Es ist aber glaube ich ein recht guter Vergleich. Die alte Geige klingt halt nicht besser als eine neue, vielleicht sogar schlechter aber weil sie eben vom Meister gebaut wurde und unbezahlbar ist, ist es einfach ein anderes Gefühl damit zu spielen.
Es steht schlecht um die Bereitschaft, einen Artikel vollständig zu lesen, wenn offenbar schon die Lektüre des Links "geigen-stradivari-alt-gegen-neu-klang-besser-blindtest" soviel Information zu vermitteln scheint, dass manch einer glaubt, das Lesen frühzeitig einstellen zu können.
Aber Achtung bitte, denn es handelt sich hierbei mitnichten um einen vollständigen deutschen Satz, sondern um eine Folge von Worten, die sich allenfalls in diese zwei – einigermaßen sinnstiftenden – Teile zerlegen lässt:
"geigen-stradivari-alt-gegen-neu" = Neue Geigen werden alten Stradivaris gegenübergestellt, …
"klang-besser-blindtest" = …um in einem Blindtest herauszufinden, welche besser klingen.
Aus dieser Ansammlung von Worten dagegen allein das "neu-klang-besser" herauszuziehen, ist ein reichlich wagemutiges Unterfangen, denn das vordere Überbleibsel "geigen-stradivari-alt-gegen" hängt nun vollständig sinnbefreit in der Luft.
Also wenden wir uns dem Artikel zu: Dieser trägt die Überschrift "KLINGEN ALTE GEIGEN WIRKLICH BESSER?", ist also eine Frage, die der Artikel zu beantworten sucht. Ich halte das in dieser Ausdrücklichkeit nur für diejenigen fest, die in dem verstümmelten "neu-klang-besser" bereits das Ergebnis des Blindtests zu erkennen glauben.
Weiter: Der Artikel beschäftigt sich mit einem Test, bei dem "fachkundigen Zuhörern" (was diese Zuhörer eigentlich "fachkundig" macht, erwähnt der Artikel freilich nicht) in einem Konzertsaal "jeweils drei alte und drei neue Geigen von professionellen Musikern vorgeführt" worden sind, mit dem Ergebnis, "dass ein Großteil der Hörer den modernen Instrumenten ein größeres Durchsetzungsvermögen attestierte als den alten".
Hier stutzt die an Klängen interessierte Leserschaft und fragt sich, ob denn nun ausgerechnet das "Durchsetzungsvermögen" das allein ausschlaggebende Kriterium für die Beurteilung der Frage sein kann, welche Instrumente denn nun "besser" klängen. "Durchsetzungsvermögen" kann ja allerlei Ursachen habe, vor allem eine höhere Lautstärke und ein größerer Obertongehalt.
Nun werden die Fachkundigen hier im Forum – und ihre Zahl ist Legion! – wissen, dass die Klangqualität eines Synthesizers eben nicht daran festgemacht werden kann, ob das Instrument besonders laut ist oder das Filter besonders weit aufgerissen worden ist. Es sind andere, weit subtilere Qualitäten, wegen derer wir uns hier in die immer weniger werdenden Haare kriegen, wenn wir den Klangcharakter eines Instruments zu beurteilen versuchen.
Zurück zum Artikel, der die geneigte Leserschaft darauf hinweist, dass diese Blindtests mit Vorsicht zu genießen seien: "Grundsätzlich ist die Frage, wie aussagekräftig solche Tests sind, nur schwer zu beantworten. Allein neutrale Rahmenbedingungen zu schaffen ist schwierig. Neben der begrenzten Auswahl an Instrumenten spielen unter anderem Faktoren wie die Wahl des Geigenbogens eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jeder Geiger weiß, dass ein und dasselbe Instrument mit einem anderen Bogen völlig anders klingen kann. Auch darf bezweifelt werden, ob ein Musiker aus einem Instrument, mit dem er nicht vertraut ist, auf Anhieb das Optimum der klanglichen Möglichkeiten schöpfen kann."
Weiter im Text: Ein zeitgenössischer Geigenbauer erklärt, dass die Decken alter Geigen aus dünnerem Holz gefertigt worden seien, das zu einem "weicheren, dunkleren Klang" führen würde, "der sehr schön sein kann". Dieser mag dann offenbar nicht so "durchsetzungsfähig" sein, wird aber als "sehr schön" wahrgenommen.
Schließlich kommt der Violinist Christian Tetzlaff zu Wort: "Aus den letzten drei Blindtests mit ganz gesichertem psychologischem Hintergrund wissen wir, dass es grundsätzliche Unterschiede in Qualität oder Klangart zwischen alten und modernen Geigen nicht gibt. Mal hat eine moderne Geige den für alle besten Klang gehabt und mal eine alte. Mal ist eine Stradivari auf dem letzten Platz gelandet, und mal eine moderne irgendwo weit hinten."
Soviel also zur vorschnell-forschen Behauptung: "Die alte Geige klingt halt nicht besser als eine neue, vielleicht sogar schlechter".
Denjenigen, die weiterhin das Preisniveau eines Moog Model 15 glauben beklagen zu müssen, seien die letzten Sätze des Artikels ans Herz gelegt: "Alte Instrumente wie die von Stradivari oder Guarneri sind oft mehrere Millionen Euro wert. Eine moderne, neu gebaute Meistergeige wie die von Stefan-Peter Greiner hingegen kostet nur zwischen 50.000 und 60.000 Euro."
Was haben wir doch für ein Glück, ein so vergleichsweise günstiges Hobby zu haben.