Das gestiftete Chaos ist auch deswegen ärgerlich, weil die Datenschutzgrundverordnung tatsächlich ein paar wirklich gute Ideen enthält. Es ist gut, dass Unternehmen verpflichtet werden, in einfachen Texten zu erklären, wie sie Daten verarbeiten. Es ist gut, dass Plattformen die Daten ihrer Nutzer maschinenlesbar herausgeben müssen, damit Nutzer sie anderweitig weiterverwenden können. Es ist gut, dass eine Auskunftspflicht besteht. Es ist gut, dass das Datenschutzrecht in der EU vereinheitlicht wird. Und selbstverständlich ist Datenschutz an sich wichtig, besonders da, wo Menschen Macht über uns haben, wie etwa unsere Arbeitgeber.
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Geradezu pervers wird das heutige Datenschutzrecht aber, wenn man auf seine Entstehungsgeschichte blickt. 1983 definierte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als ein Grundrecht mit Verfassungsrang, das sich direkt aus der Menschenwürde ableitet. Hintergrund waren die Proteste gegen die damalige Volkszählung im Kontext der Notstandsgesetze von 1968 mit ihren Berufsverboten und der Rasterfahndung in den 1970er Jahren. Datenschutz als Grundrecht im Sinne der Erfinder war nicht nur, aber vor allem ein Abwehrrecht gegen den Staat, wie übrigens fast alles, was im Grundgesetz steht.
Seitdem hat der Staat sich jedoch zahllose Ausnahmen im Datenschutz gegönnt und ein Überwachungsgesetz nach dem anderen eingeführt. Neben immer neuen Anläufen zur Vorratsdatenspeicherung sind das bayerische Polizeiaufgabengesetz und die experimentelle Kameraüberwachung am Berliner Bahnhof Südkreuz die traurigen Höhepunkte. Und das alles, während einige Kommunen gerne selber in den Datenhandel einsteigen möchten. Angesichts dessen, was die Verfassungsrichter einst bezwecken wollten, ist das heutige Datenschutzrecht mit seiner für zahllose Menschen überbordenden Bürokratie eine traurige Karikatur.