Re: Die ersten Synthesizer mit eingebauten Effekt-Prozessore
Habe mittlerweile einen Blick in die deutsche Keyboards-Ausgabe 2/1985 werfen können, darin schreibt Martin Thewes (nicht Tewes, wie ich irrtümlich schrieb) im zweiten Teil des Kurzweil-250-Testberichts, dass das Instrument über knapp 2 Megabyte ROM verfügt, wobei die entsprechenden Bausteine alleine einen Wert von rund 3.500 DM repräsentieren würden. Those were the days… Aber zurück zum eigentlichen Thema, nämlich ob derdiedas K250 wie von Michael Burman weiter oben vermutet, schlicht die gleichen Verfahren verwendet wie jeder Sampler und Sample-Player, es sich also bei den Antworten von Ray Kurzweil im obigen Video um eine Übertreibung oder Mystifikation handeln würde.
Auf Seite 55 der Keyboards schreibt nun Martin Thewes, dass Ray Kurzweils "Contoured Sound Modeling" weder allein auf Looping noch auf Multisampling, sondern auf einem Verfahren basieren würde, dass Kurzweil schon bei seiner "Reading Machine" (einem Textvorlesegerät für blinde Menschen) angewandt habe.
"Der gelesene Text wird mit gespeicherten 'Erfahrungswerten' verglichen. Diese Erfahrungswerte geben Auskunft darüber, wie ein Buchstabe oder eine Silbe in einem bestimmten Zusammenhang ausgesprochen werden müssen. Das bei dieser Lesemaschine erworbende Know How konnte Kurzweil auch bei seiner neuen Entwicklung, dem Kurzweil 250 verwerten."
Unter der Überschrift "Datenreduktionsverfahren beim Kurzweil 250" liest man dann:
"Wie aus dem bereits angeführten Beispiel [88 Tasten zu je 250 unterscheidbaren Klangnuancen = 22000 Klänge, wird früher im Bericht erwähnt, -s] hervorgeht, ist die direkte Abspeicherung aller, von einem Klavier erzeugten Klänge undurchführbar. Diese Vorgehensweise wäre allerdings auch nur dann notwendig, wenn die einzelnen Klänge von einander völlig unabhängig (stochastisch verteilt) wären. (Beispiel: Eine Taste klingt wie ein Klavier, die benachbarte wie eine Trompete, die danebenliegende wie eine Gitarre usw.)
Glücklicherweise stehen alle Klänge eines Pianos in bestimmten Verhältnissen zueinander.
Erschwert wird das Erfassen dieser Verhältnisse aber dadurch, dass sie sich nicht linear verhalten. Das heisst, daß ein doppelt so starker Anschlag nicht auch die doppelte Lautstärke aller erzeugten Harmonischen zur Folge hat. Es geht also darum, relevante Beziehungen herauszufinden. Als Randbedingung kommt erschwerend hinzu, daß diese Beziehungen die Grundlage für Regeln zur Tonerzeugung bildern, die in Echtzeit (Real Time) Anwendung finden sollen, sie müssen daher besonders effizient sein.
• Ausschließlich signifikante Änderungen der Klangausprägung sind zu erfassen.
• Der Einsatz der Regeln (Implementierung) muß in einer gegebenen Zeit erfolgen können.
(…)
Zunächst einmal wird das akustischen Instrument, das gespeichert werden soll, mit Hilfe von qualitativ höchstwertigen Digitalisierungseinrichtungen erfaßt und aufgezeichnet. Anschließend übernimmt ein ebenso aufwendiges Computersystem die analytische Auswertung der Daten. Erfaßt werden hierbei nicht nur die verschiedenen Tonhöhen, sondern auch Phasenbeziehungen und Veränderungen des Amplitudenspektrums über die Zeit. Als Ergebnis erhält man ein Modell des Originaltones mit seinen vielfältigen unterschiedlichen Ausprägungen. Aus diesem Modell läßt sich im quasi umgekehrten Prozeß der Originalton in einer bestimmten Ausprägung wiedergewinnen."
Das ist ein anderes Verfahren als Multisampling & Looping mit nachgeschalteter Klangfarben- und Lautstärkenformung, wie sie in jedem Sampler oder Sample-Player zum Einsatz kommen.
EDIT: Klarstellung der Zitate.