Zum Verständnis von Elektronischer Musik

Wahrscheinlich will er die ganzen doofen Star Trek und sonstigen Weltraumkitsch Filmfans ansprechen, das kommerzielle Arschloch.
Sein leichtes Grinsen kann er ja kaum verbergen. Seinem jahrzehntelangen Toningenieur hatte er ja verraten, dass die Japaner so einen Stuss hören wollten.
 
Also das hier hat was:



Oper in einem Gruß, zwei Akten und Abschied (1991 -- 1994)
[...]

Bei der Produktion wurden alle klangerzeugenden Synthesizer, Module, Sampler vom ATARI Computer 1040 ST mit Unitor-Hardware und Notator-Software von C-LAB über MIDI angesteuert.

Stellen wir uns das mal mit den Möglichkeiten aktueller Synths vor.
 
Glitch 'n stuff - gab es also auch schon '68



Also 'n Kurzwellenradio absamplen ist komplett oldschool. :oops:
 
salz schrieb:
Stellen wir uns das mal mit den Möglichkeiten aktueller Synths vor.

Vor allem mit einer aktuellen Workstation wie dem Korg Kronos. Stockhausens Methodik der Komposition und Darbietung lässt sich mit Kronos Features bestens umsetzen, da man sich das benötigte Besteck nicht nur selbst zusammenstellen kann, sondern noch von Dingen wie Set List, Sound Transition, KARMA, Sample Import profitiert. In der Live Umsetzung stehen rund 25 Realtime Controller bereit, dazu programmierbares Control Surface per Touch Screen bedienbar. Ich wüsste derzeit kein besseres System, das derart komfortabel solchen Ambitionen entgegenkommt.

Ich habe diesen Fred mal verfolgt und bin eigentlich überrascht, dass ein Studium der Stockhausen Werke und Bio sowie vor allem seiner Erläuterungen gerade bei Elektrolurchen nicht flächendeckend als gewisse Grundausbildung angesehen wird. Und fast zwingend in der Folge als Inspirationsquelle erster Güte. Na ja, lässt sich ja nachholen.
 
Ich esse meine Suppe nicht, nein meine Suppe esse ich nicht.
 
Ja genau, jetzt auch noch den Kronos als Universum darstellen??? Echt Klaus, so schöne Sounds Du für den ja zu machen scheinst, oder? Gerade den Kronos in so einem Zusammenhang zu bringen, da würde sich der arme Stockhausen regelrecht im Grabe übergeben, wenn er das jetzt lesen müsste! Das grenzt schon fast an Beleidigung seiner Kunst! Auch Liebe hat ihre Grenzen oder gilt es die jetzt auch schon zwanghaft zu überschreiten? :lollo:

Gegen den Kronos und seine 9 Synthesen (von denen so einige nur verschiedene Sample Sachen sind) ist sogar Ableton ohne weitere VSTs eine andere Galaxie! Jeder sollte seine Suppe aufessen, auch die alten Workstation "Waisen", ich tät sogar sagen, die ganz besonders? :D
 
Klaus P Rausch schrieb:
Ich habe diesen Fred mal verfolgt und bin eigentlich überrascht, dass ein Studium der Stockhausen Werke und Bio sowie vor allem seiner Erläuterungen gerade bei Elektrolurchen nicht flächendeckend als gewisse Grundausbildung angesehen wird. Und fast zwingend in der Folge als Inspirationsquelle erster Güte. Na ja, lässt sich ja nachholen.
Ich schätze, für meisten ist Musik/Gear ein Hobby. Es dürfte an Zeit und Muße mangeln.
Eine Inspirationsquelle für den Umgang mit Sounds ist das in der Tat. Ich brauche immer 'ne Weile zu etwas Zugang zu finden, besonders wenn es mehrere Türen gibt. Das Erste das ich seinerzeit von Magma hörte, war die Attahk. Hätte ich mit der MDK angefangen, wär's das gewesen. Die Musikbeschaffung war damals (Prä-CD-Zeit) nicht ganz so einfach.
 
An Zeit mangelt es nie, denn es kommt drauf an, mit was man sich beschäftigt. TV gucken? Kann man machen, oder sich stattdessen halt auch mit Stockhausen befassen. Geht ja auch nicht darum, das wie Schulunterricht zu betrachten, sondern einfach dauerhaft zu studieren, immer wieder mal, das erstreckt sich über viele Jahre. Und eine gewisse Schnelligkeit in der Erfassung anzueignen. Man kann durchaus alles mögliche anklicken im Netz, aber eben schnell merken, mit was man es zu tun hat und seine Zeit eben nicht mit Trash verschwenden. Stockhausen hat Substanz, die reicht von hier bis Spanien. Ist einfach das bessere Programm, denn letztlich tut man das ja für sich selbst, purer Künstleregoismus.

@clippie: Herrje, dein Hobby ist manchmal gründlich missverstehen. Ich sage ja nicht, dass es keine anderen Methoden gäbe. Und meinen Text als Kronos = Universum aufzufassen schlicht neben der Spur. Allerdings habe ich konkrete Hinweise gegeben, was genau beim Kronos der Trick ist, warum er sich für solche Musiken eignet. Das hat nichts mit den 9 Engines zu tun, von denen du sprichts. Es geht insbesondere ums Handling. Das allerdings lernst du erst mit der Zeit bei der Maschine. Ich würde den jederzeit als Mastereinheit für Ableton plus VSTs nehmen, wenn sich das anbietet. Wenn du dir schon anmaßt, für Stockhausen zu sprechen, muss eher ich lachen :) Dass der im von Salz zitierten Clip mit Notator gearbeitet hat, schätze ich eher als Krücke ein, die er halt genommen hat, weil es nichts anderes gab damals. Wüsstest du etwas mehr über Stockhausens Ansätze, würdest du das nicht hinschreiben. Befasse dich einmal mit der Herangehensweise, die während der dargebotenen Komposition spontane Einzelreaktionen ermöglichen soll. Es hat in dieser Hinsicht also nichts mit den Klängen zu tun, die du beim Stichwort Kronos assoziierst. Das geht weit darüber hinaus, die Kontrolleinheit wird zum Dienstleister des Komponisten und das möglichst ohne große Umwege sehr konfortabel. Wir sprechen dabei also von modernen Masterkeyboards, nicht von Ableton oder Sound Engines, das ist völlig sekundär. Im besten Falle ist das alles unter einer Haube, weil es dem Komponisten dienen muss.

Es stimmt, dass der Kronos meistens von Covermusikern benutzt wird, die Korgies machen sogar Sounds für 80er Jahre Hits.

Das hat NICHTS mit meiner Herangehensweise zu tun. Ich betrachte und benutze das Instrument völlig anders. Das könnte auch ein anderes sein, solange es solche Features mitbringt, die ich oben beschrieben habe. Und noch eins: Auch das benötigt Zeit und Übung, bis das so klappt. In meinem Falle jetzt etwa 4 Jahre, und ich lerne da ständig noch dazu. Daher erkenne ich auch oberflächliches Gefasel sehr schnell, mir kann man da recht wenig vorgaukeln. Bei dir sehe ich 2 Herzen schlagen: Eins ist sehr passioniert und bemüht sich mit Wonne, das andere ist von Eitelkeit geprägt und lehnt sich nach dem 4. Bier aus dem Fenster, unnötigerweise :)
 
clipnotic schrieb:
Ja genau, jetzt auch noch den Kronos als Universum darstellen??? Echt Klaus, so schöne Sounds Du für den ja zu machen scheinst, oder? Gerade den Kronos in so einem Zusammenhang zu bringen, da würde sich der arme Stockhausen regelrecht im Grabe übergeben, ..
Stockhausen + Sohn hatten kein Problem damit, kommerzielle Synthesizer einzusetzen.
s42bOp.jpg
 
Nur lässt sich damit nicht live die elektronische Fassung von Kontakte live spielen. Für seinen Sohn hat er ja das Zeugs bei mir eingekauft.
 
Ja ja, das ist ist ganz normal wenn Workstations mit ins Spiel kommen, genau deshalb haben die sich in den letzten zig Jahren ja auch so sehr weiter entwickelt! :lollo:

Selbst zwischen Notator und dem was der Kronos als "Neuzeit Bedienung" bringt liegen immer noch Welten und sogar Karma ist in der Kiste grundlos beschränkt, weil man den Stephen Kay scheinbar auch nicht alles machen lässt, was der eigentlich an brillanten Ideen noch hätte dafür! (Das kommt nicht von mir, sondern konnte man im korgforum lesen! ;-) )

Der Punkt ist einfach der, dass wenn man sich mit der Arbeit von Stockhausen mal beschäftigt und erfährt, mit viel Details der auch gedacht hat bei seinen Herangehensweisen, dann erkennt man, selbst wenn man mit den Werken nicht viel anfangen kann, dass da Welten zwischen dem liegen, was so eine "aufgemotzte" Workstation aus der Steinzeit auch im Jahr 2015 leisten kann. Denn in dem Fall zieht das gerade auch für Workstations übliche Fingerspiel Argument zum Beispiel auch gar nichts und genau deshalb wird einem sogar im korgforum selber regelmäßig von den "Großen" dieser Maschine erklärt, dass man da Ideen festhalten und manche Dinge in der DAW richtig ausrarbeiten soll. Das hat mir sogar Qui Robinez selbst schon mal an Beispielen erklärt und auch gesagt warum und der kennt sich mit der Kiste wirklich gut aus. Und da reden wir jetzt von elektronischer Musik auf "normalem" Niveau und nicht von einer dermaßen großen Ausreizung, wie Stockhausen das gemacht hat1

Wenn wir jetzt über ganz normale elektronische Musik und Standard Lala reden würden, tät ich ja nichts sagen, aber dieser Thread widmet sich ja hauptsächlich dem Stockhausen. Und Stockhausen & Kronos ist wie David Guetta & Harfe! Mir kann man echt viel reindrücken und ich tu mir das meist sogar auch noch an, aber das bestimmt nicht, weil irgendwo gibt es dann doch noch Grenzen, bei aller Liebe zur "Kunst"! :D

EDIT:
Jetzt kommt mir das gerade erst, lieber Klaus, ich habe heute nur ein einziges Bier getrunken, nicht vier! :mrgreen:
 
clipnotic schrieb:
Der Punkt ist einfach der, dass wenn man sich mit der Arbeit von Stockhausen mal beschäftigt und erfährt, mit viel Details der auch gedacht hat bei seinen Herangehensweisen, dann erkennt man, selbst wenn man mit den Werken nicht viel anfangen kann, dass da Welten zwischen dem liegen, was so eine "aufgemotzte" Workstation aus der Steinzeit auch im Jahr 2015 leisten kann.

An welcher Stelle siehst du ein Problem, das Werk Kurzwellen von Stockhausen in einer Bearbeitung für 6 Korg Kronos aufzuführen[1]?
(Außer dass die Erben dir juristische Knüppel zwischen die Beine werfen könnten... Immerhin hast du die sonstige Rechteverwerter-Mafia nicht an der Backe, die dich wegern der Radiosamples an den Eiern aufhängen würde ... )

Ein wenig weiter gedacht: wir haben hier doch immer mal wieder die Diskussion, in wie weit man als Live-Act mit vorproduzierten Loops an den Start geht bzw. gehen darf. Die Möglichkeit komplexe, vorproduzierte Teile live aufzuführen haben die damals als Errungenschaft gesehen, nicht als Fluch oder Schummeln.
Dafür gibt es dann aber nicht nur ein paar Filterfahrten über die vorproduzierten Loops, und sie werden auch nicht automatisch taktgenau eingestartet, nachdem man irgendwann vorher mal einen Button gedrückt hat [2]. Sondern es gibt ein speziell für diese Komposition gebautes Instrumentarium, was nach vorbereiteten Regeln eingesetzt wird. Wenn du lästern willst, kannst du ganze Stapel von Club-Produktionen auf diese Weise als unterschiedliche Aufführungen des gleichen Werkes betrachten.

Grade dieses *bauen* eines individuellen Instrumentes scheint mir der Kronos recht gut zu können.

(Nur) In der Anfangszeit der Elektronischen Musik gab es eine deutliche Abkehr vom Instrumenten-Konzept überhaupt. Ich habe den Eindruck, dass Stockhausen da eine wirklich universelle Komposition anstrebte, bei der jedes überhaupt hörbare Detail durch den Komponisten auskomponiert wurde. Dabei ist er auf praktische Probleme gestoßen, heute wissen wir, dass das auch theoretisch nicht geht, egal welche tolle Technik man hat. Insofern gab es dann später eben (wieder) alle Varianten von Vollsynthetisch bis Samples und der Einbindung von traditionellen Instrumenten, gerne auch Live von Musikern gespielt[3].
Hier kommt es mir so vor, als ob du den Kronos an dieser Ur-Wunschvorstellung misst, und die moderne DAW als "theoretisch müsste sie das können" Lösung dagegen hältst. Kann sie nicht, scheitert prinzipiell am Menschen, der davor sitzt.

=========
[1] Den imaginären Aspekt des "Fernempfanges" der Soundschnipsel mit einem durch den Aufführungszeitpunkt und Ort bestimmten, in weiterem Sinne also zufälligen Inhalt, habe ich hier mal ausgeklammert. Die Wirkung von KW Empfängern auf das Publikum ist heute aber sowieso eine völlig andere als damals. In der Aufzeichnung wird dann auch ziemlich egal, woher das Rohmaterial kommt oder ob die Abstimmgeräusche "echt" sind. YMMV.

[2] Wobei ich nix gegen diese "Echtzeit-Strategiespiel" Live-Nummer habe, aber den Blick über den Tellerrand befürworte.

[3] Das es eine kontinuierliche Aufführungspraxis durch Musiker gab finde ich überhaupt bemerkenswert, wenn auch nicht erstaunlich. Das gibt "die Theorie" ja eigentlich nicht her, die Loslösung vom Musiker wird ja durchaus als Errungenschaft gesehen.
 
Bei Kurzwellen kommen keine Kurzwellen-Samples zum Einsatz. Das Stück läuft unter "Live Elektronik", wobei die Ensemble-Mitglieder jeder einen Kurzwellenempfänger bedienen und nach Spielanweisung auf das Material und auf das der anderen Mitspieler reagieren und dieses transformieren. Ich habe 1ß71 einen einjährigen Kurs bei Michael Vetter zu intuitiver Musik belegt, da war das wie auch die Komposition "Spiral" Grundlage.

https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Vetter


SPIRAL für einen Solisten (1968)

(geschrieben Januar 1970)

In SPIRAL werden Ereignisse, die ein Solist mit einem Kurzwellenradio empfängt, imitiert, transformiert und transzendiert.
Außer dem Radio kann er ein beliebiges Instrument, mehrere Instrumente, Instrument und Stimme, oder nur die Stimme benutzen.
Zur räumlichen Projektion und Verstärkung von Instrument, Stimme und Kurzwellenklängen benötigt er Mikrophone und wenigstens zwei Lautsprecher.
Die Lautsprecher können von einem Assistenten geregelt werden, um das Verhältnis von Direktklang und Lautsprecherklang musikalisch zu gestalten.
SPIRAL ist eine Folge von Ereignissen, die durch verschieden lange Pausen getrennt werden. Ein Ereignis wird entweder gleichzeitig mit KW-Empfänger UND Instrument/Stimme realisiert, oder NUR mit Instrument/Stimme. Das erste Ereignis muß mit KW-Empfänger und Instrument/Stimme realisiert werden. Seine Dauer, Lage, Lautstärke, rhythmische Gliederung sind relativ frei.
Einem KW-Ereignis soll sich das gleichzeitige Instrumentale/Vokale so angleichen, daß es mit ihm verschmilzt.
Vom zweiten Ereignis ab ist der Wechsel von Ereignissen mit oder ohne KW-Empfänger frei; es soll jedoch ein ausgewogenes Verhältnis der Ereignisse mit und ohne KW-Empfang angestrebt werden.
Für das zweite und jedes weitere Ereignis bestimmt der Solist Dauer, Lage, Lautstärke und rhythmische Gliederung gemäß der fortlaufenden Reihenfolge von Transformationszeichen, die in einer Partitur notiert sind.
Alle anderen Eigenschaften - Klangfarbe, Proportionen der rhythmischen Glieder, Melodik, Harmonik, vertikale Schichtung usw. -, die sich aus einem KW-Ereignis ergeben, sollen mit Instrument/Stimme so genau wie möglich imitiert werden; sie werden von Ereignis zu Ereignis möglichst beibehalten, bis sie sich durch ein neu gewähltes KW -Ereignis erneuern. Beim Suchen eines Kurzwellenereignisses soll man leise von Sender zu Sender wechseln, bis man etwas gefunden hat, was den notierten Verhältnissen der Tonhöhenlagen entspricht. Darüber hinaus aber ist für die Wahl entscheidend, daß der Solist eine möglichst breite Skala zwischen konkreten und abstrakten Klangereignissen in einer Interpretation anstrebt und sich immer der nächsten Transformation bewußt ist, die er mit diesem Ereignis durchzuführen hat. Er soll bei einzelnen Sendern verschieden lange verweilen, und auch das Suchen sollte immer musikalisch artikuliert sein.
Außer einfachen Transpositionen (wie höher - tiefer, länger - kürzer, leiser - lauter, mehr Glieder - weniger Glieder) gibt es noch besondere Transformationen: Ornamentierung, polyphone Artikulation, periodische Gliederung, Echos, 'Erinnerungen', 'Ankündigungen', Permutation von Gliedern, lange bandförmige Verdichtungen von Elementen, akkordische Raffungen, Spreizungen, Stauchungen.
Ab und zu kommt eine Transformation vor, die dieser Prozeß-Komposition den Namen SPIRAL gab:

»Wiederhole das vorige Ereignis mehrmals,
transponiere es jedesmal in allen Bereichen
und transzendiere es über die Grenzen
deiner bisherigen Spiel-/Gesangstechnik
und dann auch über die Begrenzungen
deines Instrumentes/deiner Stimme
hinaus.
Hierbei sind auch alle visuellen, theatralischen
Möglichkeiten angesprochen.
Behalte von nun an, was du in der
Erweiterung deiner Grenzen erfahren
hast, und verwende es in dieser und
allen zukünftigen Aufführungen von SPIRAL.«

Besitzt nicht nahezu jeder einen Kurzwellenempfänger? Und hat nicht jeder eine Stimme?
Wäre es nicht für jeden eine künstlerische Lebensform, das Unvorhergesehene, das man aus einem Kurzwellenradio empfangen kann, in neue Musik zu verwandeln, das heißt, in einen bewußt gestalteten Klangprozeß, der alle intuitiven, denkerischen, sensiblen und gestalterischen Fähigkeiten wachruft und schöpferisch werden läßt, auf daß sich dieses Bewußtsein und diese Fähigkeiten spiralförmig steigern?!

SPIRAL ist im September 1968 in Madison/Connecticut entstanden. Michael Lorimer, ein junger amerikanischer Gitarrist, kam im August 68 nach Darmstadt. Er hatte mich schon des öfteren um eine Komposition für Gitarre gebeten und wollte mir alle Möglichkeiten des Gitarrespiels und der bereits vorhandenen Kompositionen für Gitarre zeigen. Ich begann im September mit einer Komposition für Gitarre, kam aber einfach nicht voran, da ich nicht den nötigen Enthusiasmus hatte, bei jedem Akkord, bei jeder Passage die Fingerstellungen auszuprobieren. Endlich legte ich die Arbeit beiseite und begann mit der Komposition SPIRAL, die an die früheren Prozeß-Kompositionen PROZESSION und vor allem KURZWELLEN anknüpfte, und die sich - nach den Erfahrungen der ersten Aufführungen der Textkompositionen AUS DEN SIEBEN TAGEN - in den Anforderungen des Spiralzeichens an den Spieler auf metamusikalische Erfahrungen richtete.
Lorimer kam dann nach Madison, war höchst überrascht über das Resultat und auch wohl ein wenig enttäuscht, da er nach mehreren Tagen intensiven Übens das Stück "viel zu schwer" fand und , "lieber etwas Leichteres" gehabt hätte.
Die erste Aufführung spielte der Oboist Reinz Rolliger auf der Biennale in Zagreb im Mai 1969, und im Juni 1969 machte Michael Vetter (elektrische Blockflöte) die ersten Schallplattenaufnahmen.

Ergänzung Ende 1970:
Während der Weltausstellung EXPO 70 in Osaka, Japan, wurden täglich von 15.30 bis ca. 21.00 Uhr Werke Stockhausens von 20 Musikern im Kugelauditorium des Deutschen Pavillons für über 1 Million Zuhörer live aufgeführt.
Eines dieser Werke war SPIRAL, das mehr als 1300mal vom 14. März bis zum 14. September 1970 täglich in verschiedenen Versionen gespielt oder gesungen wurde.


Karlheinz Stockhausen – Texte zur Musik
Band 3, 1963-1970
u.a. Grundlage.
 
Das soll ja nun auch kein Kronos Thread werden, einfach mal mit dem Ding beschäftigen und das auch mal Jemand, der nicht Sounds dafür baut oder sowas, sondern der sich auch mal umfassend mit DAW Möglichkeiten etc. befasst und sich auch die Arbeitsweise von Stockhausen mal genauer angeguckt hat. Man kann sich so ein Ding auch mal 30 Tage heim holen, dass reicht locker aus, um zumindest schon mal zu erkennen was da Bedienung bedeutet. Weil das haut einfach so nicht hin und wenn man das mit Loops vorbereiten machen will, dann kann man sich auch einen Volca Sampler mitnehmen und einfach Play drücken oder stellt gleich einen Laptop hin und lässt den 21 Stunden durchlaufen, der hat wenigstens die Speicherkapazitäten dafür! :D

Echt jetzt, so gut wieder jeder weiß mittlerweile, wie eingeschränkt Workstations gerade im Detail auch sind und das man dann her geht und die für sowas wie hier einsetzen will, als Kopfhammer Challenge kann man es ja gerne machen ...
 
nordcore schrieb:
dass Stockhausen da eine wirklich universelle Komposition anstrebte, bei der jedes überhaupt hörbare Detail durch den Komponisten auskomponiert wurde. Dabei ist er auf praktische Probleme gestoßen, heute wissen wir, dass das auch theoretisch nicht geht, egal welche tolle Technik man hat.

Kannst Du das näher erklären?

Abgesehen davon daß jedes Gehör (& Kopf) eine etwas andere Transferfunktion hat,
und allein schon deswegen jeder etwas anders hört, versteh ich nicht warum das nicht ginge.
 
König Alfons schrieb:
Bei Kurzwellen kommen keine Kurzwellen-Samples zum Einsatz.

Ja, das ist klar, auf diesen Punkt bezog sich auf der Hinweis auf den erwartbaren Streit mit den Kompositions-Rechte-Inhabern, wenn man die Radios durch aus (geclearten) Samples und Ringmodulatoren gebaute Sound-Äquivalente ersetzt.
Deswegen auch "Bearbeitung" und nicht "Aufführung".

Auf Dauer wird man um eine Bearbeitung übrigens nicht drum herum kommen, denn Kurzwellensender sterben aus und die live ausgewählten Passagen aus dem Äther werden in dem Moment der Aufführung zu einem ungeclearten Sample, bei dem heute juristische Problem zu erwarten sind. Oder man führt das Werk eben nicht mehr auf, und begnügt sich mit den alten Aufnahmen, bei denen diese illegale Verwendung Urheber- und Leistungsrechtlich geschützten Materials noch toleriert wurde.
 
memristor schrieb:
Kannst Du das näher erklären?

Abgesehen davon daß jedes Gehör (& Kopf) eine etwas andere Transferfunktion hat,
und allein schon deswegen jeder etwas anders hört, versteh ich nicht warum das nicht ginge.

Es gibt heute diese universellen Traumsynthesizer, die jeden nur denkbaren Klang erzeugen können. Davon hast du sogar eine knappe Handvoll auf deinem Rechner: MP3, OGG-Vorbis und AAC-Player.
Das sind effektiv additive Synthesizer, die aus einer "Notation" jede per Gehör unterscheidbare Musik erzeugen können.
Die geringen Mängel, die hier und da auftreten kann man, im Rahmen meiner Abschätzung, durchaus tolerieren. Jedenfalls hat sich keiner hier über die Audio-Kodierung der verlinkten Videos im Track in einer Weise geäußert, dass diese das Werk entstellen würde.

Der Haken an den Dingern: wir können sie nicht bedienen. Aber ich kann abschätzen, welcher Datenstrom nötig ist, um das Resultat zu erzielen. Das ist erstaunlich konstant über die diversen Ansätze in der Größenordnung 100kBit/sekunde. (Bitte beachten: Größenordnung, also nicht 10kBit und nicht 1Mbit. Irgendwelche Goldöhrchendiskussionen sind da völlig fehl am Platze!)

Ebenso können wir aus der Kompression von geschriebenem Text abschätzen, dass zwischen einer lesbaren Notation und der optimal kodierten Version etwa ein Faktor 10 zu erwarten ist. (Auch hier wieder: nicht 1 und nicht 100.)
Damit haben wir etwa 120kByte lesbare Notation pro Sekunde Audio, das sind 60 Schreibmaschinenseiten. (In einer fiktiven Notationsprache, die eben alle Aspekte von Klang und Komposition unter einen Hut bringt.)
Das halte ich für nicht handhabbar.
 
clipnotic schrieb:
Ja ja, das ist ist ganz normal wenn Workstations mit ins Spiel kommen, genau deshalb haben die sich in den letzten zig Jahren ja auch so sehr weiter entwickelt! :lollo:

Selbst zwischen Notator und dem was der Kronos als "Neuzeit Bedienung" bringt liegen immer noch Welten und sogar Karma ist in der Kiste grundlos beschränkt, weil man den Stephen Kay scheinbar auch nicht alles machen lässt, was der eigentlich an brillanten Ideen noch hätte dafür! (Das kommt nicht von mir, sondern konnte man im korgforum lesen! ;-) )

Der Punkt ist einfach der, dass wenn man sich mit der Arbeit von Stockhausen mal beschäftigt und erfährt, mit viel Details der auch gedacht hat bei seinen Herangehensweisen, dann erkennt man, selbst wenn man mit den Werken nicht viel anfangen kann, dass da Welten zwischen dem liegen, was so eine "aufgemotzte" Workstation aus der Steinzeit auch im Jahr 2015 leisten kann.

Kurz und knapp: Nein.

Ohne auf die Beschränkungen des Kronos einzugehen, er ist geeignet dafür, dass man sich den auf persönlichen Bedarf zurechtschnitzt. Das ist ein dauerhafter Prozess, der im Laufe der Zeit verfeinert wird, wenn man das will. Der Großteil der Kronos Besitzer braucht das nicht, aber über die spreche ich in diesem Fred ja nicht.

Wie schon dargelegt, kann man das auch mit anderen Maschinen machen, der Kronos ist lediglich exemplarisch gemeint und da ich mich bereits ganz gut damit auskenne, kann ich es auch erläutern. Was in diesem Fred stichpunktartig geschieht, ist nämlich hier kein Kronos Tutorial Fred. Den Rest kann sich jeder, der bereitwillig Hausaufgaben macht, selber aneignen.

Es ist Binsenweisheit, dass man das auch gestückelt mit Computer plus Softwareinstrumente machen kann. Aber es geht mir ja um zeitsparendes komfortables Handling, das der kompositorischen Arbeit nicht im Wege steht und unnötig Zeit stiehlt. Da hast du nämlich noch dran zu arbeiten, denn dein kürzlich in diesem Zusammenhang geposteter Minitrack verlangte dir nach eigenen Angaben 37 Minuten Arbeit ab. Das ist für das Resultat entschieden zu lang, 12 wären effizient. Wenn überhaupt. Dorthin geht also die Reise bei einer Workstation. Welche das ist, ist völlig sekundär.
 
König Alfons schrieb:
Eines dieser Werke war SPIRAL, das mehr als 1300mal vom 14. März bis zum 14. September 1970 täglich in verschiedenen Versionen gespielt oder gesungen wurde.

In dem Kontext ist die KW-Version dann natürlich etwas sehr eigenes und man wird sich sehr schwer tun, da ein Äquivalent zu finden, das ohne KW auskommt.
 
clipnotic schrieb:
Man kann sich so ein Ding auch mal 30 Tage heim holen, dass reicht locker aus, um zumindest schon mal zu erkennen was da Bedienung bedeutet.

Never ever.

Da kratzt man nichtmal die Oberfläche an. Ein Jahr mindestens, und dann nicht nur einmal pro Woche ein paar Stunden.

Zuerst die Maschine kennenlernen, dann den eigenen Bedarf definieren, anschließend Umsetzungskonzepte entwickeln. Dann Praxiserfahrung damit sammeln. Schließlich Kompositionen der ernsthaften Art erarbeiten und einspielen.

30 Tage ha ha :)
 
nordcore schrieb:
Der Haken an den Dingern: wir können sie nicht bedienen. Aber ich kann abschätzen, welcher Datenstrom nötig ist, um das Resultat zu erzielen. Das ist erstaunlich konstant über die diversen Ansätze in der Größenordnung 100kBit/sekunde. (Bitte beachten: Größenordnung, also nicht 10kBit und nicht 1Mbit. Irgendwelche Goldöhrchendiskussionen sind da völlig fehl am Platze!)

Doch das kann man eigentlich schon - mit Metakontrolle, deskriptiv.
(Zumal die Ebene der Information auch nicht die ist die tatsächlich ankommt, oder immer relevant wäre - auch wenn das nur ein Nebenaspekt ist.
zB läge schnell gespieltes Alle meine Entchen nur mit Sinuston durchaus in dem Bereich den man vollständig auch ohne Metakontrolle beschreiben könnte, von Hand.
Man würde aber auch das immer deskriptiv machen)

Will ich daß der Ton immer exponentiell ausklingt, bediene ich mich der Metakontrolle "Hüllkurvengenerator" - muss also nicht in jedem Frame
oder gar Sample von Hand den Wert bestimmen - auch wenn das auch noch machbar wäre.
Anders gesagt die mögliche Informationsdichte muss nicht ausgeschöpft werden, wird sie auch nie, und viele Informationen /EDIT: auf einmal/ kann man deskriptiv steuern
- deterministisch, also bis in jedes Detail
Das ist ja gerade der Punkt der elektronischen Musik, und Teil meiner Kritik an Stockhausen und anderen, daß er dem eigenen Anspruch nicht gerecht wird.


Und tatsächlich macht der Codec wie Du ja schreibst das nicht einmal, das Stück 1:1 codieren - könnte er, tut er aber nicht.
Es ist bereits Metakontrolle, wenn auch nach anderen Gesichtspunkten, ebenfalls deterministisch bis in jedes Detail,
wenn auch nicht durch den User, und offenbar im Detailgrad ausreichend, (angeblich) gleich im Höreindruck.

Ein anderes Beispiel wäre eine Stunde weißes Rauschen - leicht deskriptiv zu erzeugen, in dem Fall ebenfalls zwar determiniert für jeden Zeitpunkt,
aber ohne Kontrolle über den absoluten Wert hier oder dort.
Nur spielt das für den Höreindruck keinerlei Rolle - man könnte willkürlich einzelne Samples ändern und der Höreindruck wäre derselbe.
Dh der Komponist von "Eine Stunde weißes Rauschen" hat die Kontrolle über jedes hörbare Detail.

Das soll jetzt aber weniger ein Widerspruch als eine Ergänzung sein weil das vielleicht ein bischen eine Standpunktsache ist (für mich eigentlich nicht).
 
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14024352.html

1973 berichteten zwei Psychiater, Stockhausen-Interpreten litten häufig an "Depressionen", "abdominellen Beschwerden" und "Impotenz" und würden vor Aufführungen mit "Ohropax" und Kopfschmerztabletten versorgt.
Vielleicht sollten wir doch lieber Abba hören oder sowas.

Wie auch immer, das Interview (von 1983) ist recht interessant und liefert sogar etwas Erkenntnis:
1. wenn die Kölner den Mann nicht ausstehen konnten, kann so schlecht nicht gewesen sein [Das ist die "kölsche Art", einen fertigmachen zu wollen].
2. mir fehlt der kosmische Schlüssel ums gänzlich zu begreifen

 
Ach Klaus, das ist immer wieder das Gleiche bei Euch Workstation Liebhabern. Ihr erzählt, dass Ihr Jahre lang da die größten Dinge am entdecken seid und die Kisten ja so dermaßen deep sind etc. Steck mal 4 Jahre in Ableton oder eine andere freaky DAW außer Cubase und dazu noch in die aktuelle VST Welt, dann wirst Du nach 4 Jahren feststellen, dass so ein Kronos gar nicht mehr so mega deep ist im Vergleich! Denn selbst so manches VST alleine hat schon dermaßen viel drin, dass man wohl ewig nicht fertig wird damit. Gut, der Kronos kann wirklich weit mehr als die Konkurrenz Kisten in dem speziellen Gear Bereich, aber das ist schon lange kein Raumschiff mehr in der gesamten Gear Welt. Das war zu Oasys Zeiten vielleicht noch anders, aber echt, die Welt um Workstations herum hat sich gewaltig weiter entwickelt! Und beachte, ich hab nicht gesagt, dass man den Kronos in 30 Tage komplett blickt, sondern dass man in 30 Tage schon erkennt, was da "Bedieung" bedeutet, das ist ein großer Unterschied und ich hab insgesamt weit mehr als 30 Tagen in diesen Kronos investiert und vermiss davon überhaupt nichts, außer Karma vielleicht!

Aber ich würde sagen, wir lassen die Kronos Diskussion nicht wieder ausufern, wenn Du anderer Meinung bist, ist das für mich völlig in Ordnung! Weil sonst macht der Moogulator wieder mal mehrere Threads draus, damit "Ordnung" hier herscht usw. ... :D
 


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