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Anonymous
Guest
[Moderation: Ausgelagert aus viewtopic.php?f=36&t=46026&start=0 ]
Heutzutage ist für einen Komponisten jeder Klang potentiell musikalisches Material. Auch ein Klogeräusch. Es ist nur die Frage, in welchen Kontext er gesetzt wird, um als Klogeräusch einfach neutralisiert zu werden, und dann hören sie ihn gar nicht mehr als Klogeräusch. Und wenn die Assoziation noch vorhanden ist, dann muß er halt vermittelt werden, um sich in eine Musik, die einen weiteren realistischen Darstellungsrahmen hat als nur Oboe, Klavier, und, wie bei Messiaen vielleicht, Le merle noir zu integrieren.
In mehreren meiner Kompositionen aus den letzten Jahren wie TELEMUSIK, HYMNEN, KURZWELLEN kommt praktisch alles an assoziativen Klängen vor. Hier und da hört man überall neu hinzukommende Klangereignisse. Das Wesentliche ist heute: jeder Klang kann musikalisches Material sein.
Nicht die Klänge sind gute oder schlechte Musik, sondern es kommt darauf an, was damit gemacht wird. Ob sie vermittelt, ob sie wirklich komponiert sind. Oder ob sie nur wie in einer Ausstellung exponiert sind - wie in einem akustischen Bauchladen, wenn der Hausierer sagt: ich habe diesen Klang, ich habe auch jenen Klang, ich kann solche Töne machen, ich kann aber auch noch andere machen. (Die meisten Komponisten machen es so. Meistens kümmern sie sich dann wenig um die Nachfrage und wundern sich. . .) Wesentlich ist, daß Vermittlung stattfindet, daß ein Klang plötzlich eine Variante eines anderen ist, daß also zwischen Ton und Geräusch ein Kontinuum komponiert wird. Und das schafft Bewußtseinserweiterung. Das zeigt auf einmal, daß ein Konsonant ein Grad eines Vokals ist: wenn ich einen Vokal kontinuierlich mehr und mehr überhauche oder verzerre, wird er über die Halbkonsonanten ein Konsonant. Jeder Klang kann mit jedem anderen zunächst einmal in ein Kontinuum gebracht werden, und in der Mitte zwischen den zwei gegebenen Klängen entsteht eine zweideutige Situation. Man weiß nicht, ist es das eine oder das andere. Ist es Fisch, oder ist es Fleisch. Bei drei vorhandenen Klängen entsteht eine dreidimensionale Vermittlung, usw. . . .
Diese Mehrdeutigkeit der Klangfarben ist wesentlich für die Einbeziehung der Geräusche. Dadurch werden auch die ganzen Tabus abgebaut werden. Es gibt Traktate über Musik, in denen bestimmte Schlagzeugklänge, Geräusche mit dem Teufel identifiziert wurden, und andere harmonische Klänge mit Gott.
Ausschnitt aus "Karlheinz Stockhausen - Die vier Kriterien der Elektronischen Musik"
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
Heutzutage ist für einen Komponisten jeder Klang potentiell musikalisches Material. Auch ein Klogeräusch. Es ist nur die Frage, in welchen Kontext er gesetzt wird, um als Klogeräusch einfach neutralisiert zu werden, und dann hören sie ihn gar nicht mehr als Klogeräusch. Und wenn die Assoziation noch vorhanden ist, dann muß er halt vermittelt werden, um sich in eine Musik, die einen weiteren realistischen Darstellungsrahmen hat als nur Oboe, Klavier, und, wie bei Messiaen vielleicht, Le merle noir zu integrieren.
In mehreren meiner Kompositionen aus den letzten Jahren wie TELEMUSIK, HYMNEN, KURZWELLEN kommt praktisch alles an assoziativen Klängen vor. Hier und da hört man überall neu hinzukommende Klangereignisse. Das Wesentliche ist heute: jeder Klang kann musikalisches Material sein.
Nicht die Klänge sind gute oder schlechte Musik, sondern es kommt darauf an, was damit gemacht wird. Ob sie vermittelt, ob sie wirklich komponiert sind. Oder ob sie nur wie in einer Ausstellung exponiert sind - wie in einem akustischen Bauchladen, wenn der Hausierer sagt: ich habe diesen Klang, ich habe auch jenen Klang, ich kann solche Töne machen, ich kann aber auch noch andere machen. (Die meisten Komponisten machen es so. Meistens kümmern sie sich dann wenig um die Nachfrage und wundern sich. . .) Wesentlich ist, daß Vermittlung stattfindet, daß ein Klang plötzlich eine Variante eines anderen ist, daß also zwischen Ton und Geräusch ein Kontinuum komponiert wird. Und das schafft Bewußtseinserweiterung. Das zeigt auf einmal, daß ein Konsonant ein Grad eines Vokals ist: wenn ich einen Vokal kontinuierlich mehr und mehr überhauche oder verzerre, wird er über die Halbkonsonanten ein Konsonant. Jeder Klang kann mit jedem anderen zunächst einmal in ein Kontinuum gebracht werden, und in der Mitte zwischen den zwei gegebenen Klängen entsteht eine zweideutige Situation. Man weiß nicht, ist es das eine oder das andere. Ist es Fisch, oder ist es Fleisch. Bei drei vorhandenen Klängen entsteht eine dreidimensionale Vermittlung, usw. . . .
Diese Mehrdeutigkeit der Klangfarben ist wesentlich für die Einbeziehung der Geräusche. Dadurch werden auch die ganzen Tabus abgebaut werden. Es gibt Traktate über Musik, in denen bestimmte Schlagzeugklänge, Geräusche mit dem Teufel identifiziert wurden, und andere harmonische Klänge mit Gott.
Ausschnitt aus "Karlheinz Stockhausen - Die vier Kriterien der Elektronischen Musik"
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm