Nachdem ich jetzt mehr Zeit mit dem Hydra verbracht habe, möchte ich meine Eindrücke ergänzen:
In vielen Fällen merkt man, dass man sich sehr viele Gedanken um die Bedienbarkeit gemacht hat. Die Macros als Sound-Variationen zum aktiven Spielen sind wirklich super - das ist, als hätte man noch 8 weitere Modulations-Räder. Das Xpander-Display wird offensiv genutzt, auch wenn an der einen oder anderen Stelle die Funktion der Form folgt und das Display offensichtlich z.B. die Anzahl von Waves beim Wavescan oder die Anzahl an Steps beim Step-LFO vorgibt. Allerdings finde ich die vielen, vielen Shortcuts und Tastenkombinationen nicht so schön. Ich weiß nicht, ob ich in zwei Monaten noch weiß, wie man LFO1 auf LFO2 kopiert. Oft gibt es auch leider keinen Menü-Umweg und die Shortcuts sind auf dem Gehäuse seltenst beschriftet - auch weil manche erst später dazugekommen sind. Ich habe außerdem das Gefühl, dass die Übersicht in der Anleitung unvollständig ist.
Und dann gibt es so Kleinigkeiten, wo ich mich frage, warum man nicht noch den einen Meter mehr gelaufen ist. Vielleicht ist das der Preis für die fehlende Erfahrung des Unternehmens:
- Man kann zwar dem Step-LFO Notenwerte zuweisen, indem man den Step und dann die entsprechende Keyboard-Taste drückt. Aber einen richtigen Sequencer wollte man dann doch nicht einbauen.
- Wenn der Step-LFO die Tonhöhe als Semi-Sequencer spielt, dann muss man den LFO einmal durchstarten, weil sonst die Tonhöhe schief ist (steht sogar in der Anleitung, sie sind sich dessen also bewusst).
- Jedes Mal, wenn ich einen Patch speichern möchte, dann muss ich den Modus der Macro-Knöpfe auf Reset stellen. Das nervt.
- Ich kann den Hydra nicht als Clock-Slave im Set-Up benutzen, weil das Clocked-Delay ständig Glitches produziert. Ich kann ihn aber auch nicht als Clock-Master verwenden, weil die Clock nur ausgegeben wird, wenn der Arp läuft. Scheinbar kann man das nicht umstellen.
Der Sound ist wirklich gut und wenn man den "Warm"-Modus einschaltet, dann kommen auch die Bässe. Auch die Waves können richtig knackig und derbe digital klingen. Die Filter sind wirklich brauchbar. Trotzdem muss ich mich auch hier etwas beschweren: Es ist absolut kein Sweet-Spot-Synth. Jeder Sound ist hart erkämpft. Ändere ich einen Parameter, dann muss ich 2-3 nachziehen, weil sonst die Balance im Eimer ist. Je nach Filter-Cutoff können z.B. Verzerrungen entstehen. Oder beim Aufdrehen der Effekte ändert sich die Lautstärke teils stark. Auch bei den Hüllkurven (ich experimentiere mit versch. EXP-Werten...) und etwa bei einem Vibrato klingt es zumindest bei mir nie so wirklich richtig.
Mal zu ein paar positiven Punkten: Mit dem Hydra habe ich plötzlich das Gefühl, dass Ratchets sich noch immer frisch und interessant anhören (Grüße an Tangerine Dream). Wenn man eine Sound-Balance gefunden hat, dann klingt es wirklich erhaben. Auch wirkt der Grundklang weder billig noch verbraucht, wenn auch manchmal zu fett und durchsetzungsfähig - das ist aber eine moderne Krankheit von Synths. Alles am Gerät lädt zur Performance ein: Poly-AT, Macros und Ribbon. Deshalb wird man kaum die Finger zurückziehen wollen. Das Anfass-Gefühl ist gut und bereitet Freude. Viele kleine Details wie Step-LFOs, Modulation von Effekt-Parametern und die Mutanten garantieren Entdeckungsfreude für eine lange Zeit.
Und jetzt noch einmal ein Vergleich zwischen Hydra und Quantum:
Bei der Performance hat der Hydra mit seinen Spielhilfen wesentlich die Nase vorne. Der Sound ist beim Quantum einen ticken besser, weil ausgewogener und kontrollierbarer. Vergleicht man die Sound-Engines an sich, kann dem Quantum derzeit ja eh niemand das Wasser reichen, alleine wegen Granular, (Re-)Sampling und Kernel. Bei der Hardware-Qualität nehmen sie sich nichts, da sind beide ziemlich gut mit nur wenig Luft nach oben. Der Hydra nutzt hier seine Möglichkeiten aber besser, z.B. mit LED-Kränzen und Ensoniq-Modul-Tastern.
Fazit: Hydra, wenn man Musik mit den Händen abliefern möchte und die vielen Spielhilfen nutzen wird; Quantum/Iridium, wenn man ein Hardware-Synthesemonster mit Edelklang braucht.