DigIt ist für mich die Platte, die einen deutlichen Wendepunkt in Schulzes Schaffen darstellt, klanglich wie musikalisch: Die Art von Klangfarben, die er verwendet, paßt ganz und gar nicht zu seinem doch eher hemdsärmelig-unpräzisen Spiel, und die Klarheit der Farben bringt seine kompositorischen wie spielerischen Defizite erschreckend zum Vorschein. DigIt war für mich immer eine an Langweile und Stumpfsinn kaum zu überbietende Platte, und das hat sich seither nicht großartig geändert mit allen darauf folgenden Alben.
Der weiter oben ins Feld geführte Vergleich zwischen Picture Music und Phaedra -- weil beide 1974 erschienen -- zeigt deutlich die musikalische, klangliche und inhaltliche Diskrepanz zwischen Schulze und TD: Während Schulze sich auf ein paar Zufallsmuster aus dem ARP Odyssey und ein wenig Improvisation darüber zufrieden gibt, hier und da ein bißchen orgelt oder den EMS zwitschern läßt, scheinbar völlig willkürlich das Tempo anzieht -- oder krautrockig herumtrommelt --, verpaßt er für mein Empfinden komplett den Zielbahnhof -- und bleibt dabei klanglich wie musikalisch sehr eindimensional. Die Platte ist sehr schnell durchhört (im Sinne von durchschaut) und kann später durch ihre eher hemdsärmeligen Tricksereien nicht mehr wirklich überraschen und ist allenfalls nett, in ihren unnötigen Brüchen eher störend und nicht wirklich befriedigend. Dieses Album zeigt auf erschreckende Weise, wie wenig damals nötig war, um sich als bahnbrechend zu etablieren: Man mußte nicht besonders gut sein, man mußte nur der Erste sein, der sowas machte, das reichte dann schon.
Phaedra hingegen ist eine Platte, die -- gerade im Titelstück -- eine Stimmung erzeugt, die ich immer wieder faszinierend finde: Ich weiß genau, welche Instrumente wie eingesetzt werden, und dennoch verknüpft sich das Ganze in einer Art und Weise, daß ich immer noch nicht durchhört habe, wie die das eigentlich gemacht haben. Hält man dann noch im Hinterkopf, daß das Titelstück im Grunde nur ein Mitschnitt einer Probe und einer VCO-Stimmsession war, dann hat diese Comedy of Errors für mich sehr viel Magie eingefangen. Den anderen Titeln merkt man an, daß TD an einem Scheitelpunkt ihrer Arbeit angekommen waren: Es wird noch mellotronig georgelt wie auf Atem, es wird schon mit Sequenzermustern experimentiert, es gibt noch Stücke, die sich um einen Flötenloop drehen, die Richtung ist noch nicht klar, es ist nur klar, daß nichts mehr so sein wird wie zuvor. Selbiges merkt man Froeses etwa zeitgleich produziertem Album Aqua an.
Fazit 1: Beide Alben sind für mich wichtig, aber TD haben hier für mich eindeutig mehr Substanz am Knochen, die auch noch nach mehr als 45 Jahren immer noch etwas abwirft (und bereits davor hatten sie es ebenfalls, man vergleiche das eher biedere Cyborg mit Zeit oder Atem). Schulze hat für mich erst ab Moondawn und Body Love gut funktioniert -- die Timewind ist toll, weil ich immer noch nicht durchschaut habe, wie er diese Sequenzerarbeit verrichtet hat, aber das Album an sich leidet an einer doch eher lausigen Produktionsqualität und klingt auf Dauer schmerzhaft, weil die Mitten so überpräsent sind, untenrum alles fehlt und obenrum der EMS nervt. Nach der doch ziemlich breitgetretenen Mirage, die sich irgendwann zu Tode klingelt, kommt nur noch das größenwahnsinnige X-Album, das für mich wie ein Vorgriff auf Platten der 1980er im Popsektor klingt, welche alle unter dem Einfluß eines weißen kolumbianischen Pulvers entstanden sind.
Fazit 2: Ich fand Schulze zeitlich eher kacke als TD. Ab der obengenannten DigIt konnte ich mit Schulze nichts mehr anfangen, und Alben wie Inter*Face hört man nicht nur den Mangel an Einfällen, sondern auch Schulzes persönliches Dilemma an -- solche Alben macht man nur im Vollrausch, der jegliche künstlerische Selbstkritik von vorneherein ausschaltet. TD haben -- mit Einschränkungen -- bei mir bis 1984 durchgehalten, aber spätestens nach dem Weggang von Schmoelling und der damit verbundenen deutlichen Veränderungen der klanglichen und kompositorischen Palette, habe ich jegliches Interesse an Froeses Kapelle verloren, weil ich mich musikalisch wie klanglich einfach nur noch verarscht gefühlt habe. Das war weder die Musik, die ich hören wollte, noch die Musik, die ich selbst gerne hätte machen wollen.
Fazit 3: Schulze war für mich 1988 zum ersten Mal bewußt befreiend in seinem Ansatz -- dieses Abfahren und Sich-Gehenlassen kannte ich bis dato nicht als Bestandteil des Musikmachens. Das war sehr punkig in seiner Befreiungswirkung. TD waren da viel steifer und kopfiger -- und mir nicht annähernd so sympathisch wie der Abfahrer Schulze. Die Grenzen dieser Abfahrerei habe ich dann schnell am eigenen Leib erleben müssen und gemerkt, daß es auf Dauer kein musikalisch tragfähiges Konzept ist. Schulze hat das nie gemerkt, und als er dann einen auf ernsthaften Komponisten machte, ging das für ihn gründlich in die Hose, das war doch eine eher peinliche Lachnummer. Vor diesem Hintergrund haben -- vor allem klanglich und atmosphärisch -- TD für mich die längere Nachwirkung, vermutlich, weil dort mehr Substanz vorhanden war und die Chemie der drei Bandmitglieder eben eine ganz eigene Klangfarbensprache mit sich brachte.
Dieser Vergleich ist natürlich unfair dem Einzelkämpfer Schulze gegenüber, aber andererseits haben auch Kollaborationen bei Schulze keine entscheidenden neue Impulse gegeben, egal, ob es Arthur Brown, Rainer Bloss, Michael Shrieve, Steve Jolliffe oder die Technotypen wie Snap oder Namlook waren -- daß Schulzes Hemdchen mittlerweile ziemlich fadenscheinig geworden war, konnten auch die nicht vertuschen. Schulze war da irgendwie ein altes Fred Perry Hemd, das völlig abgetragen war, aber trotzdem immer noch ein Fred Perry Hemd -- da bringt der Name mehr als das Hemd.
Stephen