Vielleicht ist Klausens 70. mal als Ausrede für mich geeignet, einen unveröffentlichten Artikel, welchen ich im Jahre 2000 für das lange eingestellte Blatt textundton schrieb, aus dem Hut zu holen. Wäre schade, wenn er auf der Festplatte verstauben würde.
Das Ganze lief so ab: Marshall, der Chefredakteur, rief mich eines Abends an und fragte mich, ob ich ein Interview mit Klaus Schulze machen wolle, ich würde mich ja mit seinem Werk ein bißchen auskennen und wäre auch nicht völlig doof, wenn es um die Technik geht. Flugs bekam ich Schulzes Telefonnummer, und nach einem recht amüsant-entspannten Gespräch meinte Schulze, "Schick ma die Sachen rüber, wa, und denn kriegste Antworten uff Deine Fragen, weeste?". Das habe ich dann getan -- nur die Antworten blieben aus und der Artikel unveröffentlicht. Heute vermute ich, daß kdm der Text zu respektlos und subjektiv war und zu wenig an Lobhudelei enthielt, dafür aber eine Spur zu viel Kritik an Schulzes Oeuvre -- kdm ist wohl berüchtigt dafür, daß er dem einen oder anderen Schulze-Interview seinen Stempel aufprägt und vorher die Fragen gesiebt wissen will, was mir damals nicht klar war. Ich habe nur den Tonfall des Gesprächs weitergesponnen. Honi soit qui mal y pense, oder so.
Hier also der Text, 17 Jahre alt und kein bißchen weise(r). Viel Spaß:
Klaus Schulze
“Wer so heißt, kann sich eigentlich nur ein Pseudonym zugelegt haben,” meinte mal ein Zeitgenosse bissig über den Namen desjenigen, der seit nunmehr dreißig Jahren als einer der Urväter elektronischer Musik in Deutschland gilt: Klaus Schulze halt. Ja, der Mann heißt tatsächlich so, und Schulze selbst räumt ein, daß er – wenn er nicht bereits so hieße – sich diesen Namen zulegen würde. So manche PR-Agentur hätte ein erkleckliches Sümmchen eingefordert für die Erfindung von etwas so genial Simplem und gleichzeitig simpel Genialem: Klaus Schulze eben. Welche Probleme solch ein Allerweltsname machen kann, hat der hier Portraitierte allerdings spätestens bei der Beschaffung einer Email-Adresse feststellen müssen. Ganz so einfach ist das nämlich nicht. Gerade dann nicht, wenn schon jemand Klaus Schulze heißt...
Geboren 1947 in Berlin, schlitterte Jung-Klaus schon früh in die Musikszene: Als Teenager erst klassischer Gitarrenunterricht, dann – nach Anregung durch seinen großen Bruder – Schlagzeug. Erste Gigs an den Fellen in einer Berliner Psychedelikband namens PSY FREE mit Alex Conti (später LAKE) an der Gitarre, Auftritte in einschlägigen Szeneläden wie dem von Hans-Joachim Roedelius betreuten ZODIAC, wo Schulze auf Gleichgesinnte trifft. Als der Berliner Maler, Bildhauer und Gelegenheitsgitarrist Edgar Froese nach Auflösung seiner Band THE ONES und der zigsten Umstrukturierung seines anderen Projektes TANGERINE DREAM einen Schlagwerker sucht, wird er in Schulze fündig: Zusammen mit Conrad Schnitzler am Cello und Froese an der Stromgitarre trommelt “Claus Schultze” auf dem TANGERINE DREAM-Debutalbum “Electronic Meditation”. Seine frühen elektronischen Eskapaden mit Orgel und Echogerät machen ihn bei Froese allerdings unbeliebt, was zur Folge hat, daß er bei TD den Hut nimmt und im BEAT-Studio des Berliner Senats (unter der Leitung von Thomas Kessler) auf den Bassisten Hartmut Enke und den Gitarristen Manuel Göttsching trifft, mit denen zusammen er 1970 die Band ASH RA TEMPEL aus der Taufe hebt. Zwar ist sein Gastspiel in dieser Formation auch nur von kurzer Dauer, da ihn die Beschäftigung mit und Destruktion von elektrischen Gerätschaften mehr reizt, aber zwischendurch kreuzen sich immer wieder die Wege mit den alten Weggefährten, was sich auf Session-LPs wie “Join Inn” oder diversen Platten niederschlägt, die unter den Labels “Kosmische Kuriere” und “Cosmic Jokers” laufen. Schulze ist einer der ersten Künstler, die auf dem neu gegründeten OHR-Label des Musikjournalisten Rolf-Ulrich Kaiser veröffentlichen können, bevor Kaiser – benebelt von LSD und dummen pseudo-mystischen Sprüchen seiner Lebensgefährtin Gille “Sternenmädchen” Lettmann – seine “kosmischen Pralinés” Froese und Schulze dadurch vergrault, daß er sie zum Abziehbild einer billigen Verkaufsmasche für blubbernden Nichtklang macht. Der Streit mit Kaiser, der 1974 vor Gericht endet, ist für Schulze eine Art Befreiungsschlag: Ein Vertrag mit dem BRAIN-Label aus der METRONOME-Gruppe läßt ihn neben TD und KRAFTWERK zu einem der ersten Großverdiener der noch jungen elektronischen Musik in Deutschland werden, was ihm den Erwerb der noch jungen und sündhaft teuren Musikelektronik erheblich vereinfacht. Nebenbei ebnet er Kapellen wie der FAR EAST FAMILY BAND den Weg, aus der später ein gewisser KITARO hervorgehen soll; er spielt mit Steve Winwood, Al DiMeola, Michael Shrieve und Stomu Yamash'ta in einem Megaprojekt namens GO!; produziert für Pornokönig Lasse Braun Musik zu dessen Bumsstreifen (“Body Love”) und frönt der kosmisch-psychedelischen Klangwelten, in denen er die Türen aufreißt, zu denen PINK FLOYD gerade einmal die Schlüssel unter der Fußmatte entdeckt hatten. Im Gegensatz zu Edgar Froeses ähnlich erfolgreicher Formation TANGERINE DREAM – die auch eine ganze Reihe prominenter Künstler hervorbringen sollte – setzt Schulze nicht so sehr auf kühle, intellektuell verbrämte Kiffer-Kunst, sondern zelebriert den Abfahrer, dessen Ekstasen am Mini Moog Legende sind.
Teil 2 folgt sogleich.