Hi,
ich möchte vielleicht ein paar kurze Erläuterungen zu meinem Artikel auf flaechenklang.de loswerden, die hier angesprochen wurden.
Das Abendland geht seit hunderten von Jahren nur sehr sehr zögerlich unter. Eigentlich gar nicht. Nicht wegen der Musik, und auch nicht wegen anderer Dinge. Alles ist im Fluss, alles verändert sich stetig. Das ist nicht zu ändern und es ist gut so. Das muss so sein, und ich begrüße das. Das Abendland geht nur für die unter, die am Alten festhalten wollen. Mein stetiger Hinweis darauf ist als Überspitzung gedacht, und sollte die treffen die am Alten verbissen festhalten und das immer gleiche immer nur neu aufrühren.
Wie einige hier auch mag ich die Musik von vor 40 Jahren. Aber, sie war ein Funke der nach wenigen Jahren wieder verlosch. Und auch die Protagonisten der damaligen Zeit haben es nicht geschafft den Funken zu einem wirklichen Feuer zu entfachen. Nach vier oder fünf Alben haben alle der großen „Helden“ damals eine Entwicklung vollzogen, die zu mehr Massenkompatibilität führte. Dabei waren ihre frühen Werke die eigentlich Erfolgreichen. Anstatt diese frühen Werke im Geiste ihrer Entstehung weiter zu entwickeln, ging es in Richtung Einheitsbrei. Vangelis hat mit Chariots of Fire und Blade Runner noch mal bewiesen das er es kann. Tangerine Dream hat sich mit Tangram noch mal getraut. Jarre hat mit Zoolook ein letztes großes Werk abgeliefert. Danach ging es bei allen in die Massenabfertigung. Mit durchaus eigener Handschrift, aber unter Verlust des größten Teils der Identität. Ich denke, anderen Genres der elektronischen Musik ist es ähnlich ergangen.
Was mir fehlt sind die Künstler, die entweder das Bekannte weiter entwickeln, so wie Oxygene sich zu Zoolook entwickelt hat, oder die aus dem Nichts etwas von der Größe wie Spiral von Vangelis erschaffen.
Alles in allem lässt es sich meine Kritik auf die beiden Worte „fehlende Substanz“ zusammendampfen.
Nun zum anderen Punkt den ich aus dieser Diskussion hier im Forum aufgreifen möchte. Warum nenne ich nicht Ross und Reiter, und warum sage ich nicht wie es besser wäre?
Das Letzte zuerst. Ich weiß es doch auch nicht. Wüsste ich es, würde ich meine Synths anwerfen und mein Wissen umsetzen. So einfach ist das. Warum ich dann überhaupt darüber schreibe? Weil ich die Szene liebe. Es ist meine Musik. Sie hat mich in gewisser Weise befreit [1]. Meine Hoffnung ist, dass ein Schubser vielleicht zu einer Veränderung im Denken kommt. Ich habe die Hoffnung — und die habe ich auch im Artikel ausgedrückt — dass die Qualität einer Veröffentlichung nicht mehr daran gemessen wird, ob sie neben den anderen Veröffentlichungen der doch sehr kleinen Szene bestehen kann, sondern das man sich nach Höherem reckt. Vielleicht sogar etwas schafft das aus der bisherigen Szene herausragt. Dazu muss man was wagen, den Kopf aus der Deckung heben. Aber, wer seine Deckung verlässt macht sich angreifbar. Ich hoffe das in Zukunft mehr dieses Risiko eingehen. Weiterentwicklung entsteht nicht in der Komfortzone.
Und weil ich diese Szene so liebe, bin ich schwammig geblieben. Ich will niemanden auf's Schafott ziehen, der Meute zum Fraß vorwerfen. Das hat niemand verdient, und bringt auch schlechtes Karma. Ich will auch niemanden herausheben, als positives Beispiel hervorheben. Ausserdem werden solche Details sehr schnell zu dem Hauptthema der Auseinandersetzung. Dann wird nur noch gestritten, warum denn dieser als so schlecht dargestellt wird, und was — bitteschön — dieser als gutes Beispiel denn soll? Dabei geht es doch tatsächlich um etwas ganz anderes. Manchmal muss man schwammig bleiben, um den Fokus nicht aus den Augen zu verlieren. Es macht sich sowieso jeder seine eigenen Gedanken.
Ausserdem wäre es dann ein Verriss. Das soll es aber nicht sein. Ich schreibe keine Verisse. Das hier ist ein Weckruf …
[1] siehe auch
http://flaechenklang.de/2014/06/06/tang ... am-encore/