M
Minutios
.
Klang.
Klänge sind an sich "unschuldig".
Mmmh. Naja. Das ist auch ein denkbar naiver Versuch einer Neutralisierung ("unschuldig"). So als ob Ton, Klang, Musik als etwas dem menschlichen Denken Vorausgehendes denkbar wäre. Sozusagen: Töne, Klänge und Musik sind asozial.
Nun gut. Ich lasse es mal, diese Denkart auf ihre eigene Nachlässigkeit hinzuweisen, will aber noch folgendes sage. Musik und Sprache sind weder unschuldig noch sonstwie von einer Art, was als Synonym für unschuldig angesehen werden kann: Arglos, Einfältig, Gutgläubig, Kindlich, Naiv, Treuherzig, Unverdorben, Ahnungslos, Gedankenlos, Sorglos, Unbefangen, Keusch, Rein, Sittsam, Unberührt, Jüngfräulich, Unbefleckt, Unbeteiligt.
Musik ist also keineswegs unschuldig und auch nicht "unschuldig" und ""unschuldig"" sowieso nicht. Ist sie aber deswegen schuldig ? Und wenn ja wessen kann man sie anklagen ?
Wenn irgendetwas außermusikalisches in sie hineininterpretiert wird, liegt das nur an Assoziationen des Hörers.
Schon in der (Musik)Produktion interpretieren wir im Vorhinein mit vermeintlich positivsten Absichten gegenüber unseren zukünftigen Hörern. Wir versuchen schon in jedem erdenklichen Sinn die zukünftigen Wirkungen unserer Musik zu präformieren, auch wenn uns im Grunde die Macht fehlt über die Effekte unserer Produktion die Kontrolle zu behalten. Und das ist sicherlich nur ein Aspekt den man nennen könnte.
Mich also interessiert z.B. die Frage, ob MJ nicht zuletzt deswegen als Genie benannt wird, weil es sich so anfühlt, als ob er die Wirkung von seiner Kunst und seinen Kunstwerken, seines Körpers, seiner Musikalität steuern konnte. Als ob er etwas beherrschen würde, was ein vermeintlich normaler Mensch nicht kann. Das fängt bei der Illusion der Beherrschung der Bewegungen an und zieht sich durch bis zur Beherrschung eines ganzen um ihn installierten Apparates von Menschen in den unterschiedlichsten Positionen, die sich um sein Projekt zu kümmern haben und endet wenn es absurd steigert bis hin zum Willen unsere Anschauung über seine Person zu prägen.
Es tauchen zumindest immer beide Elemente in den Reden über ihn auf. Dies was verklärend als "Gefühl" für Musik und rationaler als "Kontrolle" über Musik, Töne, Rhythmen und dann übertragen auf seinen Körper Bewegungen, Gesten, Mimiken, mikrophysikalische Ereignisse seines Bewegungsapparates, beschrieben wird. Das was man also beobachten kann, ist ein feines Wechselspiel zwischen Künstler, Publikum und Produktionsmaschine, wobei der Künstler das Publikum verkonsumiert und dessen Erwartungen internalisiert und das Publikum die Imagination eines sich vermeintlich selbstbeherrschenden Menschen vorgesetzt bekam. Das ist eben Magie, wenn man vergessen kann, dass die Welt viel komplexer ist, als wie man offensichtlich sieht oder hört ?
Wenn MJ nicht im Sozialen gewinnen konnte, dann wenigstens im vermeintlich neutralen Bereich der Musik ? Das ist nicht uninteressant als Argument und auch nur eine Art der Erzählung darüber was passiert.
Interpretation setzt also nicht erst beim Hörer ein und Musik scheint also schon immer verstrickt in die Machenschaften des Menschlichen. Könnte man denken ? Sollte man denken ?
Musik ist sicherlich eine sehr abstrakt erscheinende und (aber gleichzeitig widersprüchlich) eine sehr intuitive Art dessen, wie der Mensch sich mit sich selbst und seiner Umwelt beschäftigt.
Momentan gilt ja gewissermaßen der Konsens, dass das Geräusch die sicherlich neutralste Form eines akustischen Ereignisses ist. Es gilt als apolitisch und niemand will Geräusch-Ikone, aber jeder will Musik-Ikone