Fetz schrieb:
EinTon schrieb:
??? wenns langweilt ...
Sorry, ein von mir versehentlich zu früh abgeschickter Beitrag... (wollte eigentlich "Vorschau" klicken...
Fetz schrieb:
Natürlich. Warum werden heute denn immer noch Instrumente im großem Stil gesampelt? Warum nimmt man für Pop-Musik mechanische Instrumente auf, selbst wenn man sie hinterher so verfremdet, das sie elektronisch klingen?
Kennst du die simulierten Klaviere? Die sind inzwischen(!) auf einem Level angekommen, den ich für authentisch halte (es geht mir ja nicht um Goldohrentum), aber das hat man auch nur geschafft, weil man ein Vorbild nachgebaut hat. Ohne Vorbild eine derartig ausgefeilte Klangstruktur?
Hi, Fetz!
Falls Du das implizit unterstellts: Stockhausen wollte mit seiner elektronischen Musik nie die akustischen Instrumente abschaffen (etwa nach dem Motto: "Jetzt habe ich die elektronische Musik erfunden, und ab sofort brauchen wir Klaviere, Violinen und Große Trommel nicht mehr").
Diejenigen, die hier Stockhausen allein als Komponist elektronischer Klänge promoten (incl. eines gewissen Elektrokamerads...
) übersehen, dass der größte Teil des Werks von Stockhausen durchaus für herkömmliche Instrumente geschrieben wurde, etwa die "Gruppen" für 3 Orchester (ich habe das Stück vor 2 Jahren in Strasbourg live gehört, war Klasse!
)
Fetz schrieb:
Oh, ich wollte hier keinen Kulturimperialismus betreiben. Es geht einfach darum, etwas Bestehendes, was von vielen Menschen über Jahre zusammen weiterentwickelt wurde, mit einer großartigen Geste durch etwas zu ersetzen, das man sich - überspitzt formuliert - morgens beim Scheissen ausgedacht hat[1].
So ganz stimmt das aber (im Bezug auf die Zwölftontechnik) nicht...
Man muss dazu wissen, dass es "atonale" Musik schon
vor der Zwölftontechnik gab - sämtliche späteren "Zwölftöner" komponierten zunächst "frei-atonal", d. h. die herkömmliche Funktionsharmonik mit ihren Grundtönen und Kadenzen war außer Kraft gesetzt, und ebenso gabs eine Vorliebe für "schräge", dissonanzenreiche Klänge. (Wer an einem Beispiel interessiert ist: ich empfehle mal die "6 Stücke für großes Orchester" (insbesondere Stück 4 - "Trauermarsch" - welches allerdings eher nach Horrorfilm-Soundtrack klingt) oder die späteren, soundscapeartigen "5 Stücke für Orchester" - keine Angst, beide Zyklen dauern nicht allzulange
- v. a. aber ist das alles "atonal" aber eben nicht zwölftönig!). Diese wiederum ergab sich daraus, dass im 19. Jahrhundert die Funktionsharmonik immer weiter ausgeweitet und schließlich an ihre Grenzen getrieben wurde - speziell ein gewisser Richard Wagner mit seinem "Tristanakkord" (aus der Oper "Tristan und Isolde") war ein Vorantreiber dieser Entwicklung. Insofern lag die komplette Auflösung der Tonalität Anfang des 20. Jahrhunderts in der Luft...
Die erst 1923 eingeführte Zwölftontechnik war dann ein Versuch Schönbergs, Atonalität gewissermaßen zu "rationalisieren", (er selber mochte den Begriff "Atonalität" übrigens nicht und bevorzugte "Atonikalität", was soviel wie "Grundtonfreie Musik" bedeutet). Schönberg hatte wohl das Bedürfnis nach einem neuen "System" für seine Musik, nachdem das traditionelle, funktionsharmonische System weggebrochen war. Das alte System hatte auf Grundtönen basiert. Da Schönbergs Musik jedoch gerade durch das Fehlen eines Grundtons (oder Grundakkords) charakterisiert war, lag es nahe, das neue System auf eben dieser Eigenschaft zu basieren, also alle Töne gleichberechtigt zu machen. Und genau das führte dann zur „Erfindung“ der Zwölftonreihe.
Nun muss man diese Konsequenz natürlich nicht überzeugend finden (ich selber habe aus bestimmten Gründen auch gewisse Probleme mit der Reihentechnik…), gleichwohl sollte man sich bewusst sein, dass Schönberg nicht „morgens beim Scheissen“ plötzlich dachte: „Und jetzt mach’ ich mal was völlig neues, und scheußlich klingen soll’s außerdem!“, sondern sich sein System aus den - von Dir angemahnten – historischen Entwicklungen ergab. (Es gibt manche Klassikkenner, die die Einführung des Zwölftonsystems in der damaligen musikgeschichtlichen Situation für geradezu zwingend halten, aber so weit würde ich nicht gehen…)
Ich halte den Zahn der Zeit da für ein ganz gutes Kriterium. Und da haben sich die naiven technischen Umsetzungen musikphilosophischer Ideen einfach nicht so recht durchsetzen können. .
Kommt drauf an, was Du unter „durchsetzen“ verstehst – speziell in den 50er und 60er Jahren war die Methode unter Komponisten sehr erfolg- und einflussreich und Stockhausen, Boulez und Nono weiteten die Reihentechnik gar noch auf andere Parameter aus (zB Tondauer, Klangfarbe, Tempo…)
Und was „das Publikum“ betrifft – klar, Mozart wird mehr gehört als Stockhausen. Aber Lena Meyer-Landrut wird auch mehr gehört als Autechre (oder – um etwas nicht-synthetisches zu nennen – eine beliebige Metal-Combo). Ist deswegen Autechre jetzt weniger „wert“ als Lena? Warum soll Musik, die nicht „die Massen“, sondern ein Minderheitenpublikum begeistert eigentlich fragwürdig sein??