Ich fand es nicht toll, in gebührendem Abstand die Entmagnetisierungsdrossel einschalten zu müssen, um mich dann langsam den Tonköpfen zu nähern, langsam über diesen zu kreisen, und mich ebenso schneckengleich wieder von diesen zu entfernen, bevor ich diese Kackdrossel wieder ausschalten durfte.
Mit Tesafilm popelte ich die Reste eines auf die Schallplatte aufgetragenen und sich über Nacht verfestigenden
Reinigungsschleims aus den Rillen meiner LPs, damit sie porentief rein seien, bevor ich mir davon Tonbandkopien zog.
Von den Unmengen von mit Isopropylalkohol getränkten Wattestäbchen zur Reinigung von Tonköpfen, der Pflege irgendwelcher Wellen, und dem Austausch von Rollen und Riemen mal ganz abgesehen.
Ich entmagnetisiere die Tonköpfe alle paar Jahre mal. Das ist unter normalen Bedingungen nicht dauernd nötig. Bei Schallplatten reicht eine sorgsame Behandlung und eine gute Anti-Statik-Bürste. Die Tonköpfe meiner Bandgeräte habe ich allerdings tatsächlich stets vor und nach jeder Nutzung mit Isopropyl gereinigt. Das ist ein bisschen lästig. Stimmt. War es mir aber immer wert, denn das ist wirklich das A und O.
Trotz aller Geisteskraft, die ich zu dieser späten Stunde noch aufzubringen vermag, weiß ich nicht, was Du damit meinst, wenn Du sagst, dass der "Dynamikumfang eines analogen Tonträgers nach oben hin offen ist". Ehrlich und wahrhaftig, bei den Gräbern meiner Großmütter und auf die Gefahr hin, dass die mir angedichtete Intelligenz sogleich wieder entzogen werden wird: Ich weiß es wirklich nicht! Denn auch der Dynamikumfang eines analogen Tonträgers hat eine obere Grenze, oberhalb der die Verzerrungen in einem nicht mehr erträglichen Maße zunehmen und die Aufnahme unbrauchbar wird.
Der Dynamikumfang eines analogen Tonbands geht theoretisch gegen Unendlich oder ist zumindest sehr, sehr groß. In der Praxis ist er nach unten durch den Signal-Rauschabstand und nach oben durch den Klirrfaktor begrenzt. Es gibt also keine harte Grenze nach oben, sondern man kann messen, wann die Verzerrungen einen bestimmten Grad übersteigen. Das ist ein angenommener Punkt, der als 0 dB auf dem VU-Meter kalibriert wird. Ob man ihn einhält, ist Geschmacksache. Wann die Verzerrung, die oberhalb von 0 dB einsetzt, dann wirklich unangenehm wird, ist sehr subjektiv und auch sehr unterschiedlich je nach Material. In der Praxis hat man bei analogen Aufnahmen zumindest im Bereich der Popmusik stets oberhalb dieser Grenze gearbeitet und das teilweise exzessiv und absichtlich, weil man bis zu 20 dB darüber hinausgehen konnte, ohne dass es - je nach Signalquelle - als unangenehm empfunden wurde. Im Gegenteil, man wollte diesen Effekt.
Und ich versuche es jetzt noch ein letztes Mal zu erklären: Das lässt sich digital eben nur begrenzt emulieren. Denn Du musst dann eben, um den resultierenden Klang zu emulieren, irgendwo einen Threshold ansetzen, der deutlich unterhalb des digital eben hart begrenzten Dynamikumfangs liegt und kannst dann dort versuchen, einen ähnlichen Klang durch Kompression zu erzeugen, wie er aus Band-Aufnahmen und/oder Vinyl-Mastering resultiert, aber Du kannst in der Summe eben nie über 0 dB hinausgehen. Das ist technisch ein grundlegend anderes Prinzip, weil Du die harte Grenze des digitalen Mediums eben einhalten musst. Eine CD kann man nicht "lauter" mastern, eine Vinyl-LP schon.
Und nochmal: Das hat in der Praxis letztendlich dazu geführt, dass man schon das Rohmaterial totkomprimiert, was man früher, als noch von Band auf Schallplatte gemastert wurde, in der Regel nicht so gemacht hat.
Aber wen kümmern diese unterschiedlichen Eigenschaften, wenn das digitale Emulation so klingt wie das analoge Original?
Tun sie ja eben nicht.
Warte: Kann es sein, dass dieser Teil der Diskussion ähnlich zielführend ist wie die Frage, ob ein virtuell-analoger Synthesizer so klingen kann wie ein real-analoger – dass es also 'ne Glaubensfrage ist?
Nee, m.E. nicht ganz. Weil hier der grundsätzliche technische Unterschied viel gravierender ist. Ich persönlich bin jedenfalls davon überzeugt, dass VA-Synths heute genauso gut klingen können wie analoge Synths, aber im Falle von digitalen Aufnahmen gegenüber analogen Aufnahmen bleibe ich skeptisch. Ich habe einfach zu viele Gegenbeispiele in meiner persönlichen Tonträger-Sammlung. Ich hatte es hier schon einmal erklärt für meine absolute Lieblings-LP aller Zeiten:
Wobei es natürlich immer die Frage ist, wie man mit der zur Verfügung stehenden Technik umgeht.
Und natürlich arbeite ich selbst heute bei der Musikproduktion auch vollkommen digital. Nur das Endergebnis lasse ich mir dann für mich ganz privat auf Vinyl schneiden
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