Nachdem ich mir den Argon8 nun auch gegönnt habe, möchte ich auch gern
meinen Senf ein paar Eindrücke dazugeben.
Verarbeitung:
Der Argon8 ist wirklich recht robust verarbeitet; das Keyboard als Fatar natürlich prima. Bei dem Preis für einen digitalen Synth dieser Größe würde ich das aber auch erwarten.
Die Drehgeber/Encoder sind in der Tat ziemlich leichtgängig und haben teilweise auch etwas vertikales Spiel.
Trotzdem lassen sie sich gut bedienen, und das versehentliche Verstellen durch ungewollte Berührungen mit der falschen Hand wird dadurch erschwert, dass sich der eingestellte Wert erst nach einer Schwelle von einigen Grad ändert (hat man den Wert erst einmal verstellt, reagieren die Encoder natürlich direkt und präzise).
Auf Dauer sehe ich hier vielleicht zwei Probleme:
1. Gerade die beiden gerasterten Encoder links und rechts vom Display müssen oft und weit bewegt werden - ob hier die Rasterung eine gute Wahl war, sei dahingestellt. Hier hätte ich mir eine intelligente Beschleunigungsfunktion gewünscht.
2. Der "Patch"-Button dürfte als erstes verschleißen - kein anderes Element benötige ich bisher so häufig, um zurück zur Menü-Startposition zu springen.
Übrigens: Zumindest bei meinem Gerät ist es so, dass der Joystick nicht den gesamten phyikalischen Bewegunsspielraum für die Regelung ausnutzt. So ist z.B. das Pitchbend-Maximum schon bei ca. 30-50% der Vollausschlages erreicht (dasselbe gilt für die Modulation anderer Ziele über die vertikale Achse). Dadurch verliert man einiges an Präzision.
Ich bin allerdings nicht sicher, ob das a) gewollt ist, damit auch beim diagonalen Ausschlag sowohl X- aus auch Y-Wert auf Maximum bleiben (das Ding lässt sich eher kreisförmig als quadratisch "umrühren").
Vielleicht gibt es da auch eine Kalibrierungsmöglichkeit, die ich nicht gefunden habe.
Die Kappe des Joysticks ist (bei mir) übrigens recht locker und lässt sich um die Stick-Achse drehen (allerdings nicht abschrauben oder nach oben abziehen).
Bedienung / Controlling:
Gut gelöst finde ich:
1. die Zuordnung der verschiedenen Modulationsquellen und -Ziele. Viele Modulationsquellen haben einen eigenen Button, der mit einem Klick in einen "Latch-Modus" schaltet und es erlaubt das Modulationsziel (meist ein Regler) durch Bewegung zuzuordnen (der Zielregler dient hier auch gleich zum Einstellen der Modulationstiefe). Alternativ kann man die Quelltaste auch gedrückt halten - das nutze ich aber nicht, weil ich beim Einstellen der Modulationstiefe die Veränderung natürlich auch durch Tastenanschlag hören will.
2. Die schon mehrfach kritisierte Doppelbelegung via Shift- oder Patchtaste finde ich in der Praxis nicht so problematisch, weil auch die Shift-Taste einen Latchmodus kennt, und damit dann wieder eine Hand zum Spielen von Noten frei wird, während der Zielwert verändert wird. Nach ein paar Versuchen geht es z.B. recht schnell von der Hand, nach einem Klick auf Shift durch die Liste der Wavetables zu navigieren, und nach einem weiteren Klick dann durch die Wellenformen selbst.
3. für einige Standard-Modulationen gibt es eigene Slots, die keinen der 8 freien Modulationsslots belegen.
Klang(formung):
Dass der Argon8 eher digigal klingt, ist bekannt und auch kein Manko. Auch das Filter hätte etwas mehr zugreifen können (durch die zwei Filtermodelle wird das etwas ausgeglichen), klingt aber annehmbar und der Fokus der Klangformung liegt oft sowieso eher auf Oszillator und Modulationsebene.
Die Resonanz klingt bei Selbstoszillation (nur mit Standardfilter, das Classic-Filter geht nicht ganz bis zur Selbstoszillation) etwas verzerrt und lässt sich (anscheinend) leider nicht tonal spielen: Der Einfluss der Notenhöhe auf die Filteröffnung lässt sich nicht bis zu einem Halbton pro Tastenschritt einstellen. Vielleicht wird hier an der Firmware noch nachgebessert.
Sinus-Leads bekommt man allerdings über die Oszillatoren vermutlich sowieso sauberer hin (bzw. wird man für einen Resonanz-Sinus ein richtiges Analogfilter bevorzugen).
Die Menge der Wavetables und Wellenformen hält sich zwar in Grenzen, die Auswahl ist in der Praxis aber meist ausreichend, zumal durch die unterschiedlichen Crossmodulations-Modi und das sehr schnelle zweite LFO noch einiges an Klangformung möglich ist.
Gewünscht hätte ich mir neben dem Regler zur Einstellung der Balance zwischen den Oszillatoren richtige Gain-Regner, um den Pegel der Oszillatoren getrennt einzustellen: Damit hätte man z.B. mit LFO 2 eine Amplitudenmodulation im Audiobereich auf OSC 2 legen können, während dieser dann OSC 1 auf andere Weise moduliert ...
Eine Amplidudenmodulation habe ich (abgesehen vom entsprechenden Crossmod-Modus für OSC 1) nur für beide Oszillatoren gemeinsam über den Amp-EG-Level hinbekommen (für Hinweise auf Workarounds an dieser Stelle bin ich dankbar!).
Auch getrennte Amp-Envelopes für OSC 1 und 2 hätte ich begrüßt (dafür dann den Pegel der OSCs getrennt regelbar machen, und sowohl für die Amp- als auch für die Mod-Envelope die Möglichkeit schaffen, diesen Pegel als Modulationsziel (entweder für jeweils einen OSC oder für beide zusammen) auszuwählen. Dann wären Sounds mit kurzer metallischer Attack-Phase und langem weicheren Sustain noch einfacher zu realisieren.
Eine schnelle Modulation der CrossMod-Tiefe neigt zu digitalen Artefakten - hier muss man vorsichtig agieren, wenn man im "Schönklang"-Bereich bleiben will.
Die meisten anderen Modulationsziele lassen sich aber nach meinen bisherigen Erfahrungen auch mit hoher Frequenz recht sauber modulieren.
kleiner Exkurs zu den
Hüllkurven:
Ausreichend schnell sind die Envelopes für einen Wavetable-Synth - leider aber nicht ausreichend langsem ...
Während sich tatsächlich noch eine ziemlich lange Release-Phase einstellen lässt, ist beim Decay nach 1-2 Sekunden (hab den Argon gerade nicht an, aber irgendwas in dem Bereich war es) Schluss. Langsame Filter- oder Wavetable-Sweeps sind damit leider (noch) nicht möglich. Man hofft ja auf ein Firmware-Update ...
Übrigens: Regelbares Exponentialverhalten wie beim DeepMind hätten die Envelopes aus meiner Sicht enorm aufgewertet (auch, weil sich damit z.B. eine langsam abfallende oder aufsteigende Sustain-Phase realisieren lässt). Das wäre von meiner Seite aus auch ein Wunsch für ein zukünfiges Update (Kurvenverhalten z.B. bei aktiver Shift-Taste regeln).
Presets / Patching:
Die Werkspresets wurden schon verschiedenfach kritisiert. Dem muss ich mich (in aller Deutlichkeit) anschließen.
Für meinen Geschmack ist da tatsächlich kaum etwas dabei, das nicht in den Ohren wehtut. Ist natürlich Geschmackssache, aber ich konnte bisher vielleicht 2-4 der Presets als Basis für etwas brauchbares verwenden.
Verkaufsfördernd dürften sich die Werksklänge alles in allem kaum auswirken.
Ein paar gute Ergebnisse habe ich allerdings schon mit der Randomize-Funktion erzielt. Es ist (erwartungsgemäß) kaum etwas dabei, dass sich direkt verwenden lässt, aber als Ausgangsbasis für gezielte Schraubereien gibt es da öfters geeignete Ergebnisse.
Die Mod-Slots werden übrigens (soweit ich das feststellen konnte) nicht mit Random-Werten befüllt - nach Erfahrungen mit anderen Geräten/Editoren kommt da auch meistens nichts sinnvolles bei heraus.
Vermisst habe ich (ein wenig) eine Compare-Funktion beim Speichern/Überschreiben von Patches. Ich gehe aber mal davon aus, dass ich sie noch nicht gefunden habe (das Manual habe ich mir noch nicht angesehen, bisher hat das beigelegte einseitige "CheatSheet" ausgereicht).
Etwas schade ist, dass sich der Pitch-Bend Regelbereich nur global und nicht pro Patch einstellen lässt. Auch getrennte Einstellung für positiv und negativ wäre hier wünschenswert gewesen.
Effekte:
Dass sich der Pegel mit den Reindrehen der Effekte hörbar absenkt, wurde schon erwähnt. In gewissem Maße kann man das mit dem "Patch Gain"-Wert (der sich bei gedrückter Patch-Taste mit dem Lautstärke-Regler einstellen lässt) ausgleichen.
Die meisten Effekte sind in Ordnung aber nichts besonderes. Das Reverb ist nicht so mein Fall (vergleichen z.B. mit dem, was im Deepmind angeboten wird), aber bei manchen Patches kann man es durchaus subtil einsetzen.
Ansonsten geht (wenn man auf sowas steht) bei der Kombination des Argon mit einem BigSky natürlich die Sonne auf.
Gut gelöst finde ich auch hier, dass sich die bis zu 6 Parameter jedes Effektslots über eigene Encoder einstellen lassen (es gibt drei Encoder; gedrückte oder "gelatchte" Shift-Taste für Parameter 4-6).
Der Overdrive ist leider nicht so mein Fall - klingt sehr digital und clippig, in meinen Ohren. Eine Sättigung mit zumindest leicht analogem Charakter hätte dem Argon8 an dieser Stelle besser gestanden.
Fazit:
Alles in allem gefällt mir der Argon8 wirklich gut. Er passt in der aktuellen Situation allerdings auch gut in mein Setup, dem es an einem gut bedienbaren Wavetable-Synth gefehlt hat.
Ob er gegenüber dem Summit hier noch seine Berechtigung haben wird, wird sich zeigen müssen (wenn der Summit endlich mal kommt
). Ich halte es allerdings gut für möglich, da gerade der digitale, etwas kalte Touch im Mix ein beliebter Gegenpart zu den oft eher wärmeren Analogsounds ist. Diese Lücke haben bei mir traditionell bisher Rompler (D50, JV-90, SY-85) gefüllt - da feht es aber wieder an der angenehmen Programmierung und fehlenden Modulationsmöglichkeiten.
Vorerst bleibt er auf jeden Fall hier und ist meist einer der ersten, die eingeschaltet werden. Bei mir steht er über der Grandmother, was zum einen ein guter klanglicher Kontrast ist, und zum anderen spiele ich ihn gerne mit beiden Tastaturen - die untere der GM dann 2 Oktaven tiefer gestimmt. Ist dann fast so nett wie ein 6-Oktaven Keyboard