Brainstorm Paradoxon der Musik: Über "Zeit und Raum" versus "Gegenwärtigkeit" !?

Nick Name

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Ein spielen mit gedanken!
(Bevor hier jemand auf den gedanken kommt, es ginge um "richtig oder falsch"!)

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Man sagt musik ist linear und daher "zeit und raum" gebunden - gleichzeitig existiert musik nur in dem sehr kurzen moment der gegenwart.



(Weiss nicht wie man gegenwärtigkeit bemisst - ist gegenwart ne sekunde oder ne 10tel sekunde oder ne tausenstell sekunde oder ne millionstell sekunde!?)


Ich frage mich wie man es schafft aus einer abfolge von "gegenwärtigkeiten" eine vorstellung von kontinuität zu erzeugen - die auch noch emotionen auslösen können:

Eigentlich dürfte man doch nur lauter fraktale wahrnehmen... und das war´s dann...

(Gleiches passiert übrigens auch mit dem "sehen")
 
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Ich frage mich wie man es schafft aus einer abfolge von "gegenwärtigkeiten" eine vorstellung von kontinuität zu erzeugen - die auch noch emotionen auslösen können:
auch wenn die Frage in Musiktheorie/Spielpraxis eingestellt ist, geht sie ja eigentlich weit über das Thema Musik hinaus, weil dies für die gesamte menschliche Wahrnehmung (also auch jegliche Kommunikation) gilt.

Die Frage berührt (u.a.) unterschiedliche philosophische, neurobiologische und physikalische Themenbereiche, und ist meiner Ansicht nach nicht in diesem Rahmen beantwortbar. Es gibt allerdings eine Menge Literatur zu dem Thema.

Schon die Frage nach der Gegenwärtigkeit wird sich anders beantworten, je nachdem, ob du sie aus erkenntnistheoretischer, psychologischer, neurologischer, physikalischer oder metaphysischer Ebene betrachtest.

Nach meiner subjektiven Erfahrung spielt hier das Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis) bzw. die Trägheit der neuronalen Aktivität eine große Rolle - ebenso wie die Antizipation der (nahen) Zukunft: Es macht ja beim Erlebnis einen Unterschied, ob wir ein Stück schon kennen, oder zumindest musikalisch so vorgebildet sind, dass wir wahrscheinliche Melodie- Rhythmus- und Harmoniefolgen vorhersehen (oder vorherfühlen) können.

Die Frage, was Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (abseits von der menschlichen Wahrnehmung) eigentlich sind, geht dann eher in den Bereich der Kosmologie.
 
Wenn man dialektische Rückopplungsprozesse linear betrachtet und analysiert, verliert man sich zwangsläufig in Widersprüchen. Versuche Prozesse mehr flüssig zu betrachten. Gegenwart ist also keine linear messbare Zeit, sondern ein dynamisches Spannungsfeld ständiger Wechselwirkungen, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft untrennbar miteinander verflochten sind.
 
Es macht ja beim Erlebnis einen Unterschied, ob wir ein Stück schon kennen

Ja, kennst du dazu "Differenz und Wiederholung" von Gilles Deleuze - sehr spannend aber für mich auch sehr schwer zu lesen... aber darin geht es genau um das...

Rückopplungsprozesse

Das ist ja schon ein linear gedachter begriff... und damit schon geframet.
Aber ich kann mir denken was du meinst.


Gibt es eigentlich ein instrument was das abilden kann!?
Fällt mir nur Modularsystem mit vielen logic prozessen ein...
 
Ich frage mich wie man es schafft aus einer abfolge von "gegenwärtigkeiten" eine vorstellung von kontinuität zu erzeugen
ich würde sagen, das Gehirn betreibt da Mathematik aus dem Lehrplan der 11. Klasse -> Differentialrechnung / Integralrechnung.

Letztlich ist das geboren aus der Notwendigkeit, dass das Gehirn die eigentlich viel zu hohe Menge an Wahrnehmungen auf das maximal notwendige Maß reduzieren muss. Siehe Film mit 24 Bildern pro Sekunde = fließende Bewegung.
 
Man kann da sicher ein riesengroßes Faß aufmachen, ich werfe für den Anfang mal die neurologische Gegenwart in den Raum - die müsste das sein, wonach hier gefragt wird:

das kann man dort lesen: "exakte Gegenwart der Beobachtung nicht zugänglich ist"
aber genau das macht man ja beim "musikhören"

maximal notwendige Maß reduzieren muss

ja, und nicht nur das - er muss trotz selektiver wahrnehmung, dinge vorweg-nehmen und sich gleich zeitig dinge auch merken.

Und ich sage: Das kann ich nicht, das ist unmöglich ich kann nicht gleichzeitig reduzieren und maximieren und dann auch noch die lücken füllen...

Einfacher wäre es - wenn gegenwart nur ein erinnern wäre!?
 
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Einfacher wäre es - wenn gegenwart nur ein erinnern wäre!?
Ist sie. Erst nachdem Dein Gehirn die Impression verarbeitet hat, dann wird sie zu Deiner subjektiven Gegenwart. Fieses Beispiel: Wenn objektive Gegenwart und subjektive Gegenwart identische wären, dann würde man sich nicht die Hand auf der Herdplatte verbrennen. Da es aber ein bisschen braucht, bis die Nerven die Hitzewahrnehmung ans Hirn geliefert haben, und das im Hirn korrekt verarbeitet wurde, kokelt die Haut schon, während Dein Hirn noch Vergleiche anstellt, ob das wirklich heiß sei...
 
Probiere es mal mit diesem – zugegebenermaßen 24 Jahren alten – Artikel aus der "Spektrum der Wissenschaft", darin findet sich unter anderem der Abschnitt "Zeit und Gehirn – Gegenwart im Drei-Sekunden-Takt", aus dem ich zitiere (Hervorhebung durch mich):
"Viele voneinander unabhängige Befunde zeigen, daß unsere subjektive Gegenwart eine Zeitspanne von ungefähr 3 s umfaßt.
(…)
Die willkürliche rhythmische Anordnung von physikalisch identischen Stimuli mit gleichem zeitlichen Abstand, etwa den Schlägen eines Metronoms, durch subjektive Akzentuierungen (z.B. einer "Betonung" jedes zweiten Schlages) gelingt nur, wenn die Dauer zwischen den Stimuli höchstens 3 s beträgt. 4 s nach einem Reiz hat dieser sich schon im Dunkel der Vergangenheit verloren und kann nicht mehr mit den nachfolgenden Stimuli zu einer Wahrnehmungsgestalt zusammengefaßt werden.
(…)
Beim spontanen Sprechen sind die Äußerungen meist in 2-3 s währende Abschnitte gegliedert, und zwar unabhängig von der Atmung. Dies gilt für ganz unterschiedliche Sprachen gleichermaßen. Möglicherweise wird in der kurzen Pause nach einem solchen Abschnitt die nächste Äußerung organisiert. Weil diese Gliederung bei geschriebenen Texten entfällt, kann man abgelesenen Vorträgen oft so schwer folgen. Die Verse in der Dichtkunst allerdings gehorchen überwiegend dem 3 s-Takt: Sie sind, laut gelesen, in der Regel nicht länger als 2,5 bis 3,5 s, und zwar wiederum in sehr verschiedenen Sprachen. Dieser zeitlichen Gliederung liegt auch eine inhaltliche zugrunde. Wenn ein Vers doch deutlich länger ist, z.B. Hexameter oder Alexandriner, wird er durch eine Zäsur unterteilt. (Allerdings ist die Gliederung des Sprechens nicht starr nach dem 3 s-Takt ausgerichtet, sondern durchaus variabel und überdies abhängig von der Situation: Eine freie Rede wird anders gegliedert als eine Inhaltsangabe oder die Formulierung einer Nachricht auf dem Anrufbeantworter; auch gibt es geringfügige kulturelle Einflüsse: Das Vorlesen koreanischer Verse dauert z.B. im Durchschnitt 0,5 s länger als das deutscher, gemessen jeweils bei Muttersprachlern.) – Musikalische Motive oder Untermotive wie in Wagners "Der fliegende Holländer" oder Beethovens fünfter Sinfonie dauern ebenfalls häufig 3 s. Wie die Dichtung darf auch die Musik als Ausdruck eines zeitlich begrenzten Integrationsmechanismus in unserem Gehirn betrachtet werden. Künstler werden sich dessen in der Regel nicht bewußt sein, aber sie scheinen doch intuitiv zu spüren, wie unser Gegenwartserleben am besten gestaltet werden kann."
 
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Ich mag deine philosophischen Posts, sie verwirren zwar viele, aber ich mag das.

Diese Gegenwart ist aber so eigen und speziell - das ist also von der Wissenschaft über Erkenntnisse und über das ganz persönliche Erfahren zu erfassen. Das kann man gar nicht so leicht sagen, ähnlich wie die relative Sicht mit dem Urknall. Das liegt daran, dass der sehr kurz ist und man sogar mathematisch sehr interessante Gedanken aufbauen musste, um die Größe des Universums und den Rand vorstellen zu können. So ähnlich ist das hier auch.

Du kannst es selbst erfahren, also die Gegenwart genießen, das Jetzt.
Das wäre die einfachste Form, wie ich als Zielmensch es erst einmal als Arbeitshypothese sehen würde. Jetzt ist der Moment, und damit ist die Länge nicht wichtig oder nicht anzugeben. Es ist die Zeit, die du brauchst. Es kann gut sein, dass sie schon länger ist, um das zusammen mit dem Raum aufnehmen zu können. Die Umgebung und sogar ein bisschen "Langeweile", damit meine ich Zeit dies Erleben als Erleber auch zu haben, nicht die Nachdenkzeit - das ist dann schon mehr und abhängig von dir.

wie weit kann man ein Stück erfassen? Ich denke, es ist wirklich wenig - kurz - dieses Wagner-Beispiel ist da super - die Stunden die das dauern kann - hast du als Gegenwart schon innerhalb des Stücks lange hinter dich gebracht, selbst wenn es nur Laibach ist (ich war da gerade, super). Ich kann nicht alles genau wiedergeben, aber ich kenne ja die Platte und so, aber das drin sein ist schon recht kurz. Schlecht für Leute ohne Gedächtnis. Sehr schlecht.
 
Da es aber ein bisschen braucht, bis die Nerven die Hitzewahrnehmung ans Hirn geliefert haben, und das im Hirn korrekt verarbeitet wurde, kokelt die Haut schon, während Dein Hirn noch Vergleiche anstellt, ob das wirklich heiß sei...
Das Hirn kannst du da aus dem Spiel lassen. Das ZNS hat ja auch noch ein Rückenmark, dass die Verarbeitung extremer Schmerzreize und die Reflexe übernimmt.

Gegenwart ist streng genommen, wenn der Ton am Trommelfell rüttelt. Gegenwart ist, was passiert ist, bevor der Verstand überhaupt Gelegenheit bekommt, das zu reflektieren.
 
Ich glaub, es gibt garkeine gegenwart - dafür "arbeitet" der mensch viel zu gerne mit vorweggenommen klischees, mustern, pattern...?

Oder gegenwart ist: Wenn eine tasse (hin)fällt und ich hab sie aufgefangen - das "auffangen" ist die gegenwart.
 
Wenn wir Menschen nicht zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens wissen würden, dass wir sterblich sind, wir würden das Thema Zeit wohl gar nicht so hoch aufhängen. Vermutlich wären wir dann viel sensibler für die Natur der Schwingung und die Schönheit der Kreisläufe in der Welt.

Da das nicht so ist, müssen wir permanent den Zustand von Sicherheit erzeugen und haben Sprache, Glauben, Status, Besitz & Eigentum, Rausch, Ekstase, Eskapismus und son Zeug kultiviert: Wir evolutionieren unsere Skills der Musterkennung* (Musik zB) – also die Realisierung unserer Vorstellungen – um die Seele ruhig zu halten. Ob ein Putin deswegen nun Krieg führt, Emeline Rochefeuille tanzt oder kernelkid lieber für den Führerschein seines Kindes spart, als für den Polybrute 12, ist schnuppe.

Die Vergangenheit und die Zukunft sind teuflische Erfindungen des Geistes. Oder himmlische – je nachdem, wie Mann oder Frau mit seiner Sterblichkeit umgeht.
Die Lebenszeit ist unser Feind, wir müssen sie zum Freund machen. Wenn's sein muss, mit Gewalt – wenn nicht, dann geht zum Beispiel auch Musik, Fallschirmspringen oder Familie gründen.

So meine Einschätzung.
Die Threadfrage führt dazu, dass ich jetzt dringend Mark Hollis hören muss.


* Vor allem in den Zeitspannen, die wir Gegenwart nennen.
 
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Und ich sage: Das kann ich nicht, das ist unmöglich ich kann nicht gleichzeitig reduzieren und maximieren und dann auch noch die lücken füllen...

Doch, Dein Hirn kann das, das ist sogar sein Standardmodus. Massiv parallel, übrigens. Wobei die Synchronisation auch nur ein Prozess ist, so dass das 'Jetzt' nicht immer mit der physikalischen Zeit übereinstimmt.

Jeder Musikschüler lernt Takt: Arten, Zählen, Halten. Und hat im Mutterleib schon den Herzschlag der Mama gehört. Da wird man 'geeicht' und kann dann Hundertstel hören, wenn zB Drummaschine und Bass trotz Midiclock stolpern.

Dass man das 'Jetzt' kontinuierlich wahrnimmt, ist schlicht notwendig, denn sonst wären unsere Vorfahren alle abgestürzt beim Hangeln, Springen, Laufen und wären folglich nicht unsere Vorfahren.

In der Musik ist man ständig dabei, beim Hören Strukturen/Patterns zu erkennen/bilden. Deswegen funktioniert ja auch bei manchen atonale Musik oder Freejazz: das Hirn baut sich seine Struktur, und wenn die mit der des Stücks zusammenpasst, ist's fein. Und deswegen findet mancher Mozart oder Schlager doof, weil da alles überraschungslos vor sich her dudelt, rauf und runter. Und für diese 'Arbeit' braucht man im 'Jetzt' seine zwei, drei Sekunden, plus den Rückbezug auf eben Gehörtes.
 
Beim Musikhören geht es selten um die Gegenwart. Die 3s reichen vielleicht aus um die ersten Impulse zu triggern, aber es ist die ganze Geschichte, die dafür sorgt, dass man ein Stück mag oder nicht + Verknüpfungen mit Ereignissen während die Musik lief.

Die Gegenwart ist nur relevant, wenn sie zur Vergangenheit wird. Ansonsten ist das eine Verknüpfung von Aktionen und Reaktionen. Ein Chaos das man mit all seinen Erfahrungen (die im Unterbewusstsein verankert sind) und Wunschvorstellungen versucht zu kontrollieren.

Wer in der Gegenwart lebt hat die Kontrolle über sein Leben verloren, würde Karl Kalkbrenner sagen.
 
Und nun noch mein etwas seriöserer Ansatz zum Thema Gegenwart, denn Gedanken um ihre zeitliche Ausdehnung hat man sich natürlich schon lange gemacht und in der Psychologie ist der Begriff der "Präsenzzeit" (ca. 2 s) ein alter Hut.
Siehe z.B. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/praesenzzeit
(PS.: Wer da tiefer einsteigen will, für den könnte Ernst Pöppel 1978 "Time perception" ein guter Start sein)
 
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Solange das alles prozesshaft- mechanistisch - materialistisch erklärt wird bin ich raus!

Will ich nichts mit zu tun haben - das führt ja in der regel nur zu dem "babuschka effekt"
alles wir kleinteiliger und kleinteiliger und kleinteiliger und am ende krommt man drauf das man an "nichts" forscht.

Dann lieber gleich
Physiker Hans-Peter Dürr: "Es gibt keine Materie!" - Das einige was wirk-lich ist, ist kommunikation!
 
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