Deutsche Texte in der Musik

vor ein paar wochen hörte ich im DLF-tagesprogramm einen song, der mein interesse weckte, dem ich aber nicht richtig zuhören konnte. ein paar wörter des gesangs klangen deutsch, die musik kam mir irgendwie brasilianisch vor.
gestern tauchte er wieder auf und ich konnte dank der "Navigation Musikliste" des DLF erfahren um was es sich handelte:



San Silvan - Samba
 
Wer von Euch hat denn schonmal versucht einen deutschen Text für seine Musik zu machen?
Vor Jahren hatte ich das mit dem Projekt "Wunderkind" gemacht und wir merkten schnell das es nicht einfach ist.
Wir nannten es immer dann das "Frank Zander Syndrom " wenn der Text zu Cheesy wurde. Frank verzeih uns!
 
oh, ich hatte da in den 90ern einiges, das nicht cheesy war … allerdings aus heutiger Sicht wohl cringy und daher würde ich jetzt nichts mehr davon zitieren. ;-)
 
Wer von Euch hat denn schonmal versucht einen deutschen Text für seine Musik zu machen?
man sollte es besser nicht probieren, denn es ist wirklich sauschwierig einen guten deutschen Text zu machen, außer man ist sonderbegabt. Es kann schnell peinlich oder sonderbar klingen, oder cheesy, wie du es nennst. Und dann muss man es auch noch schaffen, dass der Text nicht wie vorgetragen wirkt, sondern Teil der Musik wird.

Die Regenballade von Achim Reichel ist ein gutes Beispiel wie man es richtig macht. Soweit ich weiß sind das alles alte Gedichte zu denen er die Musik gemacht hat.
 
Kettcar ist für mich eigentlich schon immer mit guten texten unterwegs.
hier was neues:

Kettcar - Auch für mich 6. Stunde (2024)
 
Zuletzt bearbeitet:
99 Luftballons
Auf ihrem Weg zum Horizont
Hielt man fuer UFOs aus dem All
Darum schickte ein General
Eine Fliegerstaffel hinterher
Alarm zu geben, wenn es so war
Dabei war da am Horizont
Nur 99 Luftballons
 

scnr :mrgreen: (weil der Nachbar gerade wieder sein Gerät angeworfen hat)
 
99 Luftballons
Auf ihrem Weg zum Horizont
Hielt man fuer UFOs aus dem All
Darum schickte ein General
Eine Fliegerstaffel hinterher
Alarm zu geben, wenn es so war
Dabei war da am Horizont
Nur 99 Luftballons
Bitte richtig zitieren:

"Neunundneunzig Luftballons
Auf ihrem Weg zum Horizont
Hielt man für UFOs aus dem All
Darum schickte ein General
'Ne Fliegerstaffel hinterher
Alarm zu geben, wenn's so wär'
Dabei war'n dort am Horizont
Nur neunundneunzig Luftballons"
 
Meine ganz persönlichen Beobachtungen ohne Anspruch auf Objektivität:

Es gibt keine unschuldigen Sängerinnen, Sänger und Zuhörer in deutscher Sprache.
Gabs wahrscheinlich auch nicht vor dem Holocaust, ist nur keinem aufgefallen.
Also Leute, die einfach nur singen und lauschen.
Drum gibt's auch keine unschuldigen deutschen Liedtexte, möglicherweise nur im Volkslied.
Mir fällt gerade nur "Leise rieselt der Schnee" ein. (Müssten wir als Band mal covern, das wäre nice.)
Ausser vllt. im Schlager ist sowas wie Unschuld erlaubt. Aber der wird gerne belächelt. Dabei sind das einfach nur Kinder/Jugend-Texte zu Partymusik für Erwachsene.
Alle anderen müssen permanent irgendeine Haltung haben, zeigen, belegen.

Jetzt weiß ich, dass "Schuld" eines der sozialen Konzepte ist, aus dem die Kunst ausbrechen will.
Und dass meine Beobachtung eigentlich nur die politische Perspektive bedient.
Warum ich das tue, weiß ich grad nicht so genau. Aber es erscheint mir, spontan, für hier, das Ehrlichste für mich zu sein.

ergänzt: Jetzt, wo ich das mit 10 Minuten Abstand lese weiss ich, warum ich das hier so schreibe: Ich bewerte deutschsprachiges immer. Immer! Möglicherweise gelingt es mir, bei Musik in englischer Sprache darauf zu verzichten. Möglicherweise ist das auch bei englischsprachigen Native Speakern so, wenn sie Musik hören. Dieses Bewerten immer ...tsh!

Darum muss ich, wenn ich Deutsch texten will ,ein Ausbrecher sein.
Durch und durch.
Aber ich kann mich selber ja nicht mal aus meinem individuellen, geschweige denn gesellschaftlichen Knast der Vergangenheit befreien, den ich im Gepäck habe.

Die Texte die wir in der Band auf Deutsch probiert haben, ironisieren am Ende des Tages nur uns selbst als selbstgefällige Neo-Liberalsten, denen es zu gut geht.
Darum geschieht unsere Identifikation (Band) mit unserer Situation (Leben) über die Musik/Texte als theatralische Übung/Kabarett/ Selbsbelächelung/Rätselhaftigkeit.
Wir haben keine Antworten.
Tue ich das nicht auf diese Weise, breite ich die Psychologie meines Seelenbetriebs aus. Und die will keiner hören.

Also schreibe ich in englischsprachigen Codes über Themen, die mich umtreiben.
Fertig.
Ist ja nur ein Hobby.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich Musik mit Deutschen Texten höre finde ich das manchmal peinlich und blöd. Liegt das an den Texten an sich, oder weil man als Muttersprachler alles versteht? Würde es weniger peinlich sein, wenn die Musik anders gespielt werden würde, oder wenn anders gesungen werden würde (Rammstein? *hüstel).

Mir geht es oft genauso. Das hat wohl verschiedene Ursachen. Aber wie schon gesagt wurde, es ist definitiv möglich, mit Deutschen Texten gute, ausdrucksvolle, kraftvolle Musik zu machen.

Wenn deutsche Texte zu klischeebeladen, banal oder schnulzig sind, fällt es dem deutschsprachigen Hörer halt leichter auf - die Fallhöhe für den Texter ist also höher imho.

Ich habe mal eine deutsche Version des Bluessongs "low down and dirty" von Popa Chubby gemacht. Da hatte ich jedenfalls viel Spaß beim Texten.



Hier also mein Versuch:

[B]Unten und fertig [/B]

Ich bin unten und fertig, widerlich anzuschaun
leih mir bloß kein Geld, ich verdien’ kein Vertrau’n

Hab Krankheiten, für die mir die Worte fehlen
So viel Miese auf’m Konto, das kannste keinem erzähl’n

Mein Bludruck zu hoch, die Zähne kaputt
und die Pillen heißen ernsthaft „Prosta-Gutt“

Zuerst schnapp ich ein und dann raste ich aus
geh mir bloss aus dem Weg, komm ich aus dem Haus

Mir hilft kein Arzt und kein Therapeut
durch eigene Schuld am Sack bin ich heut
bin Euch nur noch lästig, verpeste die Luft
bin unten und fertig - reif für die Gruft

Ich bin unten und fertig und guck schief aus der Wäsche
in mir feiert der Teufel die heilige Messe

Meine Frau ist gefloh’n und der Hund ist verreckt
so langsam hat mein Elend jeder gecheckt

Zum Leben wie zum Sterben fehlt mir jedes Int’resse
nur durch mein’ fetten Arsch fall ich nicht auf die Fresse

Es gibt keine Freunde, die ich nicht vergrätzte
Leg dich nicht mit mir an, ich bin echt das letzte

Mir hilft kein Arzt und auch kein Schamane
Sozialpädagogen sind eh Banane
bin Euch nur noch lästig, verpeste die Luft
bin unten und fertig -reif für die Gruft
 
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ich weis nicht ob Anne Marie Kantereit erwähnt wurde...


einer der wenigen deutschsprachigen die ich mag...


erinnert mich von der stimme her an Rio Raiser- TON Steine Scherben.


Ich mag seine Rotzige stimme.


 
Wenn deutsche Texte zu klischeebeladen, banal oder schnulzig sind, fällt es dem deutschsprachigen Hörer halt leichter auf - die Fallhöhe für den Texter ist also höher imho.
Das ist in jeder Sprache so und Englisch ist da keine Ausnahme bzw. sogar das beste Beispiel dafür, da die Sprache ziemlich einfach gestrickt ist und sich sehr viele an ihr bedienen.
 
Wenn ich Musik mit Deutschen Texten höre finde ich das manchmal peinlich und blöd. Liegt das an den Texten an sich, oder weil man als Muttersprachler alles versteht? Würde es weniger peinlich sein, wenn die Musik anders gespielt werden würde, oder wenn anders gesungen werden würde (Rammstein? *hüstel).
Ich finde gute Deutsche Texte, wo man so durch die Musik getragen wird, wirklich gut (Die Sterne). Aber manchmal ist man eben peinlich berührt, ob der Belanglosigkeit oder Intimität die vermittelt wird. Liebe, Herzschmerz und Dinge die die Welt erklären sind auf Englisch immer cool, wenn nicht gar interessant. Das liegt sicher auch daran, dass die Metrik da anders funktioniert.

Möglicherweise liegt es auch an der Stimme des/der Vortragenden.
Ja, das IST subjektiv.
Wichtig ist eher diese Dinge einfach zu machen. Man kann auch mal mischen oder durch Coolness glänzen oder etwas Dada, was in der NDW und Wave-Zeit und deren Renaissancen gut funktionierte. Aber vielleicht war es so, dass es früher einfach eher nur Schlager oder Pop gab (sinngemäß) und die passenden Klischees genutzt wurden hat sich da eben auch ein Empfinden gebildet. Es ist denkbar, dass man einfach versucht und macht.

Es gibt ja einige deutsche Acts, die das sehr souverän und gut machen. Und die besseren Texte? Nunja, die von mir musikalisch nicht spannend gefundenen Tocotronic waren so oder Peter Licht mit "etwas Dada" und so weiter bis hin zu den Imperativen der EBM. Oder einer Karrikatur davon - Lass die Katze stehn!

Wir müssen einen Weg finden und sollten nicht aufhören es zu probieren.
Wie kitschig sich andere Sprachen anhören könnte auch relativ sein - Ich sach' nur Modern Talking. Dancekram der 90er. Da war nix cool. Aber man könnte das tun.
Ja, es liegt an allem - Stimme, Popfaktor, Coolness, also schon allein gute Worte wählen Lässigkeit · Unbekümmertheit · Ungeniertheit · Ungezwungenheit · Zwanglosigkeit wäre, was "Coolness" eigentlich sagen will. Vielleicht sind die Hiphopper hier ja vorn oder Leute die das nicht zu ernst nehmen, lesen'se ihren Dürrenmatt.

Will nur eben bekunden, dass das ein gutes Thema ist und es eben auch machbar ist.
Alles von der Kunstfreiheit gedeckt.
Es kann so vieles sein. Ich hab's sogar selbst gemacht als ich Stimme einsetzte - also wenn jemand es tut, tu es! ;-)
Wie viele Lichter siehst du? 5, Captain!

Ob man immer einen neuen Stil oder sowas neu erfinden wird, kann ich nicht versprechen - aber einfach mal versuchen. Wieso nicht? Wir sind ja im Macherforum.
Ich habe selbst diese Ränder auch getestet so zwischen "kann man das machen weil es auf deutsch ist" und das was "cooler" ist durch einen kleinen Kniff gut reinzubringen? Naja, es beginnt vielleicht mit ein paar Schreien (Shouts sag ich mal nicht). Es ist auch nicht zu schlecht die wunderbare Sprache einiger Zeitgenossen der 20er Jahre zu verwenden. Auch diese wunderbare Umständlichkeit aber Macht der Worte und das Geschick solcher Formulierungen mit hohem Wallungswert™.

Fertig, 1 2 3 - es geht los!
Achja - etliche versuchen sich an Französisch. Wenn man von dort kommt - wieso nicht? Meist kann man sich in der eigenen Sprache mit Wortwitz gut ausdrücken. Hier im Forum sieht man das, ihr könnt viel.
 
Wenn wir schon bei alten Sachen sind (auch Wolfsheim ist über 20 Jahre her):

Es gibt auch jüngere Menschen, die 40 Jahre später deutsche Schlager von 1982 exhumieren,
und sie sehr sparsam neu instrumentieren:


Auch nach der Zeit bleibt die Frage ob die Methapher der leeren Schnäbel für den verlorenen Olivenzweig oder für fehlende Nahrung steht ungeklärt.
Aber wir sehen an den Wahlergebnissen, dass der rechte Flügel stärker wird...
 
Wenn in diesem Thread olle Kamellen ausgegraben werden dürfen (@Koch?), schmeisse ich diese 44 Jahre alte in die Waagschale:

Heinz Rudolf Kunze "Bestandsaufnahme" (aufgenommen 1980)
Funktioniert für mich immer noch, was aber wohl mehr über mich als über den Text sagt.

Oder wie wäre es mit "In den dunklen tiefen Gängen der Vergangenheit" von Udo Lindenbergs erstem deutschsprachigen Album "Daumen im Wind" von 1972?

Wer es realitätsnäher mag, findet vielleicht an "Alkoholmädchen" von derselben Scheibe Gefallen.

Wer noch weiter zurück will, höre Reinhard Mey mit "Ich wollte wie Orpheus singen" von seinem gleichnamigen Debütalbum von 1967:
 
Mir gefällt die Entwicklung bei Knorkator, der Fun-Metal bekommt Tiefgang:





 
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