon recht armselig. Bisher ist mir hier auf jeden Fall Musik, die diese Bezeichnung verdienen könnte, nicht untergekommen.
Nicht das ich da wiederspreche wollte... :)

Elektrokamerad schrieb:
"Tracks" passt sicherlich besser, sind die Beispiele durch die Bank doch maximal als "Spuren", d.h. als ein Teil eines möglichen Musikstückes zu verstehen, die allein gestellt recht wenig mit fertiger Musik gemeinsam haben...
...aber wo ist die Grenze zwischen einen Track und einen Werk? Es gibt ganz offensichtlich doch objektive Kriterien um Musik zu beurteilen. Was wenn man als Musikschaffender damit bewußt brechen will? Gibt es Techniken die unkünstlerisch sind? Zeugt Wiederholung tatsächlich von reiner Einfallslosigkeit?

Bitte keine Zitate, Links. :)
 
@ Elektrokamerad

Also Unter einem "Werk" verstehe ich z.B. so etwas wie all das was einer Gemacht hat. Bei einer CD, also bei mehreren Musik Stücken mag das wohl auch noch hin hauen, oder irgendetwas woran jemand Jahre dran gesessen hat (meist mehrere Musik Stücke), aber bei einem einzelnen Track? Ein Werk ist für mich heute jedenfalls etwas größeres als irgendein einzelner Track aus welcher Musik Richtung auch immer.

Um das mal deutlicher zu machen wie ich das meine. Wenn ich irgendwann mal alle meine Drones die ich mag auf 2 CDs brenne, damit abgeschlossen habe und mich anderem widme, dann wäre das ein Werk für mich, aber ein Einzelteil ist für mich kein Werk mehr. Oder, wenn ein Tischler vorhat einen Tisch zu machen und dazu 4. Stühle, dann ist, wenn er bisher nur einen Stuhl gemacht hat das kein Werk für mich, sondern es ist erst eines, wenn er die 4. Stühle und den Tisch fertig hat.
 
Als "Werk" sehe ich ein eigenständiges Musikstück an, das aus unterschiedlichen, sich in Beziehung bestehenden musikalischen Ereignissen in der vertikalen Ebene und einer Entwicklung dieser auf der horizontalen Ebene, besteht. Ein Track ist danach eine Spur auf horizontaler Ebene, in diesem Zusatnd noch kein eigenständiges und vollständiges Musikstück. Die bewusste Reduktion auf wenig bis gar keine Schichtung und wenig bis gar keine zeitliche Entwicklung, mag vom Komponisten so gewollt sein und als Sonderfall einer minimalen Musik gelten, ist jedoch in seinem Form- und Entwicklungsmangel bis auf ganz wenige Ausnahmen eher dem kompositorischen Dilletantismus zuzuordnen. Nein, ich habe nicht Musikwissenschaft studiert.
 
Zeitliche Entwicklung muss schon sein, dachte nicht das man das hier noch extra erwähnen muss. Die Reduktion auf schnöde Schichtung überlasse ich lieber den Leuten mit ihren sklavisch am Metronom ausgerichteten Musik. Manche würden sich sicher auch auf den antiken Kriegsschiffen, wo der Mensch an der Trommel den Takt der Ruderer angibt, wohl fühlen. Du solltest schleunigst etwas trinken, oder ist der Weißwein alle? Das Ganze führt eh nur zu unnötiger Laberei die eh im Nichts endet.
 
Schichtungen von Ereignissen sind nicht per se schnöde und haben auch nichts mit einem Metronam zu tun. Sicherlich ist es aber richtig, dass sie sich zeitlich an anderen Ereignisse origientieren, sollte die Komposition nicht in Richtung "Beliebigkeit der klangereignisse im zeitlichen Verlauf" gehen.
 
Das sehe ich auch so, also das "Beliebigkeit der Klangereignisse im zeitlichen Verlauf" nicht sein sollte. Manchmal ist mir das aber auch nicht so wichtig, aber vielleicht sollte es so sein. Ich werde darüber nachdenken.
 
Bilthoven_sm.jpg

Bilthoven studio 1964: from left to right: Klaus Gorter, G.M. Koenig (sitting) and Jaap Vink.

Gelungenes Beispiele für eine zeitliche Entwicklung (horizontale Ebene) und vertikale Ebene (Schichtung) sind meiner Meinung nach die Komositionen "Screen von Jaap Vink und "Textuur" von Frits Weiland.


Biede Stücke sind in ihrer klanglichen Stimmigkeit und kompositorischen Konsequenz zeitlos. Ja, es geht auch ohne Basedrum und Rumhopserei.
 
Klangschichtungen wie im ersten Beispiel findest Du aber auch in der "Ambient"-Musik,
die gelegentlich mit Gedudels abgetan wird.
 
Mir ging es in meinem Beitrag um den Unterschied zwischen "Werk" und "Track".
Weder Klangschichtung noch Entwicklung im zeitlichen Verlauf sagen etwas über die Musikrichtung noch die musikalisch-kompositorische Qualität aus.
 
Das Resultat von Arbeit als Werk zu bezeichnen geht aber auch und ich denke so hat Schneefels es wohl auch gemeint.
 
Kann man das Resultat jedweder schöpferischer Tätigkeit nicht auch als Werk bezeichnen? Ich denke schon, denn ob das Resultat nun ein Tontopf oder eine Ton/Klang-Folge ist dürfte wohl belanglos sein.
 
danke, illya :) so ist das auch zu verstehen. "werk" habe ich bewusst als allgemeinen und recht wertneutralen terminus gewählt, der keinem bestimmten topos zugeordnet ist, einfach als resultat von arbeit/schaffen. "blickt zufrieden auf sein tageswerk" kann auch jemanden beschreiben, der einfach seine wohnung aufgeräumt hat, ebenso wie jemand der ein respektables stück lyrik verfasst hat.

http://de.wikipedia.org/wiki/Werk

hab auch keine lust auf haarspalterei, was das betrifft.

Schneefels
 
Schneefels schrieb:
hab auch keine lust auf haarspalterei, was das betrifft.

Was? Das geht aber nicht. Hier werden die Haare mindestens XX fach gespalten und dann hat man ja noch das andere Ende des Haares.. :mrgreen:
 
Ändert nichts an der Tatsache, dass gewisse vorgestellte Tracks großer Mist ohne jedwede künstlerische Relevanz sind. Die Chance, diese wenigstens als Layout für zukünftige Werke aufzufassen, wurde verwirkt. Wer rastet, der veruerzt.
 
Elektrokamerad schrieb:
Ändert nichts an der Tatsache, dass gewisse vorgestellte Tracks großer Mist ohne jedwede künstlerische Relevanz sind. Die Chance, diese wenigstens als Layout für zukünftige Werke aufzufassen, wurde verwirkt.
Da bitte ich doch mal um ein Beispiel, mit Link, denn es könnte ja für den ein oder anderen hier hilfreich sein und aus dem "Mist" und der eventuellen späten Einsicht dann doch noch etwas daraus werden. Schaden tut das ja wohl auch kaum, denn hier geht es ja nur um Musik. Kannst auch gerne etwas von mir nehmen, wenn du da etwas als Mist an siehst, ich bin mit ausreichend Export gerüstet.

Nachtrag:
Ich glaube zwar jetzt zu wissen was du meinst, aber glauben ist ja nicht wissen. Mach mal.
 
Illya F. schrieb:
denn ob das Resultat nun ein Tontopf oder eine Ton/Klang-Folge ist dürfte wohl belanglos sein.
Bei den Werken aus dem "Kreativ Töpfern in der Toscana"-Kurs kann man sich wenigstens sicher sein, das sie Ton als Substanz haben. Und in besonders schweren Fällen kann man die Schöpferin mit dem Machwerk erschlagen! Eine Genugtuung, die der Laborelektronik, deren Folterschreie beschönigend elektronischen Musik genannt wird, leider versagt bleibt.
 
danielrast schrieb:
Es gibt ganz offensichtlich doch objektive Kriterien um Musik zu beurteilen.
Welche denn?
Das Bohlen Kriterium (=es hat Erfolg) wird ja durchaus und nicht völlig zu unrecht bezweifelt, und ansonsten wird da nur Eminenz zu Evidenz erklärt.

danielrast schrieb:
Was wenn man als Musikschaffender damit bewußt brechen will?
Dann solltest du vor allem damit rechnen auf die Schnauze zu fallen. (Ist immer so wenn man neues macht, auch wenn einige Künstler da mit einer Sledge Hammer Attitüde erstaunlichen Murks verkauft bekommen. )

danielrast schrieb:
Gibt es Techniken die unkünstlerisch sind?
Zufall. Zumindest im Kern des Entstehungsprozesses führt der zu hirnlosen Werken, die niemals über das musikalische Äquivalent eines Rohrschachtests hinauskommen.
(1.Ausprobieren. 2.Anhören. 3.Klingt nach hirnlos zusammengeklatscht. Goto 1. Irgendwann dann entscheiden, dass das Leben zu kurz für eine Endlosschleife ist und feststellen, dass der Marketing-Trick das mit intellektuellem Getue zu verkaufen, von den elektronischen Musikern schon verbrannt wurde. )

danielrast schrieb:
Zeugt Wiederholung tatsächlich von reiner Einfallslosigkeit?
Ich finde nicht, fehlende Wiederholung zeugt mir eher von einer fundamentalen Fehlkonzeption menschlicher Wahrnehmung. Ist m.E. ein ähnliches Missverständnis wie das mit dem negativ konnotierten Schubladendenken - ohne Schubladendenken würde aus dem Wunder der Wahrnehmung gleichförmige Informationsüberflutung ohne jedes Verständnis.
 
Fetz schrieb:
Bei den Werken aus dem "Kreativ Töpfern in der Toscana"-Kurs kann man sich wenigstens sicher sein, das sie Ton als Substanz haben. Und in besonders schweren Fällen kann man die Schöpferin mit dem Machwerk erschlagen! Eine Genugtuung, die der Laborelektronik, deren Folterschreie beschönigend elektronischen Musik genannt wird, leider versagt bleibt.
Halte es für wichtiger das derjenige der etwas macht mit seinen Resultaten zufrieden ist, auch, wenn es nur für einen tönernen Aschenbecher reicht. Es zwingt dich ja sicherlich keiner dir irgendetwas anzuhören, oder? Es ist auch deine Entscheidung ob du irgendwo auf Play klickst und deine Zeit verballerst.
 
Illya F. schrieb:
Halte es für wichtiger das derjenige der etwas macht mit seinen Resultaten zufrieden ist, auch, wenn es nur für einen tönernen Aschenbecher reicht.
Das meinte ich auch anders, mich stört einfach die Grandezza, mit der so mancher Protagonist sein erkennbar naives Rumprobieren zu großer Kunst erklärt. Speziell deine Herangehensweise finde ich dagegen sowohl nachvollziehbar als auch sympathisch - da habe ich nie das Gefühl, du willst mir mehr verkaufen, als drin steckt.
 
Ach so, du meinst, wenn einer groß Tam Tam macht, wie dieser Pointillismus Kram der hier durchs Forum geisterte. Wenn du so etwas meinst, dann verstehe ich das. Wenn du dich jetzt allerdings auf irgendetwas vom Markt beziehst, oder irgendwelche Gepflogenheiten die dort vorherrschen, dann kann ich das nicht nachvollziehen, weil da kenne ich mich nicht aus. Ich höre ja auch nicht so viel Musik von anderen, oder wenn, dann hat das mit elektronischer Musik meist wenig zu tun, also bis auf irgendwelchen EBM Kram aus der Jugendzeit den ich immer noch gerne mal höre.

Also sage doch mal anhand eines Beispiels was du da genau meinst, vielleicht kenne ich das ja gar nicht. Ich habe mich allerdings mal so durch Myspace etc. geklickt und gewundert was für Musik offensichtlich Anklang findet und wohl auch verkauft wird. Ich widme die meiste Zeit halt meinem eigenen Kram, auch, wenn da nicht jeden Monat etwas das ich mag bei rum kommt. Ich finde die Zeit besser investiert als wenn ich mir zu viel von anderen anhöre. Manchmal stößt man ja im Netz auf interessantes, aber ich habe schon soviel Zeit damit verballert mich durch irgendeinen Wust an Gelumpe zu hören, dass ich heute da keinen Bock mehr darauf habe, da geht einfach zu viel Zeit bei drauf.

Was ich auch recht krass finde ist, wenn ich manchmal so CD Verpackungen sehe die dem Produkt also der Musik noch irgendetwas besonderes mit auf den Weg geben wollen oder so die Wertigkeit erhöhen wollen, das geht ja bis zu verzierten Holzschschachteln etc., finde das affig.
 
dass der Marketing-Trick das mit intellektuellem Getue zu verkaufen, von den elektronischen Musikern schon verbrannt wurde

Wird aber immer noch gerne versucht, wie erfolgreich mag ich nicht zu beurteilen.
Nach lesen der vielen Seiten hier, möchte ich doch mal als Mitglied des nicht elitären Pöbels die Frage stellen, wie man elektronische Musik denn zu definieren hat ? Ich habe nämlich langsam den Eindruck, das ich elektronische Musik ziemlich Scheiße finde. Es wird doch sicherlich einen Teil in einer Schrift geben, wo Herr Stockhausen das erklärt.
 
Neo schrieb:
dass der Marketing-Trick das mit intellektuellem Getue zu verkaufen, von den elektronischen Musikern schon verbrannt wurde

Wird aber immer noch gerne versucht, wie erfolgreich mag ich nicht zu beurteilen.
Nach lesen der vielen Seiten hier, möchte ich doch mal als Mitglied des nicht elitären Pöbels die Frage stellen, wie man elektronische Musik denn zu definieren hat ? Ich habe nämlich langsam den Eindruck, das ich elektronische Musik ziemlich Scheiße finde. Es wird doch sicherlich einen Teil in einer Schrift geben, wo Herr Stockhausen das erklärt.

Elektronische Musik per se ist nicht Scheiße, kann gar nicht scheiße sein. Egal ob im Bereich der U- oder E-Musik,
Schmuckstücke und Müll gibts auf allen Seiten, was dann aber am Musiker liegt. Die Gattung als solche ist ganz
ok und vielleicht läßt sich von uns Musikern noch einiges damit machen.
Vielleicht weniger um den Definitionskram kümmern, sondern Musik MACHEN.
 
dotterl schrieb:
Elektronische Musik per se ist nicht Scheiße... Vielleicht weniger um den Definitionskram kümmern, sondern Musik MACHEN.
Solange sie nicht WERK heissen. Will man Scheisse wegfiltern einfach "-Werk" im Google benutzen, ausser man möchte gezielt Scheisswerke finden.
 
Elektrokamerad schrieb:
Noch zu Beginn des 20. Jh. war der Umgang mit Musik und die Diskussion über deren Sinn und Bestimmung einem verschwindend geringen, aber um so sachkundigeren Teil der Gesellschaft vorbehalten.
Auch wenn es von Wiki kommt, stimmt ´s leider nicht... bzw. nur wenn es um Musik geht, die in Konzertsälen aufgeführt wird/wurde.
Ansich war auch das Musizieren selbst deutlich verbreiteter als heute - Beispiel gefällig? Gut:
Volkslieder - wann hat einer von euch das letzte mal beim Saufen ein lustiges Lied angestimmt?
Shantys - na singt hier jemand beim arbeiten?
In welcher Kneipe steht heute noch ein Klavier? (Und nicht nur als Staubfänger)
Warum gehören zu den ältesten Funden der Menschheitsgeschichte solche Dinge wie Knochenflöten?
Richtig! Weil sich die halbnomadische Steinzeithirten zweimal im Jahr mit Kollegen getroffen haben und
sich dann in der Sicherheit eines "sachkundigen" Puplikum gegenseitig ihre "Werke" vorgeflötet haben....

Klar, wenn es um diesen elitären Anspruch geht usw. aber nur mal so in den Raum gestellt, ist das hier ein Werk :?:


ps. Auch Tontechniker hieß früher Töpfer :lol:
 
Das Wiki-Zitat bezieht sich auf "Zeitgenössische Musik". Der Link in meinem Beitrag ist eindeutig.
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