Aber im 'Normalfall' (sprich: der 99.9%-Fall) stimmt das ja mit den Stammtönen und Co.
Die Ausnahme, die mir in den Sinn kommt, war der "Wasa con Rama Raga", der auf einem Raga basiert, den man früh morgens spielt. Ich muss mal nach den Noten schauen ...
Es gibt genug heptatonische Skalen, bei denen eine feste Zuordnung zu Stammtönen keinen Sinn ergibt, z.B. Mela Yagapriya (und andere Modi von 1121133) für ein exotisches Beispiel. Oder 7-tönige Erweiterungen der Augmented Scale, d.h. Modi von 1121313 und von 1131312. Dasselbe gilt auch schon für die 7-tönigen Teilskalen der Halbton-Ganzton- oder Ganzton-Halbton-Skala, die wahrscheinlich gebräuchlicher sind (Modi von 1212123 oder von 1212132) - gerade diese Umdeutbarkeit macht auch den Reiz solcher Skalen aus.
Ein anderes gutes Beispiel sind Blues Modified oder Blues Modified Inverse (Modi von 1132212 bzw. von 1121223). Blues Modified über D hat z.B. das Tonmaterial D - E - F - G - Gis/As - A - C. Man nimmt aus dem Tonmaterial von C Dur (bzw. in Bezug auf D: von D Dorisch) also das H (oder für Euch: B) weg und fügt an anderer Stelle einfach einen zusätzlichen Ton Gis/As ein. Es ist nicht wirklich überzeugend, das jetzt enharmonisch umzudeuten und daraus eine Skala D - E - F - G - As - Bes - C zu machen, vor allem wenn man als Tonika-Klang ein D-Moll benutzt (dieser beinhaltet ja das A und nicht ein Bes). Weil das verbleibende Gerüst ohne das H bzw. englisch B so gewohnt und stabil ist, schafft es das Ohr einfach nicht, die Gerüsttöne "umzudeuten" und auf andere Positionen in der 7-tönigen Skala zu verschieben, um für den eingeschobenen Ton Gis/As "Platz" zu machen.
Bei Blues Modified Inverse läuft es analog, da nimmt man aus dem Tonmaterial von C Dur das F weg und fügt stattdessen anderswo das Gis/As ein.
(Es gibt unzählige weitere Beispiele, denn die allermeisten siebentönigen Skalen sind cohemitonic, d.h. sie enthalten zwei unmittelbar benachbarte Halbtöne. Damit gibt es dann immer wieder solche Deutungs-Probleme wie oben im Fall von Blues Modified.)
Die Benutzung der Stammtöne für siebentönige Skalen funktioniert also nicht immer - zumindest kann man nicht immer eine sinnvolle feste Zuordnung für eine Skala nehmen, sondern muss evtl. zwischen mehreren wechseln, damit es inhaltlich passt.
Durch enharmonische Verwechslung kann man dann ausdrücken, welche Rolle die Töne im Moment jeweils spielen sollen (z.B. übermäßige Sekunde vs. kleine Terz, große Terz vs. verminderte Quarte, wenn in einer Skala die pitch classes 3 und 4 gleichzeitig vorkommen).
D.h. es ist auch in den komplizierten Fällen nicht grundsätzlich sinnlos, die Stammton-Bezeichnungen zu nutzen und ggf. enharmonisch zu verwechseln - man muss sich dann nur bewusst machen, was man mit den Tönen der Skala eigentlich so treibt. Manchmal ist das natürlich auch lästig, es kann manchmal auch helfen, erst einmal nur die Zahlen / pitch classes 0..11 zu sehen und sich gerade nicht mit dem 7-tönigen Namenssystem zu belasten.