Moogulator schrieb:
Majors machen keine CDs, aber die Presswerke schon. Es wird sich halt nur ein wenig ändern und vermutlich auch die abgesetzten CDs, damit ggf. die Preise. Wer also seine Konzerte mit CDs begleitet, könnte das noch weiterhin tun, dazu braucht man keine MI.
Genau.
Ich denke nicht, daß nun alle Preßwerke die Türen schließen und ihre Mitarbeiter auf die Straße setzen werden. Im schlimmsten Fall wird die Produktion von CDs in Kleinauflagen teurer werden, aber wen stört das? Wer das durchziehen will -- so wie ich --, der wird es auch weiterhin tun. Schließlich kaufen die Leute auch Synthesizermodule von Kleinstherstellern zu entsprechenden Preisen, und wer sowas unbedingt haben will, wird sich nicht von Preisen, Lieferzeiten und ähnlichem abschrecken lassen.
Womöglich ist dieser Schritt der Industrie -- und sie hat in der Vergangenheit mehr als einmal bewiesen, weder den Durchblick zu haben, noch zu rationalen Handlungen imstande zu sein -- sogar ein wichtiger Schritt in die Richtung der Demokratisierung der Medien und der Entwertung der Musik als Objekt, das man verschachern kann. Schließlich ist die Industrie darüber gestolpert, daß sich im Zuge der Ausbreitung von Preßwerken, der Egalisierung der elektronischen Medien -- jeder kann sich heute eine Audio-CD zuhause brennen, die nicht schlechter klingt als die von einem Major --, dem Aufkommen der Bootlegger-Bewegung im Internet und die generelle Veränderung der Musikkonsumhaltung das alte Wertesystem, in dem die Industrie der König war, nicht mehr aufrechterhalten ließ. Anstatt aber dieser Bewegung entgegenzuwirken bzw. sein eigenes Handeln darauf abzustimmen und ggf. den Kurs weg vom Profit hin zur Langfristigkeit zu ändern, hat die Industrie die Schraube gedreht, bis sie ab war! Jetzt geht natürlich für die ganzen Betriebswirtschaftler in der Musikbranche gar nichts mehr, und alle sagen: "Scheiße, und wovon soll ich jetzt bitteschön die Raten für meinen Porsche und den Koksdealer bezahlen?!"
Im Prinzip wird damit die Entwertung der Musik besiegelt; sie läßt sich nicht mehr in großen Stückzahlen als Konsumgut von ein paar wenigen unter´s Volk bringen. Und irgendwann wird die Industrie merken, daß auch Downloads nicht vor Bootleggern geschützt werden können, und was dann? Das bedeutet allenfalls das Ende der Musikindustrie, wie wir sie bis dato kannten, aber nicht das Ende eines Mediums. Das bedeutet im Idealfall das Ende von irgendwelchen Stock Holding Corporations, die dem Börsenkurs und den Anteilseignern, aber nicht den Inhalten dessen, was sie da verhökern, verpflichtet sind.
Die Leute werden weiterhin 15 Euro für eine CD bezahlen, und zwar nicht, weil sie es müssen, sondern weil ihnen das Produkt, das sie da erwerben, dieses Geld wert ist und sie wissen, daß sie mit ihrem Kauf die Arbeit des Künstlers, dessen Werk sie schätzen, unterstützen und es dem Künstler möglich machen, weiter zu arbeiten. Das ist breitgestreutes Mäzenatentum, das ist direktes Arbeiten mit der Fanbase, das ist bis zu einem gewissen Punkt auch die Entthronisierung des Popstars an sich, aber daß genau diese Modell funktioniert, haben die Neubauten mit ihren Supporter-CDs bewiesen. Was solche Produktionen für ein Image einer Band bedeuten, läßt sich nicht mit Geld und tausend Werbeagenturen kaufen.
Ich weiß, diese Idee ist naiv, aber man stelle sich einmal vor: Das CD-Regal vom MediaMarkt wird *nicht* mehr von der Top 100 beherrscht, weil sie de facto nicht mehr existiert, sondern von vielen kleinen Independent-Produktionen, die früher nie einen Fuß in die Tür bei einem Branchenriesen bekommen hätten. Oder man stelle sich vor, daß es plötzlich wieder Platten- und CD-Läden im Stadtbild gibt, weil die Leute einfach irgendwann nur noch die Schnauze vollhaben von irgendwelchen Datensätzen auf ihrem Ei-Pott. Es hört schließlich nicht jeder Industrieware -- und davon redet die Industrie. Ich glaube, Independentlabel sind froh, den großen Spielverderber endlich aus dem Weg zu haben.
Außerdem geht 2012 sowieso die Welt unter. Warum sollten wir uns dann wegen des Endes der CD an den Arsch packen?
Stephen