Re: Neues vom John Bowen Solaris?
Stue schrieb:
Kurz off topic: Wie zufrieden bist Du mit dem Accelerator?
Na dann "kurz" off topic:
Ich bin sehr zufrieden mit dem Accelerator. Ich hab die Kiste jetzt glaub ich so ca. 1,5 Jahre. Am Anfang gabs noch die eine oder andere MIDI-Seltsamkeit. Mit dem neuen OS ist jetzt aber alles OK.
Hardware: Tastatur ist der Traum (ist glaube ich die gleiche wie in den großen Virusen und im Solaris). Würde mir zwar gelegentlich mal eine Oktave mehr wünschen, sonst ist es aber wohl im Moment das Beste was man so an 61 Tasten kriegen kann. Potis und Taster machen einen recht soliden Eindruck. Hatte bisher auch noch keine Sprünge bei den Encodern.
Klang: Sehr edel. Unten rum schön dick, in den höchsten Höhen (so 4-5 kHz+ Grundton, ist glaub ich dann C7+ oder so...) nicht ganz so Sauber wie die Sonic Core Sachen, drunter aliast aber nix (außer bei brachialmißbrauch). Die Stärke ist eher auf der "musikalischen" als auf der "brachialen" Seite. Wenn es also hauptsächlich 303 Linien und Chip-Tunes sein sollen kommt man da zwar auch in die Nähe, das geht mit anderem aber einfacher.
Gutes und schlechtes:
Nicht so toll:
- Die Tiefpassvarianten werden recht dünn wenn man die Resonanz aufdreht. Das kann man zwar gut ausgleichen (man hat ja zwei unabhängige Filter) und manchmal ist es genau das was man haben will, Kann aber anfangs irritieren.
- Die LFOs haben nur so ca. 30 Hz. Dafür sind sie zwar sehr nett flexibel, aber schneller ist halt besser.
- Kein Filter FM. Gibt zwar sonst genügend zum Sound verbiegen, wäre aber trotzdem nett gewesen.
- Die Sequenzer Linien werden getrennt von den Performances gespeichert. Ist verständlich, aber trotzdem lästig, vor allem weil man da schon mal gerne aus versehen eine Sequenz überschreibt, die man woanders noch braucht.
- Der eine oder andere ist vom Verhalten bei Envelope auf Pitch nicht sooo angetan. Die Hüllkurven sind zwar brachial knackig, Auf Pitch Zappppts aber nicht so recht. Vermutlich exponentielle Hüllkurven die zusätzlich exponentiell modulieren. Muss man halt mit Filterresonanz zappen , wenns den sein muss.
- Irgendwie wird der Hard Limit Parameter nicht mit den Presets mitgespeichert. Der ist aber sehr nützlich wenn der Accelerator halt doch mal eher knarzig klingen soll.
So jetzt aber zu den schönen Dingen des Lebens:
- Die Oszillatoren sind wahnsinnig flexibel: Man kann jeden davon kontinuierlich in der Wellenform (sine->triangle->saw->square) modulieren und nebenbei noch die Symmetrie der Wellenform verbiegen. Das ist dann PWM bei Pulswellen, erinnert beim Sinus etwas an den CZ sine->saw "morph", verbiegt Dreiecke in Sägenähnliches und gibt bei Sägezähnen einen touch von supersaw (nur ein kleines bisschen). Daneben geht noch Sync und Phasenmodulation (dazu mehr in extrapunkten). Zudem sind sie um feste Frequenzen verstimmbar, damit die Pads auch schön gleichmäßig über die ganze Tastatur schweben.
- Phasenmodulation von Osc 2+3 auf jeden der drei Oszis liegt direkt auf der Benutzeroberfläche. Wenn man will kann man das aber auch ganz entspannt über Envelopes modulieren. Da hat man die einfachen DX7 Sounds ganz flott hingedreht (wenn man aufs Aliasing der alten Kisten verzichten kann oder will).
- Es gibt 2 vollständig unabhängige Filter. Die haben auch jeweils eine eigene Hüllkurve dran (nur "preset" in der Modulationsmatrix, kann man natürlich auch wieder "entdrahten"). Die Filter klingen für einen digitalen ohne Resonanz SEHR dick. Mit Resonanz schiebt es die Filter eher in Richtung Bandpass (naja, ist manchmal nützlich...). Jeder Oszi ist frei auf die Filter routbar, man kann sich aussuchen, wie viel von Filter 1 auf No2 geroutet werden soll und die Ausgänge der Filter haben eigene "Verstärker" mit eigener Hüllkurve.
- Nebenbei gibts natürlich auch noch Noise, der hat auch noch einen eigenen Filter (kann man nie genug von haben).
- Zwischen den Filtern hängt auch noch ein string filter (=gestimmtes Delay). Auch das Ding ist mit Features vollgestopft. Mein Liebling ist es das Feedback durch Sägezahn LFO oder ähnliches durch die 0 zu modulieren, wodurch es lustiges Gezupfe gibt.
- Unglaublich viel Modulation: 6* Hüllkurve, 4 * LFO, 4 * Sequenzerlinien (dazu noch mehr...)
- Die Hüllkurvenzeiten lassen sich natürlich modulieren (ich glaube allerdings nur bis das Segment anfängt).
- Die Sequenzer lassen sich als Eigenbau arpeggiator pattern nutzen (auch für externes).
- Sequenzer sind Krass: Die erste Linie kann polyphon Noten spielen (mit Länge, die dann auch mit Nachfolgeschritten überlappen kann und Velocity). Die anderen lassen sich frei im Klang verteilen. Natürlich gibts alle 4 Linien für JEDE Layer. Das heißt, dass beim voll ausgebauten Accelerator schon mal 32 Sequenzerlinien laufen können. Die Linien haben natürlich auch noch alle eigene Clock Divider, Playmodi und Step-Zahl (bis 32).
Klingt jetzt alles nach "wozu brauch ich das?", ist aber sehr nützlich wenn man unterschiedlich schnelle Modulationen nutzen will. Hat bei mir meist eher was mit Komfort als mit Polyrhythmik zu tun (die aber auch geht).
Auch nennenswert ist der random playmode, mit dem kann man z.B. eine 6 Schrittsequenz machen, einen Wert hoch setzen, zwei niedrig, die anderen 3 nicht triggern. Die nicht getriggerten Werte lassen dann den momentanen Wert als Ausgabewert, die getriggerten setzen neue Werte. Damit geht sehr kontrollierter Pseudo-Zufall.
Effekte sind zwischen OK (Reverb), für manches Nützlich (Distortion klingt für 80er Action-Film Leads fantastisch, für eher Schmutziges ist sie nicht sooo geeignet) und fein und flexibel (Delay mit zwei Feedbackschleifen, eigener Längenmodulation und Filtern in jedem Feedback-Weg (wenn man wirklich will auch resonant (gefährlich))). EQs für jeden Part klingen sehr nett.
Hab bestimmt ganz viel vergessen, will aber ja auch nicht das ganze Handbuch abschreiben. Ich denke es ist aber trotzdem immer mal wieder nett die Features zu nennen, die einem nicht so ins Auge springen, wenn man das Ding mal schnell im Laden antestet.
Bedienung geht flott (nach einiger Einarbeitungszeit). Standard Sounds kriegt man nahezu vollständig ohne Menübenutzung hin (nur über die Parametermatrix).
Preis für den voll ausgebauten Acceleratur ist meiner Meinung nach voll OK (sollten so 2,6 k€ sein glaub ich). Mit 32 Stimmen und 8 Parts kommt dann echte Freude auf. Zudem kriegt man eine Orgelemulation zu den Erweiterungen (kein Scherz).
Insgesamt mein zweitliebster Synthi. Die PC3 bleibt auf dem ersten Platz, Hauptsächlich weil sie nebenbei auch alle Standardsounds abdeckt und auch noch etwas brachialer kann/will. Zum schön klingen ist der Accelerator (zumindest für Synth Sounds) aber schon besser.
Fazit: Der Accelerator macht sich Denke ich mit Orgeln und FM-Pianos notfalls auch mal gut beim Jazzen. Die gesammelten 70er-80er Synth-Sounds klingen eh klasse. Für die Analogen Schlachtschiffe kommt das sonic core Zeug denke ich näher an die Originalsounds. Dafür nährt man sich mit dem Accelerator aber auch ganz unaufgeregt Hybridsounds und kann auch mal ein bisschen nach CZ, DX oder ähnlichem klingen. Erster Eindruck ist damit durchaus "Rentnerband" tauglich, wenn man Frickeln will geht das mit den gesammelten Sequencern aber auch wie bei Buchlas zuhause.