Nachdem ich mich heute durch alle Beiträge durchgelesen habe, kurz noch einige Gedanken, freigegeben zur Verwertung ...
Was haben uns Ölfarben, Pinsel und Leinwand gebracht? Oder was haben Fotoapparate gebracht?
1. Analoge Synthesizer haben dem Anwender eine höhere Stromrechnung gebracht.
2. Analoge Synthesizer sind Musikinstrumente. Sie bringen nichts. Sie sind da. Was damit passiert, bestimmt der Musiker/Künstler.
3. Analoge Synthesizer wurden und werden von Musikern verschiedener Genres eingesetzt. Einige Genres sind, in Abwandlung bestehender, durch analoge Synthesizer entstanden. Ich denke an Synthpop (Kraftwerk, Human League, Depeche Mode, usw.) oder Elektronik ala Jarre, Tangerine Dream, Vangelis, usw.
4. Analoge Synthesizer haben Musik (zeitweise) geprägt. Darunter ist, je nach Auffassung des Hörers, gute und schlechte Musik oder keine Musik, sondern Umweltverschmutzung, zu finden.
5. Mein Bruder studiert Philosophie. Er hat etwas gesagt, das mich sehr beeindruckt hat: "Es gibt keinen Gedanken, der nicht schon einmal gedacht wurde". Mein Eindruck ist der, dass wir auch in Sachen Klangerzeugung mittlerweile soweit sind. Klänge kann man auf dreierlei Arten entwickeln: 5.1. Man stellt sich einen Klang vor und baut ihn. Die Vorstellungskraft von uns allen dürfte sehr begrenzt sein, da wir von unseren Erfahrungen, unserer Kultur geprägt sind. Zudem dürfte unser Gehör/Gehirn ob der Dauerberieselung mit Umweltgeräuschen, synthetischen Geräuschen, Musik etc. pp. so derart überlastet und müde sein, dass die Stille für Neues nicht gegeben ist. Welcher Maler würde schon gern sein Bild auf eine bemalte Leinwand malen wollen?
5.2. Man baut einen Klang nach, den man bereits gehört hat.
5.3. Zufall / Intuition, ggfs. mit technologischer Unterstützung
5.4. Kombination 5.1., 5.2. und 5.3.
6. Der überwiegende Teil der Musik orientiert sich an evolutionären Mustern. Selbst Techno ist keine wirkliche Revolution, wenn man sich im Vergleich die stundenlangen Trommeleien afrikanischer Ureinwohner anhört. Evolutionäre Muster haben soziale Funktionen. Bei Musik ist das nichts anderes. Es werden Gefühle angesprochen, Gemeinschaften gebildet, Stimmungen und Neigungen zum Ausdruck gebracht, Politik gemacht, Selbstfindung betrieben, außergewöhnliche Leistungen gewürdigt, Helden geschaffen usw. Musikinstrumente treten dabei stets hinter jene Menschen, die diese spielen und deshalb sind dem überwiegenden Teil der Menschheit analoge Synthesizer egal.
7. Vor einiger Zeit hatte ich ein Buch über die Klassiker der Ökonomie gelesen. Was mich sehr überrascht hatte, war die Aufmachung. Die Klassiker wurden als Abstract, inkl. historischen Bezug, vorgestellt. Auch Musik und ihre Instrumente sind im historischen Kontext zu sehen. Analoge Synthesizer können anziehend wirken, weil wir damit bestimmte Musik, Musiker, Werte, klangliche und haptische Aspekte, Ingenieursleistungen aus der "guten alten Zeit" verbinden. Interessanterweise sind Profimusiker insgesamt etwas pragmatischer. Wer mit dem Zeugs gearbeitet hat und all die Probleme kennt, ist froh über die digitale Technik mit all den Vorteilen. Und auch das dürfte im historischen Kontext zu sehen sein.
Mein Fazit zur Diskussion: Synthesizer haben kreativen und weniger kreativen Menschen neue Möglichkeiten des Musizierens oder Geräuschfabrizierens oder Klangmalens oder was auch immer an die Hand gegeben. Ob ein analoger Synthesizer, ein digitaler Synthesizer, ein Sampler oder was auch immer hinter diesen Möglichkeiten steckt, interessiert nur die interessierte Mehrheit in diesem Forum. Für den Rest der Menschheit sind das bestenfalls Synthesizer. Assoziiert wird damit oftmals "Computermusik", sprich "entmenschlichte", ohne musikalisches Können, im Schlafzimmer ohne großen Aufwand (der es auch nicht wert wäre) produzierte Musik. Wie auch immer, die Entwicklung der Synthesizer im Hinblick auf die Klangerzeugungsverfahren (inkl. deren Nutzen unter musikalischen Aspekten) dürfte zu 90 Prozent abgeschlossen sein. Man wird noch neue Ideen verwirklichen (Software). Der überwiegende Teil wird sich weiterhin auf vorhandene Elemente konzentrieren. Ob daraus neue, musikalisch brauchbare Klänge entstehen? Überraschungseffekte wie beim Übergang zur FM Synthese und zum Sampling wollen sich nicht mehr einstellen. Alles irgendwie schon 100.000 mal gehört. Die Nuancen, der Kontext sowie das Können des Musikers machen den Unterschied.
Gute Nacht ...
PS: Über Musik und Kunst lohnt es sich nur dann zu streiten, wenn man seine Idendität und die dazugehörige soziale Gruppe noch nicht gefunden hat