Noiseprofessor schrieb:
Undsoweiterundsofort ... comprende?
Nope. Nicht im Geringsten.
Stell dir einfach mal vor, du sollest das nicht mir erklären, sondern dem 15-jährigen Lukas aus der Nachbarschaft, der mit Magix Ringtonemaker einen Loop gebastelt hat. Den hat er auf seiner 1. kleinen Homepage als Backgroundmusik eingebaut und nun flattert eine Abmahnung ins Haus.
Sein Vadder - Kalle - is ganz aus dem Häuschen. Er ist nicht ganz unbeteiligt daran, denn er hat dem Bengel den Rechner gekauft (der Jong sol's a mo besser haam) und die Domain läuft freilich auch auf seinen Namen.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Fein. Daher die Frage:
WO findet Lukas die nötigen Informationen, so dass er sie verstehen kann. Bzw. wo hätte er sie finden können?
Ich hatte weiter oben um einen Link gebeten. Wo isser denn? Ich hatte sogar einen Link gepostet, der erklärt, was ein Deeplink ist. Ein Deeplink führt direkt zu einer expliziten Quelle, nicht zu einer Meta-Quelle oder in ein Meta-Universum. Wie sich rausstellt, ist das gar nicht so einfach, das mit den Deeplinks zu GEMA-Fragen:
http://www.gema.de/musiknutzer/
Wenn wir dort auf "Aufführen" klicken, finden wir 11 Szenarien von Arztpraxis bis Messe. Schülerhomepage ist nicht dabei. Auch unter "Senden" findet sich nichts. Lukas macht keine Podcasts, er hat nur diesen 16-taktigen Loop auf seiner Homepage. Die hat er mit Adobe GoLive gemacht, war bei Papas Strato-Bundle drinne. Überhaupt arbeitet der Bengel nur mit legaler Soft. Der Ringtone-Maker is vom Media Markt, nicht aus der Bucht und die 16 Takte sind aus einem Song von Papas ollen Schallplatten. Die hat Papa selber gerippt, mit so 'nem USB-Plattenspieler. Die Original-LP steht mit 780 andern unten im Keller. Das nur nebenbei. Der Anwalt meinte, sowas sei nich ganz unwichtig. Ebenso die Tatsache, das Lukas die rudimentären Effekte seines Programms wirklich ausreizte. Vom Originalloop ist nicht mehr viel erkennbar. Andere Tonhöhe, runtergepitched, einige Hits laufen reverse, pfundweise Distortion. Ich würde mich an dieser Stelle fragen, ob man modifizierte Loops selber einreichen müsste, könnte oder sollte und/oder ob dann andere Kosten entstehen. Wie gesagt: Loop, 16 Takte, kein Song. Immer noch diese Schöpfungshöhe. Und was Lukas da macht, machen 100.000 andere Kids auf ihren MySpace-Seiten, bei YT und sonstwo. So eine Information sollte entsprechend leicht zugänglich sein.
Ay - "Online" - da sind sie ja.
"Rufmelodien" - nee, is zwar mit Ringtone-Maker gemacht, aber es ist nur ein dezenter Backgroundloop auf einer Homepage. Kann man optional sogar abschalten.
"Websites mit Präsentationsinhalten"
Das wird's sein. Auf Lukas' Page wird zwar nix weiter präsentiert als die Bilder von der letzten Klassenfahrt (war im Harz, ganz toll). Aber mehr ist da nicht.
Auf der GEMA-Seite fehlt's derweil auch an "mehr": Keine Sonderkonditionen für Schüler, keine Erläuterungen zu Länge, Modifikation, Schöpfungshöhe oder- niedrigkeit, nur ein PDF-File. Und in diesem PDF-File steht Folgendes:
Online-Musiknutzung auf privaten Websites
Stand: Oktober 2007
I. Allgemeine Informationen zur GEMA
Die GEMA ist die deutsche "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungs-
rechte". Als staatlich anerkannte Treuhänderin verwalten wir die Nutzungsrechte der Musikschaffenden.
Die GEMA ermöglicht es, dass Nutzungen von Musikwerken vorgenommen werden können und die ihr
angeschlossenen Urheberberechtigten, d.h. Komponisten, Textdichter und Verleger, weltweit angemessene
Vergütungen von den Lizenznehmern erhalten. Die GEMA ist eine der größten Verwertungsgesellschaften
der Welt und nimmt treuhänderisch die Rechte in Bereich des Aufführungs-, Sende- und Vervielfältigungs-
und Verbreitungsrechts wahr.
Aufgrund von Berechtigungsverträgen mit den ihr angeschlossenen Komponisten, Textdichtern und Musik-
verlegern sowie aufgrund von Gegenseitigkeitsverträgen mit ausländischen Verwertungsgesellschaften
vertritt die GEMA treuhänderisch das gesamte Weltrepertoire an geschützter Unterhaltungsmusik für das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Dies gilt auch für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires im Internet und anderen Netzen, sei es
durch Download des Werkes auf die Festplatte des Endnutzers (.wav-, .mid-, .aiff-, .au-, .mp- etc. Dateifor-
mate) oder nur das Anhören der Werke (sog. Streaming z.B. durch die Real Audio Technik).
Für die sich daraus ergebende urheberrechtliche Vergütungspflicht gegenüber der GEMA wurden Tarife
veröffentlicht. Sie finden diese Tarife auf unserer Website www.gema.de ; Abschnitt „Musiknutzer / Online
bereitstellen / Hintergrundmusik auf Websites“.
II. Erwerb der erforderlichen Nutzungsrechte
Bitte wenden Sie sich an Ihre zuständige GEMA-Bezirksdirektion – siehe:
http://www.gema.de/der-verein-gema/adre ... irektionen
Dafür brauchen die ein PDF-File. Ich überlege, ob ich die einzelnen Einträge in meinem Blog auch als PDF anbiete. Dadurch bekommen sie einen gewissen Dokumentencharakter. Das hat was. Ein Link zu:
Sie finden diese Tarife auf unserer Website www.gema.de ; Abschnitt „Musiknutzer / Online
bereitstellen / Hintergrundmusik auf Websites“.
wäre nett gewesen. Meine Reise endet bei:
http://www.gema.de/musiknutzer/online-bereitstellen/
Mit "Hintergrundmusik auf Websites" könnte
"Websites mit Präsentationsinhalten" gemeint sein, denn "Hintergrundmusik auf Websites" selbst ist nicht auffindbar. Und tatsächlich: unter tarife.pdf steht was von Hintergrundmusik.
Grundgütiger Webdesigner-Gott - seit '97 hat sich einiges getan! Transparenz ist offenbar nicht nur in Bezug auf den Verteilerschlüssel ein Fremdwort. Man darf sich fragen, weshalb das so ist.
Die Vergütung beträgt für bis zu insgesamt 10 Minuten der Werke des GEMA-Repertoires € 25,00 pro
Jahr, € 6,90 vierteljährlich sowie € 2,50 monatlich, beschränkt auf Besuche mit Musiknutzung von bis
zu 2.000 Besuche im Jahr, bis zu 500 Besuche vierteljährlich sowie 170 Besuche monatlich.
Hell yeah - je nach Artikel hat man z.B. in einem Blog >2000 Hits am Tag und je nach Faulheit können es zu Urlaubszeiten auch mal deutlich unter 100 werden. Wenn ich Lukas' Page in irgendeinem Artikel bei mir verlinke, generiert ihm das u.U. 1000 Hits. Bin ich dann eigentlich als Mitstörer dran?
Anyway: bis zu 10min. - fein, aber der Loop ist nur 18sec. kurz und auch noch nachbearbeitet! Es geht hier um Hintergrundmusik, das sind meistens Loops, Herr J. nochmal. Die sind keine 10min. lang.
Ich würde Lukas empfehlen, die Abmahngebühren zu zahlen, nie wieder einen kommerziellen Tonträger zu kaufen und Backgroundloops für seine Page (die übrigens erstaunlich gut geworden ist) mit einem anderen Hobbyprodukt selbst zu machen. "Auf irgend einer Keys-CD war mal Samplitude drauf, kannste noch freischalten, wenn ich sie finde, geb ich sie deinem Vadder mit."
Denn für dieses ganz gewiss nicht seltene Szenario (Schüler/Homepage/modifizierter Loop) lassen sich nur unzureichende Informationen finden. Lukas will später Maschinenbau studieren, Musik ist "nur so ein Hobby". Also wegen modifizierter 18sec. der GEMA beitreten, wäre unangemessen. Ebenso unangemessen sind die Tarife - "bis zu 10min." für eine "Hintergrundmusik für Webseiten". Von dem grauenhaften, gar nicht zielgruppen-orientierten Beamtendeutsch will ich gar nicht erst anfangen.
Bevor jetzt bittere Tränen fließen: die kleine Story ist freilich fiktiv! Ein echter Lukas würde natürlich meine Loops nutzen, die sind nämlich royalty free.
"Royalty Free - sach mal was heißt's das eigentlich?" Lukas hat die Faxen langsam dicke und ich auch.
Man kann auf die verschiedensten Arten GEMA-Bashing betreiben. Das hier war ein recht unkompliziertes Beispiel in einem kleinen Kreis. Dann gibbet noch das obligatorische Flaming bei jeder Heise-News, da ist der Kreis schon etwas größer und es gibt Leute wie Herrn Kreidler. Egal wie unsinnig seine Aktion letztendlich ist, ich wünsche ihm viel Erfolg damit. Denn je mehr Leute den Verein in Frage stellen, umso mehr öffentlicher Druck entsteht. Möglicherweise kommt das irgendwann auch euch Randgruppen-U-Musikern zu Gute.
Wer noch Lust hat, hier noch mehr putzige Fragen von
Filmern.
61 Themen so weit. Lassen wir mal außer acht, dass Slashcam ein wirklich großes Portal ist. Ist es nicht bezeichnend, dass ein jeder erst mal die Gleichgesinnten fragt, anstatt auf gema.de nachzukucken?
Irgendwer fragte dort nach "GEMA-freien Geräuschen". Da man laut unserem Herrn Professor jedes Geräusch einreichen kann, überlege ich ernsthaft ab heute jeden Furz abzusamplen. Besondes nach einem ordentlich Chili haben die eine mörderische Schöpfungshöhe! Wenn dann irgendwer in der selben Tonlage einen streichen lässt, gilt das als öffentliche Aufführung. Ich würde diesen Mitmenschen nicht abmahnen. Ich würde ihm auf die Schulter klopfen und freudig verkünden: "Du bist jetzt ein Star!"