Die sieben Todsünden der Elektronischen Musik

Fetz schrieb:
Was mich auch Presets in etwas anderem Licht sehen lässt, die Verweigerung von Presets hat immer etwas von Baum fällen um sich ein Instrument zu schnitzen, die Menge der Leute, die über einen Kamm hinauskommt *und* dann auch noch begnadete Komponisten und vielleicht sogar Produzenten sind ist doch eher klein.
Die zentrale Motivation der Erfinder der Elektronischen Musik war, sich seine eigene Instrumentalität zu schaffen, die für diese - und keine andere Kompostion - jeweils maßgeblich ist.
Herbert Eimert - Einführung in die Elektronische Musik
Karlheinz Stockhausen - Arbeitsbericht 1952

danielrast schrieb:
Sich sachlich aber kritisch über Musik zu äußern ohne dabei ausfallend zu werden ist für viele selbstverständlich und kein hohes Niveau...
auf hohem (künstlerischen und musikwissenschaftlichen) Niveau
 
Einiges was als Todsünde dargestellt war ist auch ein einleuchtendes "no-go" für den durchschnitts Elektroniker, dass hat für mich nix mit hohem musikwissenschaftlichen Niveau zutun. Das nachahmen akustischer Instrumente, einfallslose sturre LFO Modulationen, oder Random Effekte. Bei anderen Dingen wiederum konnte ich nicht verstehen was dagegen spricht, die Verwendung eines Borduntons z.B., oder Reduktion. Dachte sowas nennt man künstlerische Freiheit...
 
danielrast schrieb:
[...] ist auch ein einleuchtendes "no-go" für den durchschnitts Elektroniker, dass hat für mich nix mit hohem musikwissenschaftlichen Niveau zutun. Das nachahmen akustischer Instrumente, einfallslose sturre LFO Modulationen, oder Random Effekte.

in der tat. "lfo ist doof" klingt reichlich unbedarft. so etwas kam in der sendung allerdings nicht vor (solange ich wach war jedenfalls). es war natürlich schon sehr gut gemachte musik - darum wurde sie ja auch in voller länge gespielt. sich solcher musik mit gewisser ironie einmal kritisch zu nähern unterhält das publikum besser, als nur zu sagen "das gibt es".
 
danielrast schrieb:
Einiges was als Todsünde dargestellt war ist auch ein einleuchtendes "no-go" für den durchschnitts Elektroniker, ...
Ich bin mir sicher, dass man die Sendung nicht für Durchschnittselektroniker gemacht hat, glaube dennoch, dass diese auch etwas mitnehmen konnten, sofern sie dafür offen waren. Vielleicht legst du mal Basedrum drunter und tanzt.
 
Elektrokamerad schrieb:
micromoog schrieb:
Begriffsdefinitionen und Schubladeneinteilungen sind sehr ermüdend (ist mir in diesem "Dubstep"-Fred auch schon wieder "unangenehm" aufgefallen, jeder Furz bekommt ein neues Sub-Genre: Hardstep/Techstep/Depp-Step/Kack-Step......Step-Decke)

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Die Verwendung von eindeutigen Begriffen dient der Kommunikation. Die Verfeinerung dient der Differenzierung und damit dem Anspruch. Man kann natürlich auch mit einfachsten Grunzlauten kommunizieren, um die primitivsten Grundbedürfnisse zu signalisieren.

Global gesehen hast du selbstverständlich recht, verstehe aber nicht, warum es einer neue Sub-Definition benötigt wenn Komponist A ein "Bing" vor einem "Bong" in einer "Klangkollage" (anders würde ich die ein oder andere Geräuschabfolge des getrigen Abends nicht nennen, Musik bezeichne ich das nicht) und B "Bung" nach "Bing" arrangiert.

Meine Espressolöffel leben in Frieden mit den Kaffeelöffeln im selben Fach der Küchenschublade.


Wer bestimmt was in der elektronischen Musik Fallen und Sünden sind?

Wenn sich alle strikt an einen "Fahrplan", "Gebote" oder DIE "Bastelanleitung" halten würden, wäre die Musik so langweilig und einheitlich wie Bohlen-Kompositionen!
 
Der Begriff "Elektronische Musik" wurde nach meinem Wissensstand 1949* von Werner Meyer-Eppler geprägt.

Wikipedia sagt dazu:

Er hielt viele Vorträge über elektronische Klangerzeugung und elektronische Musik bei den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik und später im Radio. Dadurch interessierten sich Musiker wie Herbert Eimert und Robert Beyer für die neuen Möglichkeiten. In dieser Folge entstand das erste Studio für elektronische Musik des NWDR, Meyer-Eppler hatte hier wesentlichen Anteil. Gerade weil er nicht Insider in der Musikszene war, konnte er treffend über die Schwierigkeiten des Musikbetriebes urteilen. Sein Gegenvorschlag war die elektronische Musik. Weil aber die Trivialisierung elektronischer Mittel in der Musik vorhersehrbar war, stellte er strenge Anforderungen: "Musik ist nicht schon dann "elektronisch" zu nennen, wenn sie sich elektronischer Hilfsmittel bedient, da es hierzu keineswegs genügt, die bereits vorhandene Tonwelt oder gar eine bestehende Musik ins Elektroakustische zu übertragen." Zu seinen Studenten gehörten bekannte Musiker wie Karlheinz Stockhausen, andere wie Werner Kaegi haben nur seine Schriften und Vorträge rezipiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Meyer-Eppler

Es ist allen Musikern, Komponisten, Produzenten etc. unbenommen, etwas Neues, Eigenes zu erfinden, schlage dazu jedoch vor, selber treffende Begriffe zu entwickeln. Das meinte ich mit "Differenzierung". Vielleicht hast du einen geeigneten Vorschlag auf der Pfanne, ich hatte ja schon einmal "Synthesizermusik" ins Spiel gebracht, was meiner Meinung das wertfrei beschreibt, was es ist.

*Meyer-Eppler, Werner. 1949. Elektronische Klangerzeugung: Elektronische Musik und synthetische Sprache. Bonn: Ferdinand Dümmlers.
 
micromoog schrieb:
...anders würde ich die ein oder andere Geräuschabfolge des getrigen Abends nicht nennen, Musik bezeichne ich das nicht...

Meine Espressolöffel leben in Frieden mit den Kaffeelöffeln im selben Fach der Küchenschublade.

Trotzdem war viel hörbares Material dabei. Oder du hast nicht zu Ende gehört.
 
micromoog schrieb:
war für mich das musikalisch Hochwertigere erst nach 00:05 zu hören.


Mir ging`s genauso aber ich traute mich nicht im Kreise der anwesenden "ernsthaften" Musiker derart unflätig zu werden :mrgreen:
 
Elektrokamerad schrieb:
Der Begriff "Elektronische Musik" wurde nach meinem Wissensstand Anfang der 50er Jahre d.l.J. von Werner Meyer-Eppler geprägt.

...
Es ist allen Musikern, Komponisten, Produzenten etc. unbenommen, etwas Neues, Eigenes zu erfinden, schlage dazu jedoch vor, selber treffende Begriffe zu entwickeln. Das meinte ich mit "Differenzierung". Vielleicht hast du einen geeigneten Vorschlag auf der Pfanne, ich hatte ja schon einmal "Synthesizermusik" ins Spiel gebracht, was meiner Meinung das wertfrei beschreibt, was es ist.


das iPhone hat mit Edisons ursprünglicher Erfindung nur noch einen minimalen Bruchteil gemeinsam wird aber landläufig immernoch als "Telefon" bezeichnet.

Mangels körperlicher Anwesendheit in den 50er und 60er Jahren, habe ich mich nicht für die elektronische Musik dieser Zeit interessiert.
M.E. ist es sehr anmaßend einen Begriff besetzen zu wollen, der mal von einer handvoll 50er-Jahre "Freaks" definiert wurde, mit diesem aber im Wandel der Zeit eine größere unmissverständliche Schublade der Musik aufzeigt/besetzt wurde.

ich unterstelle mal, dass mehr Menschen unter dem Begriff "elektronische Musik" genau die hier kritisierten Genres verstehen als die ursprüngliche Definition.

Von daher schlage ich der Einfachheit vor, die Definition(en) von Herrn Meyer-Eppler, Bayer und Eimert in
Elektronische Musik ohne Synthesizer
umzubennen.

Somit müsste man nicht 99% der Menscheit sondern nur die verbleibenden Dinosaurier mit 1% Anteil missionieren (wobei sich in Bezug auf Alterstarrsinn diese 1%-Hürde als äußerst schwierig bis utopisch erweisen wird).
 
Ah, jetzt geht der Definitionskrieg wieder los.

Anderer Ansatz: könnte man nicht davon ausgehen, dass sich der Begriff der "elektronischen Musik"
auch mitgewandelt hat? (Meinetwegen mitgewachsen oder -geschrumpft, wie auch immer).

Das Wort "Cool" bedeutete ursprünglich mal "kalt" - ja, man sollte es nicht glauben.
Heute hat es eine zusätzliche Bedeutung. Ich sage bewußt nicht "eine andere Qualität", weil ich
persönlich den Begriff "cool" inzwischen ziemlich bescheuert finde.
Dennoch: da hat sich was von den Roots entfernt, bzw. "entwickelt".
 
Daher haben ja die Experten ja den Begriff "Elektroakustische Musik" geprägt, sind damit durch die Bank aber unzufrieden, da ja jede Musik "akustisch" ist. Kunstmusik im Sinne des von Meyer-Eppler geschaffenen Begriffes "Elektronische Musik" wurde und wird auch mit Synthesizern gemacht, daher zieht dein Vorschlag nicht. Im gestern vorgestellen Beitrag zu "Oktophonie" von Karlheinz Stockhausen bemängelt der Autor zu Recht "die mangelnde Differenzierungstiefe der Synthesizerklänge", ein Vorwurf, der just bei Stockhausen in seiner Kritik kaum größer ausfallen könnte. Verwendung findet, soweit ich mich erinnere, ein Yamaha DX7 II FD, den ich ihm für seinen Sohn Simon liefern durfte.
 
Soundwave schrieb:
Mir ging`s genauso aber ich traute mich nicht im Kreise der anwesenden "ernsthaften" Musiker derart unflätig zu werden :mrgreen:
+1[/quote]

Genau. Und die Putzfrau hat die Beuys-Badewanne geschrubbt. Doof-Deutschland, allen voran die Bild, hat gelacht und geklatscht.
 
Danke für den Hinweis. 7 ist richtig.

Und die Verwendung bestimmter Begriffe hat nichts mit Wandel in der Zeit etc. zu tun, sondern mit Wissen und Kultur. Ich verweise auf meinen Beitrag mit dem Bild des grunzenden Wesens. Das ursprüngliche Telefon und das moderne iPhone existieren nicht neben einander, sind wie schon richtig bemerkt, Objekte einer technischen Entwicklung. Bei den beiden Musik"genres" ist das nicht so, da sie nebeneinander bestehen. Dass Wissensmangel zu Missverständnissen und Fehlerwartungen führen können, sieht man ja in diesem Diskussionszweig, da von den meisten Teilnehmern andere Musik erwartet, als letztendlich vorgestellt wurde. Dass die Mitarbeiter der Abteilung "Neue Musik" des WDR durch die Bank keine Ahnung von der Materie haben, alle steinalt, verknöchert und Idioten sind, mag ich nicht so recht glauben. Den nachfolgden Satz erspare ich mir.
 
Um den Synthesizer mal aussen vor zu lassen, zweiter Vorschlag:

Ursprüngliche elektronische Musik

oder

Elektronische Musik gem. dem alten Testament

(dann kämen auch wieder die Sünden ins Spiel)
 
Es gibt Menschen, die verstehen unter "Bauhaus" den Baumarkt. Da wird es in der Tat recht schwierig, bestimmte Dinge anzusprechen.
 
micromoog schrieb:
Um den Synthesizer mal aussen vor zu lassen, zweiter Vorschlag:

Ursprüngliche elektronische Musik

oder

Elektronische Musik gem. dem alten Testament

(dann kämen auch wieder die Sünden ins Spiel)


Oft reicht die Einteilung in Pop und Akademie.
Die frühe elektronische Musik entstand an Musikhochschulen,
später konnte jeder seine Musik selbst machen.
Das meiste, was wir heutzutage aus der elektronischen Ecke hören ist
elektronischer "Rock'n'Roll".
Wenn man das Studio Elektronische Musik auf WDR3 regelmäßig hört (kann ich nur empfehlen),
erkennt man, dass es heutzutage immer noch viel akademische Elektronik gibt.
Nur können die meisten damit nicht viel anfangen.
 
An Rundfunkanstalten und Musikhochschulen. Voraussetzung: ein abgeschlossenes Kompositionsstudium. Voraussetzung dafür das Studium eines klassischen Instrumentes.
Heutzutage hat jeder Zugriff auf Produktionsmittel. Den Ergebnissen mangelt es dann i.d.R. an musikalischem und kompositorischem Können seitens der Macher.
Popmusik in jedweder Ausformung setzt eine hohe Akzeptanz bei einer breiten Hörer- und Käuferschicht voraus, wobei dann die Perlen übrig bleiben. Für den Rest interessiert sich kein Mensch. Ist auch gut so.
 
Elektrokamerad schrieb:
Danke für den Hinweis. 7 ist richtig.

Und die Verwendung bestimmter Begriffe hat nichts mit Wandel in der Zeit etc. zu tun, sondern mit Wissen und Kultur. Ich verweise auf meinen Beitrag mit dem Bild des grunzenden Wesens. Das ursprüngliche Telefon und das moderne iPhone existieren nicht neben einander, sind wie schon richtig bemerkt, Objekte einer technischen Entwicklung. Bei den beiden Musik"genres" ist das nicht so, da sie nebeneinander bestehen. Dass Wissensmangel zu Missverständnissen und Fehlerwartungen führen können, sieht man ja in diesem Diskussionszweig, da von den meisten Teilnehmern andere Musik erwartet, als letztendlich vorgestellt wurde. Dass die Mitarbeiter der Abteilung "Neue Musik" des WDR durch die Bank keine Ahnung von der Materie haben, alle steinalt, verknöchert und Idioten sind, mag ich nicht so recht glauben. Den nachfolgden Satz erspare ich mir.

Hier habe ich noch ein schönes Telefon aus den 30er Jahren und dieses steht z.Zt. ca. 15cm neben einem iPhone - somit existieren Sie nebeneinander.

Ob man nun diese damaligen "Nischenfrickler" und deren Definitionen kennt oder nicht, werte ich nicht als Bildungslücke.
Wenn man ausschließlich den Begrif "EM" im Sinne dieser Genossen verwenden darf/soll, da wäre es wohl angebracht diesen von den Usprungsverfechtern urheberrechtlich schützen zu lassen.

Wie dotterl schon festgestellt hat, wandeln sich die Bedeutungen der Begriffe im laufe der Zeit.

So und jetzt TABe ich erstmal zu YT und ziehe mir elektronische Musik von JMJ rein! ;-)

Es gibt Menschen, die verstehen unter "Bauhaus" den Baumarkt. Da wird es in der Tat recht schwierig, bestimmte Dinge anzusprechen
Das sollte derjenige berücksichtigen, der einen Begriff ausspricht...aufgrund der aktuellen Präsenz des Baumarkts wird nicht jeder sofort Kunst mit diesem Begriff assoziieren.
 
micromoog schrieb:
Hier habe ich noch ein schönes Telefon aus den 30er Jahren und dieses steht z.Zt. ca. 15cm neben einem iPhone - somit existieren Sie nebeneinander.
Klar, im musealen Bereich. Elektronische Musik, so wie man sie gestern hören konnte, ist "Musik der Zeit": "Gegenwartsmusik", so wie es der Redakteur in seiner Antwort-E-Mail formulierte.
 
Der Begriff "Geräusch" ist definiert.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_eimert.htm

Eine Kollage ist sicherlich etwas anderes als eine Komposition, bei der Teile nicht einfach beziehungslos neben einander stehen, sondern sich ein Klang kompositorisch gestaltet aus dem anderen entwickelt, ganz so wie es nur in der Elektronischen Musik möglich ist.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm

Zum guten Schluß noch der hier:
http://www.elektropolis.de/ssb_story_bruen.htm

Damit sollte alles gesagt sein. Ob es nun verstanden wird, liegt nicht in meinem Einflussbereich.
 
Evtl. liegt es an meiner magelnden musikalischen Ausbildung, aber gerade beim letzten Stück der gestrigen Radiosendung konnte ich eine Komposition als solche nicht erkennen.

Rein geschmacklich bleibe ich da lieber bei sündigen Kompositionen. Da ich ja auch kein Musikstudium absolviert habe, stören mich bemängelte Kompositionsfeher nicht im geringsten.


In Bezug auf den letzten Link:
Ich selbst habe bei Musik auch des öfteren an Lärm gedacht, jedoch bei Lärm nie an Musik.
 
Kann mir jemand die mitgeschnittene Sendung zur Verfügung stellen (ich selbst hatte mangels Windows-PC keine Möglichkeit zum Mitschnitt).

Florian
 
Zum Komponieren empfiehl sich u.a ein Studium, das sich mit Praxis und Therie befasst.



Meckelreiter:
"Zugegeben, mein Ton war im Ansatz nicht ganz rein, aber entscheidend ist doch das künstlerische Gesamtkonzept!"
Moderator:
"Aja."
Meckelreiter:
"Moderne Kompositionen, erfordern geistige Mitarbeit. [pfeifen] Das Verständnis für zeitgenössische Musik ist außerdem eine Gewohnheitsfrage. Das geht natürlich nicht so glatt ins Ohr wie Peter Alexander!"
 


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