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Doch, Klassik ist wichtig und kommt hier wirklich zu kurz. War am Samstag auf einem gemischten Klassik/Minimalmusik und Elektronik Abend. Wie erwartet Klassik:Elektronik = 1:0. Elektronik hat einfach gegenüber einem Orchester keine Chance.
Als Einstiegsdroge, weil coole "Sequenz" am Anfang - irrsinnig schwierig zu spielen:
Es gibt schon gute klassische Musikstücke. Den Rest hasse ich aber. Techno hasse ich komplett. Im Pop gibt es gute Musikstücke. Den Rest mag ich nicht hören. Im Rock gibt es einige gute Musikstücke. Den Rest hasse ich. Rap ist doof. Das hasse ich meistens. Es gibt einige wenige gute elektronische Musikstücke. Der Rest ist doof – den hasse ich. Klassische Musik elektronisch nachgespielt? Finde ich i.d.R. doof. Ja, dann hasse ich das dann auch – ist doch klar.
Den Begriff "Klassik" möchtest Du aber nicht beschränkt sehen auf bestimmte Epochen – nach dieser Definition wäre das die Musik des Mittelalters (13./14. Jahrhundert) bis zur Romantik (19./20. Jahrhundert) – sondern meinst alle Musik, die auf klassischen Instrumenten dargeboten wird, richtig?
Davon ausgehend folgende Geschichte:
Ich wollte unbedingt die Orgel (= mechanischer Preset-Synthesizer, der massive Layer-Sounds in sehr großen Lautstärken und enorm großem Frequenzumfang erlaubt) der Elbphilharmonie hören und hatte Glück, eine Karte für ein Konzert zu ergattern, auf dem u.a. das folgende Stück gegeben wurde. Ich kannte kein einziges der Stücke, die Wucht dieser Nummer hat mich also vollkommen unvorbereitet getroffen. Wer das nachvollziehen möchte, höre das sehr laut auf der besten Abhöre, die ihm zur Verfügung steht.
Ich würd jetzt nicht sagen "ich mag Klassik", weil ich auch nicht sagen würde "ich mag elektronische Musik" -- denn David Guetta, Keith Emerson und H.P. Baxxter sind mir ein Graus.
Aber wie die elektronische Musik, noch mehr sogar, ist auch "die" Klassik ein wunderbar weites Feld, in dem's einiges zu entdecken gibt, wenn man bereit ist, die Lernwiderstände zu überwinden, die sich verständlicherweise die ganze Jugend über aufgebaut haben. Man kann den Eindruck haben, Klassik, das ist vor allem was für alte weiße Männer mit Philharmonie-Abonnements, und der Eindruck wird vielleicht sogar bei jedem Philharmoniebesuch nochmal empirisch bestätigt -- man kann versuchen, sich trotzallem der Sache mal anzunehmen. Es kann sich sich auszahlen.
Jedenfalls mir ging's so. Ein paar schöne Beispiele wurden ja schon gepostet. Mit den David Guettas der Klassik, Mozart und Beethoven, kann ich eher wenig anfangen, aber das liegt vielleicht auch an ihrer massenhaften Rezeptionsverwurstung -- einfach irgendwie totgenudelt und dadurch eher unattraktiv. Bach hingegen, der Richard D. James der Frühneuzeit...: immer wieder
(Worauf ich aber bis heute nicht klarkomme, bei aller Liebe zu Bach, ist Orgelmusik. Geht irgendwie noch nicht. Cembalo hat mich schon viel Überwindung gekostet, mittlerweile gehts, aber Orgel, dafür reichts erstmal nicht. Orgel und Chöre.)
Aber auch vor und nach dieser "richtigen" Klassik-Klassik zwischen Barock und Romantik: unheimlich viel geniales Zeug. Für Renaissancemusik vielleicht als Einstiegsdrogen-Tip: Glenn Goulds Aufnahmen von Byrd und Gibbons.
Am anderen Ende: Messiaen wurde schon genannt, Ligeti, Boulez, und wenn man die Linie via Cage und den Stockhausen noch weiter fortsetzt, landet man bei Terry Riley, LaMonte Young, Steve Reich, und damit mitten in einem Feld, das wir hier als Synth-Menschen auch beackern. Vielleicht hilft das manchen, die denken "ich würde eigentlich gerne Klassik gut finden, aber..." -- wenn man auch mal die Verbindungen, und nicht immer nur die vermeintlichen Differenzen sieht.
Ganz und gar furchtbar ist aber der aktuelle Versuch des Klassik-Business, sich vorm biologisch vorprogrammierten Bankrott zu retten, indem man mit "Klassik meets Electro" einen auf fesch und angesagt macht, und nichtsahnende klassische Instrumentalisten, die sich natürlich über jedes Engagement erstmal freuen, mit wahlweise einstmals tatsächlich verdienten Elektronikveteranenen oder neuen, bislang völlig zu recht unentdeckten "Talenten" einsperrt und sie belanglose Fahrstuhlmusik am Fließband produzieren lässt für den after-work-chillout auf Klassikradio mit stündlichen Börsennews ("Weltklasse, wenn es um das Auflegen von Lounge-Musik geht, was im Übrigen auch die mehr als 80.000 verkauften Tonträger aus der Klassik Lounge Serie beweisen").
Stimme Dir im Großen & Ganze zu, allein diese Sätze reizen mich zum Widerspruch:
NickLimegrove schrieb:
Man kann den Eindruck haben, Klassik, das ist vor allem was für alte weiße Männer mit Philharmonie-Abonnements, und der Eindruck wird vielleicht sogar bei jedem Philharmoniebesuch nochmal empirisch bestätigt… (…) Ganz und gar furchtbar ist aber der aktuelle Versuch des Klassik-Business, sich vorm biologisch vorprogrammierten Bankrott zu retten, …
Ich bin einer dieser "alten weißen Männer mit Philharmonie-Abonnement" dank Glück & einer unwahrscheinlichen Geduld beim Anstehen um Elbphilharmonie-Karten und kann Dir aus eigener Anschauung sowohl beim Schlangestehen als auch im Konzertsaal versichern: Zum einen kommen immer wieder neue, junge Instrumental-Talente nach, zum anderen ist das Interesse junger Hörer an dieser Musik – und zwar abseits des von Dir beklagten "Klassik meets Electro"! – beileibe nicht so klein, dass ich Deine Worte vom "biologisch vorprogrammierten Bankrott…des Klassik-Business" nachvollziehen könnte.
klar, ein wenig darfst du die Polemik aus meinem Text rausrechnen und das etwas nüchterner betrachten -- natürlich wachsen auch Interessentinnen nach, gottseidank, und natürlich gibt auch im "Business" einen langsamen Generations- und damit Haltungswandel. Hier in Berlin verläuft diese Entwicklung aber anscheinend schleppender als woanders. Die Stadt hält halt sehr viel auf ihre Philharmonie und ihr Orchester, und der Zehlendorfer hält auch sehr viel auf sich selber und sein altes Privileg der Teilhabe an diesem Betrieb. Kurz gesagt: in und um die Philharmonie spiegelt sich der Wandel, den die Stadt in den letzten zehn, zwanzig Jahren durchgemacht hat, nur unzureichend wieder. Sie ist, zu großen Teilen, schon noch eine Bastion des "guten alten" Westberlins. Besonders deutlich wird dies am angeschlossenen Instrumentenmuseum, wo wirklich die Zeit stehengeblieben ist.
Berlin hatte ja bis in die Neunziger zu Recht den Ruf, den kulturellen Entwicklungen, die Köln, Hamburg, Frankfurt, München, vorgaben, ziemlich hinterherzuhinken. Das mag sich jetzt, für die Stadt als ganzes, geändert haben, aber es ist klar, dass das für eine derart alteingessene Institution wie die Berliner Philharmoniker nicht in demselben Maße gelten kann. Zumal nicht im Vergleich z.B. zur Elbphilharmonie, wo ja wirklich von Grund auf was Neues aufgebaut wurde.
Bottom line: ich kann erstmal jeden verstehen -- und nach jedem Philharmoniebesuch immer wieder bestärkt --, der sich durch die Übermacht einer bestimmten sozialen, demografischen Gruppe mit ihrem Habitus und ihren Verhaltensnormen, davon abgeschreckt fühlt, sich mit klassischer Musik auseinanderzusetzen. Die Versuche, neues Publikum heranzuholen, indem man dessen vermeintlichen Geschmack aufgreift und 'ne 909-Kick drunterlegt... sind ehrenwert, aber ich bezweifel, dass da nachhaltig was bei rumkommt. Letztlich muss jede Generation ihre eigene Klassik suchen und finden. Das ist halt nur leider in den letzten hundert Jahren, angesichts der Möglichkeitsexplosion in der Vielfalt musikalischer Ausdrucksformen und Identifikationsangebote, immer schwieriger geworden. Die Stücke werden mehr, und Klassik ist nur eins von ihnen, aber der Kuchen bleibt gleich groß.
Und dann wäre da noch "The unanswered question" (1906) von Charles Ives, einem Versicherungsmakler, der nach seinem Kompositionsstudium diesen Beruf ergriff, weil er glaubte "musikalische Kompromisse schließen zu müssen, wenn er von der Musik leben wolle. (…) Durch seine Tätigkeiten in der Versicherungsbranche war Ives zu einem stattlichen Vermögen gekommen, mit dem er Konzerte, Publikationen und Aufnahmen von befreundeten Komponisten finanzierte."
(Zitat von Wikipedia)
Der Begriff kann quasi alles und nichts bedeuten, z.B. die Musik von der Renaissance bis Ende Romantik, oder aber auch nur die Zeit von ca. 1750 bis 1875, aber aber auch Stockhausen und Konsorten...
überhaupt, die Amerikaner... deren Klassik ist eh die Beste, weil da dies Ganze Elitäre und Schubladendenkerische deutlich gemindert ist. Ives, Copland, Barber, da steckt das ganze vernetzte Denken außerhalb vom Tellerrand schon ganz selbstverständlich mit drin, ohne dass man groß Gewese drum hätte machen müssen wie heute der revolutionäre Crossover von... ach, nee, ich lass das jetzt mit Klassik meets Electro.
Auch die Hippie-Klassik müsste man noch angemessen würdigen:
ja, kann alles und nichts bedeuten. Im Prinzip. Und trotzdem sieht man ja auch als Laie es der Musik in 95% der Fälle es irgendwie an, ob's Klassik ist oder nicht. Eine, natürlich unvollständige und am Ende auch irgendwie schwammige Herangehensweise wäre zu sagen: es hat halt viel mit ner bestimmten "Haltung" zu tun, mit der Frage, wie sehr ich mich (als jemand, der Klassik machen will) auf die Tradition dessen beziehe, was an Klassik schon da ist. Auch führt man gern ins Felde die Frage nach dem Verhältnis von Notation, Interpretation/Aufführung und Aufnahme. Die Art und Weise, wie wir hier meistens arbeiten, disqualifiziert uns eigentlich schon für den Klassikbetrieb, weil da die Faustregel ist: als Komponist *schreibst* du deine Musik, veröffentlichst sie auf Papier, und/oder lässt sie aufführen von Leuten, die nicht du selber sind. Eine Plattenaufnahme ist davon dann immer nur "Abfallprodukt", das ohne die beiden ersten Schritte nicht auskommt. Die Unterscheidung E- und U-Musik kann man natürlich auch nochmal nachschlagen, wenn einen das wirklich interessiert. Man kommt aber auch ganz gut so zurecht...
Wenn ich mich jetzt hinsetzen würde und am Sequenzer eine Suite für MIDI-Cembalo auf dem DX7 schreibe und auf CD presse, ich hätte sicher arge Schwierigkeiten, damit im Klassikmarkt anzukommen, und wenn ich noch so dick "Klassik" draufschreibe.
Was aber im Umkehrschluss nicht heißt, dass MIDI einen für den Klassikbetrieb automatisch disqualifizieren würde:
ja, doch, ich seh schon irgendwie auch ein, warum es Leute gibt, die sagen: "Klassik, toll, aber dies ganze moderne Zeug, alles nach Mahler, da komm ich nicht drauf klar".
Davon habe ich mal eine Variante eingespielt, da mich einst (1987/88) die Fassung von Tomita auf dem Cosmos-Album ziemlich umgehauen hatte; unser Forumsmitglied Ermac alias Phelios war seinerzeit so freundlich, mir die Orchesterpartitur zu besorgen, damit ich mich in das Stück reindenken konnte (danke, Martin!):
Ansonsten habe ich keinen großen Draht zu klassischer Musik -- was weniger an der Musik als solcher liegt als vielmehr an der Geisteshaltung derer, die sie aufführen und als das Maß aller Dinge betrachten. Aber das möchte ich hier an dieser Stelle nicht diskutieren.
Den Begriff "Klassik" möchtest Du aber nicht beschränkt sehen auf bestimmte Epochen – nach dieser Definition wäre das die Musik des Mittelalters (13./14. Jahrhundert) bis zur Romantik (19./20. Jahrhundert) – sondern meinst alle Musik, die auf klassischen Instrumenten dargeboten wird, richtig?
Dann speziell für Dich das zweite Stück Ewigkeit: "Lux Aeterna" von Györgi Ligeti aus dem Jahre 1966, dem einen oder anderen aus Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" (1968) bekannt, wenn's von der Mondstation "Clavius" per Fähre zum Krater "Tycho" geht.
Dann speziell für Dich das zweite Stück Ewigkeit: "Lux Aeterna" von Györgi Ligeti aus dem Jahre 1966, dem einen oder anderen aus Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" (1968) bekannt, wenn's von der Mondstation "Clavius" per Fähre zum Krater "Tycho" geht.
[...]
Ich sagte ja: Artifizielle Stimmen und -modulationen kann ich nicht ausstehen, Oper und Operette oder Dietrich Fischer-Dieskau -- das behagt mir einfach nicht.
Ligeti hat nicht diesen vordergründig-plakativen Anstrich, das ist fast schon Ambient Music (wie Ives im Prinzip auch, der Instrumentengruppen in verschiedenen Ecken eines Baseballstadions aufstellen ließ und der Zuhörer, abhängig von seiner Position, einen anderen Höreindruck bekam als jemand, der am anderen Ende der Tribüne saß). Stimmen um der Klangfarbe wegen, nicht, um den Konzertsaal bis in den letzten Winkel zu füllen ohne Verstärkeranlage.
Ein Paar Stücke aus die erste Hälfte des 20. Jahrhundert.
Igor Strawinsky: Petroushka und Histoire du Soldat.
Bela Bartók: Music for Strings, Percussion and Celesta und Sonata for Two Pianos and Percussion.
Anton Webern: Fünf Sätze für Streichquartett Opus 5.
Darius Milhaud: La Creation du Monde.
Grüβe, Permafrost.
Das ist schön sanft, muss man aber auch erstmal lernen, nicht vor zu spulen
sondern von vorne bis hinten anzuhören....kann ich aktuell aber auch nicht wirklich
coole Einstellung!
überhaupt, die Amerikaner... deren Klassik ist eh die Beste, weil da dies Ganze Elitäre und Schubladendenkerische deutlich gemindert ist. Ives, Copland, Barber, da steckt das ganze vernetzte Denken außerhalb vom Tellerrand schon ganz selbstverständlich mit drin, ohne dass man groß Gewese drum hätte machen müssen wie heute der revolutionäre Crossover von... ach, nee, ich lass das jetzt mit Klassik meets Electro.