Re: Neuer Synth von Dave Smith - Prophet 12
Habe mich vor Kurzem an einem schönen Urlaubstag früh morgens in den Musicstore gewagt und den P12 in Ruhe antesten können (eigene Kopfhörer). Alles ruhig im Store um die Uhrzeit, meine eigenen Kopfhörer mitgenommen und den P12 - der für mich in guter Höhe positioniert war - für ca. eine Stunde angespielt.
Da ersten Minuten Orientierung: was ist wo, wo geht das mit der neuen Ziel-Zuordnung bei den Modulationen, wo kann ich im System die AT-Einstellungen ändern, etc. Habe mich sehr, sehr schnell zurecht gefunden, Bedienung ist aus meiner Sicht hervorragend gelöst, alles fühlt sich sehr wertig an, das Display ist zwar etwas klein, dafür hochauflösend und das GUI super umgesetzt. Insgesamt kann ich sowohl der Bedienung als auch der Verarbeitung nur Bestnoten attestieren. Schade, dass der Stepsequencer aus dem P08 fehlt, aber wie hier im Thread bereits thematisiert wäre das für mich kein Grund, den P12 nicht zu kaufen.
Kurz noch zur Tastatur: Der P12 war direkt oberhalb eines DSI Polyevolver PE positioniert. Links davon an einem Wandrack waren DSI Mopho Keyboard, P08 und DSI X4 positioniert. Ich selbst habe hohe Ansprüche an eine Tastatur. Die des P12 entspricht der des P08/X4 (Mopho habe ich nicht probiert) und ist eine sehr angenehm, super repitierende und ausdrucksstark spielbare Tastatur. AT funktioniert sehr gut; kenne das ja von meinem P08, den ich dahingehend sehr schätze. Im Vergleich zum Polyevolver - weil das hier im Thread neulich kritisiert wurde - spielt sich die P08/P12-Taste sehr gut und ist - nur weil sie keine Semi-Gewichtung hat - nicht weniger wertig. Es ist ein anderes Spielgefühl, für mich passt es besser. Über Tastaturen kann man ja Seiten lang Abhandlungen schreiben (s. Threads z.B. zu E-Pianos im Nachbarforum), auf einem guten qualitativen Level entscheidet da letztlich der Geschmack bzw. die persönliche Vorliebe. Das gilt auch hier: Beide Tastaturen, die des Polyevolvers und die des P08/P12 sind auf einem hohen Level, spielen sich jeweils anders. Von einer "Spar-Version" bei P08/P12 kann aber überhaupt keine Rede sein. Es handelt sich um eine meiner Meinung nach sehr gute Tastatur.
Jetzt zum aus meiner Sicht Wichtigsten, dem Grundklang (hier im Thread extrem in der Kritik) und den Sound-Design-Möglichkeiten. Der Grundklang bei offenem Filter ist in der Tat etwas kühl und im Vergleich zu analogen OSC dünn, der Curtis-Filter-Chip in der Tat etwas scharf und britzelig, wenn man ihn weiter öffnet. Das grundsätzliche Filter-Verhalten kennt man ja bereits von anderen DSI-Synths. Was hier aus meiner Sicht anders ist: Das überarbeitete Filter-Design scheint nochmals etwas schärfer, was meiner Meinung nach an mehr Höhen liegt bzw. daran, dass mehr Obertöne vorhanden sind bei offenem Filter. Positiv könnte man "strahlender" sagen - habe aber mit den "Mini-EQ"-Möglichkeiten "Girth" und "Air" bei bestimmten Sounds unten rum mehr Schub geben können oder etwas die Höhen rausgenommen. Das Filter geht auch hier schnell in die Sättigung, daher kann man subtilere und softe Sounds hinbekommen, indem man die Verzerrungen wegdreht, die OSC in der Lautstärke halt nicht voll aufdreht. Wie gesagt natürlich alles subjektives Klangempfinden.
Im Vergleich zum P08 ist der Sound - wenn man auf der Suche nach klassischen Curtis-Analog-Sounds ist - weniger organisch, hat unten rum weniger Rohheit und Schub. Drückende Bässe habe ich damit nicht so wie gewohnt hinbekommen, aber auch nicht erwartet (natürlich kann er Bässe, aber eben mit anderen Klang-Färbungen und weniger Purismus). Schwebungen gelingen nicht so überzeugend, trotz mehr Bandbreite beim Slope-Parameter. Der P12 ergänzt vom Gesamtklang eher die bisherige DSI-Palette.
Glanzpunkte fand ich beim Schrauben von Pads bzw. Synth-Flächen und Strings. Dadurch, dass zusätzlich ein HPF an Board ist bekommt man 1a Pads hin (natürlich schöne Strings etc. auch nur mit dem LPF möglich). Durch die Nutzung der bei DSI bekannt sehr guten Modulationsmöglichkeiten kann man die Flächen ordentlich in Bewegung setzen und a) klassische super Synth-Pads und Strings erzeugen und b) "modernere" Flächen legen oder c) Subtileres schrauben, das dezente Akkord-Tracks im Hintergrund ermöglicht.
Darüber hinaus gehen helle, strahlende Klänge, Perkussives, schöne Stabs und Seq-Sounds - gerade in Verbindung mit dem hervorragend gelungenen Delay. Verzerrte Sachen gelingen ebenfalls top - hier hat man ja vor oder nach dem Filter alle Möglichkeiten, subtil bis hart zu verzerren.
Würde ich mir den P12 zulegen? Ja, aber als Ergänzung zu einem klassischen Analogen oder zu einem neu interpretierten Analogen wie dem P08. Ersetzen kann der P12 einen Analogen im Setup meiner Meinung nach nicht. Das Hybrid-Konzept überzeugt insofern, als dass viele Sounds gehen, die in einem Mix sinnvoll platziert werden können (Flächen, Blips/Blops, Percussives, Metallisches, schneidende oder verzerrte Leads, FX und vieles mehr).
Was mir persönlich so viel Freude bereitet hat, war das unkomplizierte Schrauben und Erstellen von Sounds - der Workflow. Das hat wirklich sehr, sehr viel Spaß gemacht. Und das, obwohl ich durch den kritischen Thread hier einerseits und weil ich um das eher auf der britzeligen Seite stehende DSI-Filter weiß andererseits, sehr skeptisch das Antesten in Angriff genommen habe. Von der Klang-Ästhetik her bin ich eher auf der (alten) Roland-Seite, eher der "klassische Typ", weiß aber eben die DSI-Seite als Ergänzung im Setup zu schätzen.
Mein Fazit: Eine solche Ergänzung kann der P12 bieten, wäre für mich für klassische und stark modulierte/bewegte Flächen und strahlende Sounds inkl. Perkussivem ein toller Synth. Wenn die Erwartung ist, dass er gleichzeitig auch Analoges im Setup ersetzen kann, wird man mit dem P12 garantiert nicht glücklich. Ob für eine Ergänzung der klanglichen Möglichkeiten ein weiterer "Vollblut-Synth" zu dem aufgerufenen Kaufpreis eine gute Anschaffung ist und sich lohnt hängt wie immer (neben dem Budget) von den persönlichen Präferenzen ab, insbes. aber vom bisherigen Setup (Wo möchte ich ergänzen, wo kann ich bei Neuanschaffung ein bisheriges Gerät ggf. ersetzen, wo möchte ich von den Möglichkeiten mit meinem Setup hin?).
Bin ich jetzt schlauer nach dem Antesten was die Qualität des P12 angeht? Ich für mich schon, daher kann ich nur jedem empfehlen, selbst einen Zeit lang Hand anzulegen. Einige Kritikpunkte hier hatten sich für mich relativiert, andere sind bestehen geblieben. Den Charakter des Synths kann ich jetzt ganz gut für mich einschätzen - die klanglichen Möglichkeiten konnte ich natürlich nur antesten.