Elektronische Musik live spannend darzubieten ist kein Problem, vor dem nur junge Nachwuchsmusiker stehen. Schon Karl Bartos wußte: "Es ist nicht sonderlich spannend, vier Typen hinter Bügelbrettern zuzuschauen."
Dasselbe Problem hat seit jeher auch Jarre, und bei dem wird die Musik tatsächlich von Händen auf schwarzen und weißen Tasten gemacht, also müßte es eigentlich was zu gucken geben. Ist aber trotzdem nicht genug. Und das ist der Grund für Jarres überbordende Lightshows: damit's
überhaupt was Interessantes zu sehen gibt.
Das Problem, das der Nachwuchs an dieser Stelle hat, ist, daß er selbst für kleine Brötchen nicht das Budget hat. Das war früher noch ein Stück weit einfacher, als Musiker ihre Konzerte und Touren noch aus Albumverkäufen finanzieren konnten. Heute ist es zwar einfacher, was zu releasen, aber schwieriger, da Geld rauszuholen. Und dann stehen die Elektroniker da mit zwei Moving Heads und einem viel zu schwachen gebrauchten Wohnzimmerbeamer, weil es für mehr nicht reicht.
Was auch nicht unterschätzt werden sollte, ist der Umstand, dass bei Synthesizer-lastiger Musik ein erheblicher Teil der Konzertbesucher männlich, im gesetzteren Alter und ausgesprochen technik-affin ist. Ist mir bei der letzten Kebu-Tour aufgefallen, wo sich Kebu (der ja auch hier im Forum unterschiedlich wahrgenommen und geschätzt wird) sehr um eine Performance im klassischen Sinne bemühte. Derlei verpufft aber, wenn ein Großteil der Besucher damit beschäftigt ist, den aufgefahrenen Geräte-Fuhrpark aus allen erdenklichen Blickwinkeln abzulichten und nebenbei noch Gear-Talk betreibt, anstatt sich mal zur Musik zu bewegen.
Das hängt immer davon ab, wieviele Elektroniker im Einzugsbereich eines Elektronikgig sitzen. Ich hab Kebu im Süden Hamburgs gesehen, da waren von ein paar Dutzend Leuten außer mir vielleicht noch drei, vier andere Nerds da. Um so mehr Leute schienen eher von gitarrenlastigerer Musik zu kommen. Ich glaube, wenn Kebu Musik auf dieselbe Art machen würde wie Tangerine Dream 1974 bis 1978, wären die nicht gekommen.
Ich gehöre zu den Konzertgängern, die umso skeptischer werden, desto mehr Technik in den Vordergrund gerückt wird -- da stelle ich mir mehr als einmal die Frage, ob jetzt das verwendete Equipment meine Wahrnehmung vernebeln soll oder ob das auch mit der Hälfte an Geraffel ginge. Das Node-Konzert in London ist ein gutes Beispiel dafür.
Bei Kebu hat genau das einen wunderschönen Vorteil: Die Menge an Equipment wirkt ehrlich. Die unterstreicht nämlich die klangliche Vielfalt, eben weil die überwiegend alten Kisten aus der "B-Mannschaft" (er fährt ja außer dem Andromeda keine Schlachtschiffe auf) nicht so sagenhaft viel können. Wenn Kebu das, was er macht, auf einer Burg spielt, die um ihn herum aufgebaut ist, dann kauft man ihm das auch ab. Wenn er das alles aus ein, zwei Keyboards holen würde, würde sich zumindest der Laie verarscht vorkommen – noch viel mehr, wenn das USB-Controller an einem Laptop sind.
Auf Kebus Konzerten ist der Sequencer ja auch kein zentraler Teil der Performance. Dafür ist seine Musik zu melodiös und zu sehr inspiriert von Jarre, Vangelis und Moroder. Einen Sequencer benutzt er nur, um die Sachen zu erzeugen, wo er nicht genug Hände hat, um sie gleichzeitig per Hand zu spielen. Er muß auf seinen Konzerten sogar "zugeben", daß einige Sachen vom Sequencer kommen.