Re: Deutsche Pop Akademie - Ausbildung Sounddesign - Erfahru
Hallo, ein Forummitglied hat mich auf diesen Thread hier aufmerksam gemacht und gebeten, etwas dazu zu schreiben. Ich bin seit vielen Jahren Sounddesigner und habe in dieser Zeit Hunderte Presets für Synthesizer programmiert, über 70 Sample Librarys produziert und einige sachbezogene Bücher und Fachartikel in Musikermagazinen publiziert.
Sounddesign gibt es zweimal: Im einen Fall bezeichnet das Klang- und Tongestaltung bei Film, Radio, Industrie und im anderen ist das die Bestückung mit Soundpresets von Synthesizern und Sampleplayern sowie die Produktion von Sample Librarys. Es gibt eine kleine Schnittmenge bei den Jobs, die Jobbeschreibungen sind nicht immer klar abgegrenzt.
In meinem Fall, und daher auch im Folgenden, geht es um Sounddesign Musikinstrumente.
Das ist kein fest umrissenes Berufsbild, denn erstens kennt man diese Tätigkeit erst seit es Speicher für elektronische Musikinstrumente gibt, und zweitens ist der Bedarf weltweit gesehen derart gering, dass es wahrscheinlich mehr Lotto-Jackpot-Gewinner gibt, als Sounddesigner. Ich schätze die Zahl der Profis weltweit auf vielleicht 500, könnten auch etwas mehr oder weniger sein. Viele von uns kennen sich persönlich. Ein Know How Transfer ist spätestens seit Mitte der 80er üblich, als der DX7 Musiker vor Rätsel zu stellen meinte. In der Folge wurden Workshops, Fachartikel, Bücher, DVDs, youtube Clips produziert und seit einiger Zeit gibt es auch Seminare u.ä.. Ob man sich derer als Musiker bedient, der seine eigenen Sounds machen will oder das als Einarbeitung in ein Jobgebiet mit der Ambition Geld verdienen ansieht, ist Sache eines jeden selber. Da es in diesem Thread offenbar um Letzteres geht, hier ein paar typische Angaben aus der echten Welt und aus meiner Sicht.
Anforderungen Kompetenz Sounddesign
Um Jobs bei Musikinstrumentenherstellern zu bekommen, muss man in der Regel Referenzen vorweisen, denn niemand kauft die Katze im Sack. Eine selber programmierte Soundbank ist das absolute Minimum, zwei sind besser und drei erst recht. 200-300 Sounds also, bei Samples sollten es wenigstens 50 Multisamples und 250 One-Shots sein. Wenn man die bei einer Bewerbung (Kaltaquise) nicht aus der Schublade ziehen kann, weiß der potentielle Auftraggeber nicht, welche Leistungen er für sein Geld kriegt. Also muss ein Novize in Vorleistung Sounds machen, damit es was vorzuführen gibt. Für Sound Programming bei Herstellern gibt es Geld, und die Höhe des Honorars richtet sich nach der Qualität der Sounds und dem Verhandlungsgeschick. Parameter für die Qualitätsstufe sind heutzutage sachlich fixiert, d.h. Klänge müssen einer Spezifikationsliste entsprechen. In der Regel legt die ein Auftraggeber in seinem Briefing vor. Nicht erwähnt sind Selbstverständlichkeiten wie tadelloses Aufnahmematerial und Mapping bei Multisamples, sauberes Programming bei Synths (keine unbeabsichtigen Verzerrungen, gleichmäßige Lautstärkepegel innerhalb einer Soundbank usw.). Dass es geringwertigere Sounds gibt, hängt oft damit zusammen, dass Hersteller gelegentlich auch billig einkaufen oder ungeübtere Beta-Tester bemühen. Das sollte für eigene Ambitionen kein Maßstab sein. Im Falle Kaltaquise sollte man allgemeinübliche Regeln kennen, wie sie für alle Freiberufler gelten.
Anforderungen Soft Skills
Auch wenn die Musikinstrumentenindustrie recht unkonventionell erscheint, manche Soft Skills sind nicht nur erwünscht sondern machen auch das eigene Leben leicht. Schnelle Kommunikation (Mails nicht länger als 1 Tag unbeantwortet lassen), klare Artikulation (sag in 3 Zeilen, was Du sagen willst), Einhalten von Deadlines usw. sind ein Indiz für einen Auftraggeber, sich auf jemanden einlassen zu wollen. Als Sounddesigner hat man sich als Unterstützung für Projekte der Hersteller und für die Musiker zu verstehen. Persönliche Eitelkeiten sind fehl am Platze, nicht im Scheinwerferlicht zu stehen der Normalfall. Englische Sprachkenntnisse werden grundsätzlich benötigt, da es nur wenige deutsche Musikinstrumentenhersteller gibt. Geübter Umgang mit Office Programmen hilft ungemein, denn als Sounddesigner ist man auch ein Buchhalter. Klänge müssen archiviert werden, Listings erstellt. Kaufmännische Grundkenntnisse verhindern unbeabsichtigte Eigentore, denn Rechte und Pflichten gemäß Gesetzbüchern inklusive Steuerwesen sollte man kennen und ausnahmslos beherzigen. Auch hilft es zu erkennen, mit welchen Skills man es beim Geschäftsgegenüber zu tun hat. Mobilität ist von großem Vorteil, es werden gelegentlich Präsentationen vor Ort erwartet. Solche mit gewisser Souveränität zu erledigen gehört zum Job. Großmäuligkeit bestraft das Leben, einen guten Job machen reicht.
Anforderungen Instrumentalist/Songwriter
Ein Instrument richtig gut beherrschen wird erwartet, mehrere werden als angenehmer Bonus aufgefasst. Sounds stehen im Kontext mit der Musik, die damit gemacht werden soll. Seine eigenen Sounds muss man also notfalls überzeugend vorführen können, im besten Falle auf Profi-Level. Auf bestimmten Klanggebieten kann das Instrument auch eine Groovebox sein. Weiter verbreitet ist jedoch Klavier, Orgel, Synthesizer. Diese Fähigkeiten werden auch für die Produktion von Demosongs und Messepräsentationen benötigt und ein Auftraggeber ist froh, wenn er das alles aus einer Hand bekommt und dadurch Zeit sparen kann.
Anforderungen Equipment
Es wird erwartet, dass man für eine Joberfüllung die notwendigen Resourcen mitbringt. Dazu gehören einigermaßen leistungsfähige Computer, schnelles Netz, Synthesizer mit den verschiedensten Tonerzeugungsverfahren. Individuelle Anforderungen sind vor Jobannahme abzufragen, ein extra Kauf nur für einen Auftrag lohnt selten.
Geld verdienen
Das Spektrum der Verdienstmöglichkeiten reicht von Größenordnung mittlerer Lottogewinn bis Geld drauflegen. Es hängt insbesondere am Arbeitsaufwand und entstandenen Kosten. Wer für eine 128er Soundbank für einen Synthesizer 3 Wochen á 8 Stunden/Tag braucht oder für die Instrumentenaufnahme und das Editing einer Sample Library Euro 5.000 investiert, will das entlohnt und refinanziert wissen. Viele Hersteller bezahlen das auch und auf einem Level, mit dem es sich leben lässt. Andere meinen, mit Naturalien (Hardware) oder Lizenzen (Software) honorieren zu wollen. Unter Profis gilt das als weniger interessant bis unseriös. Für einen Hobbyisten, der halt mal ein paar Sounds rausgeben will, kann das aber ok sein. Obacht: Wer einmal ungewöhnlich billig ist, wird das immer bleiben.
Hauptberuf vs. Nebenberuf
Viele professionelle Sounddesigner haben im Nebenberuf angefangen, so auch ich. Erst wenn die Jobs überhand und alle Freizeit in Beschlag nehmen, ist ein Gedanke an Hauptberuf angesagt. Das Qualitätsniveau ist heutzutage beachtlich, um in der Branche Fuß zu fassen, muss man in der Lage sein, das mehr oder weniger auf Anhieb zu erreichen. Das erklärt, warum es wenig Nachwuchs gibt, denn man muss sehr fleißig sein. Und das nicht als Last empfinden, sondern es gerne tun. Ich kenne manchen in der Branche, der Sounddesign mal eine kurze Zeit lang gemacht hat, und irgendwann Lust und Mut verloren. Sich das einzugestehen ist sicherlich nicht so leicht. Die meisten Sounddesigner haben daher mehrere Standbeine, mit denen sie ihr Leben finanzieren. Es kann auch durchaus passieren, dass es monatelang keine Soundjobs gibt, dann muss etwas anderes herhalten, um die Miete zu bezahlen.
Know How aneignen
Selbstinitiative ist angesagt. Dazu braucht es die innere Antriebsfeder, hinter all die Tonerzeugungsverfahren zu steigen, Bücher lesen, Workshops verfolgen, youtube Tutorials reinziehen, Kollegen befragen, Blogs lesen. Auch wenn es sich um die Bestückung elektronischer Musikinstrumente handelt, sind Kenntnisse über akustische Instrumente, Instrumentenbau und Akustik von besonderer Bedeutung. Ein gutes Ohr ebenfalls, dazu ein Gefühl für musikalische Einsetzbarkeit von Klängen. Stilrichtungen kennen von Mittelaltermusik über Romantik bis Jazz und Dubstep auch. Nicht alles wird von Auftraggebern verlangt, aber es notfalls mal aus dem Hut ziehen können wird gerne gesehen. Nein sagen können, wenn man irgendwas nicht kann. Und ja sagen, wenn es sich heimlich über Nacht noch aneignen lässt.
Falls es noch konkrete Fragen gibt: Ich lese in ein paar Tagen noch mal hier rein und beantworte das dann. Ansonsten bin nämlich auch mit Jobs erledigen beschäftigt, und weniger mit Foren aufsuchen