Ich bin nur noch selten hier im Forum. Aber da es mich, in meiner intensivsten Schaffensphase, schon seit 2005 begleitet und auch weil es ein Teil meiner eigenen Geschichte ist, ein paar kurze Zeilen dazu.
Heute vor genau 33 Jahren war der Fall der Berliner Mauer. Wie einige hier sicher wissen, bin ich in der DDR aufgewachsen. Ganz genau, im westlichsten Zipfel des ehemaligen Bezirk Cottbus. Meine Kindheit war unbeschwert und ich führte das typische Leben eines Jugendlichen zwischen verpflichtendem Pionier-Nachmittag und dem heimlichen Hören und Mitschneiden von West-Radio Sendungen. Nur einmal wurde ich von der Schule nach Hause geschickt, weil ich eine Levis Jeans-Jacke mit einem westlichen Aufnäher trug, die ich von einem Jugendfreund meines Vaters aus Köln geschenkt bekommen hatte. Aber egal. Man hatte sich mit den Umständen irgendwie arrangiert, so wie die meisten Menschen im Osten.
Im Jahr 1989 änderte sich aber plötzlich einiges. Ich machte gerade meine Lehre als KFZ Schlosser und wohnte weit ausserhalb in einem Internat. Ein frischer Wind wehte aus der Sowjetunion herüber. Perestroika. Gorbatschow machte keinen Hehl daraus, dass er die DDR Führung nicht mehr unterstützen würde , falls das Volk eine Öffnung zum Westen möchte. Das machte den Menschen hier Mut und aus einer kleinen Flamme der Hoffnung wurde schnell ein grösseres Strohfeuer. Letztendlich ließ sich nichts mehr aufhalten und die Ereignisse überschlugen sich fast täglich. Viele verließen das Land bereits über Ungarn und über die CSSR. Das kam mir nie in den Sinn. Ich wollte hier bleiben und das Land mit verändern. Wir gingen auf Demos und machten Mahnwachen. Und das war nicht ganz ohne, weil niemand genau wusste, ob nicht doch von den Schusswaffen Gebrauch gemacht werden würde. Die Lage spitzte sich immer weiter zu aber es gab kein Zurück mehr. Es war eine sehr spannende Zeit.
Am 9. November '89 fuhr ich gerade mit dem Zug nach Hause, als mich die Nachricht von der Öffnung der Grenze erreichte. Ich konnte es nicht glauben. Das konnte niemand. Aber es war so. Mit meinen Eltern und einem Kumpel fuhren wir am nächsten Tag mit den Trabbi nach West-Berlin. Frühmorgens kamen wir im Süden von Berlin an. Grenzübergang Rudow. Alles war noch stockdunkel. Kaum Menschen. Unsere Pässe wurden gestempelt und wir gingen durch Sperren. Auf einmal standen wir in West Berlin. Einfach so. Ein Polizist begrüßte uns freundlich und zeigte uns den Weg zur nächsten Bushaltestelle.
Dieser Tag war unglaublich und er hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Es war absolut surreal. Wie oft stand ich am Brandenburger Tor und sah rüber zur Siegessäule. So nah und doch so fern. Wissend dort nie ein Fuß hinsetzen zu dürfen. Nungut, jedenfalls waren irgendwann auf dem Ku'damm. Eine völlig andere Welt erwartete uns, die man nur aus dem West-Fernsehen kannte. Ich aß am Abend meinen ersten Döner im Leben. Weil es das billigste war, das man zum Essen kaufen konnte.
An diesem Tag änderte sich mein ganzes Leben und der Schnitt wirkt bis heute nach. Wäre alles so geblieben, dann würde ich heute immer noch in der alten Werkstatt arbeiten, hätte nicht einen einzigen Synthesizer und ich hätte niemals meine Träume verwirklichen können. Dafür bin ich sehr dankbar.
Im Rückblick kam die Wende für mich genau zur richtigen Zeit. Ich war 17 und mir stand die Welt plötzlich offen. Neue Möglichkeiten ergaben sich und ich nutzte sie. Für die Generation meiner Eltern war die Zeit nicht so positiv. Es begann die Auflösung der Betriebe und Zusammenbruch aller gesellschaftlicher Strukturen. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Und viel Bitterkeit die man heute noch oft hier Osten spürt, ist aus dieser Zeit erwachsen. Das Leben in der DDR sollte nichts mehr wert gewesen sein bzw. wurde es entwertet. Das haben viele bis heute nicht vergessen. Nun gut, es gab bislang keine Erfahrungen mit einer Wiedervereinigung. Aber es musste allen klar gewesen sein, dass dies nicht ohne Fehler und Ungerechtigkeiten vonstatten gehen kann.
Ich habe mich wieder mit dem Leben hier arrangiert. Fakt ist, im Westen ist auch nicht alles Gold was glänzt.
Meine Erinnerungen an die DDR sind heute nur noch von nostalgischer Art. Ich weiß, dass nicht wenige gern vor anderen verbergen dass sie aus dem Osten kommen , aber ich bin stolz darauf hier aufgewachsen zu sein und noch immer hier zu leben. Wir haben beide Gesellschaftssysteme kennengelernt. Das hat sich schon oft als Vorteil herausgestellt.
Und in diesem Forum wäre ich auch niemals gelandet.
In diesem Sinne.
Alles Gute für euch.